Das wissenschaftliche Magazin "Nature Medicine" gibt Einblicke in die medizinische Forschung des neuen Jahres. Die Liste der Studien, die 2025 prägen könnten, zeigt auch die Probleme der Gesellschaft auf.

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Das Jahr 2024 wurde medizinisch gesehen von etlichen Studien über die positiven Effekte von Abnehmmedikamenten wie Semaglutid und Tirzepatid bestimmt. Dem Fachblatt "Nature Medicine" zufolge wird der Kampf gegen Übergewicht auch im neuen Jahr die medizinische und vor allem die pharmazeutische Agenda bestimmen.

Doch auch andere Studien könnten 2025 für Aufmerksamkeit sorgen: In dem Journal geben elf Expertinnen und Experten Einblick in ihre Forschung, die in den kommenden zwölf Monaten neue Wege in der Medizin öffnen könnte.

"Unsere Liste spiegelt die besorgniserregenden gesundheitlichen Herausforderungen wider, mit denen die Welt im Jahr 2025 konfrontiert sein wird, mit neuen Behandlungen und Technologien, die darauf abzielen, Fettleibigkeit, Krebs, Mangelernährung, schlechte psychische Gesundheit und die Auswirkungen extremer Hitze zu behandeln", fasst Chefredakteur Ben Johnson zusammen.

Kampf gegen degenerative Erkrankungen und Sichelzellkrankheit

An erster Stelle nennt "Nature Medicine" eine Gentherapie zur Behandlung von Prionenerkrankungen. Prionen sind fehlgefaltete Proteine, die sich durch eine Art Domino-Effekt im Zentralen Nervensystem weiterverbreiten und ganze Hirnareale zerstören können. Diese degenerativen Erkrankungen des Gehirns, zu denen zum Beispiel die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gehört, sind laut Genforscherin Sonia Vallabh zwar selten, aber tödlich.

Vallabhs Konzeptarbeit hat zu einer klinischen Studie geführt, in deren Rahmen das Medikament ION-717 in 16 Prüfzentren weltweit getestet wird. Dieses soll die Menge an Prionen im Gehirn verringern.

Genetikerin Vallabh forscht am Broad Institute, einer Einrichtung des Massachusetts Institute of Technology und der Harvard University, und trägt selbst ein genetisches Risiko für Prionenerkrankungen. Sie sieht ihre Arbeit als Kampagne für eine frühere Behandlung des gesamten Spektrums der Neurodegeneration, "denn je früher man damit beginnt, desto mehr kann man tun, um die Gehirnfunktion zu erhalten". Mit ersten Daten rechnet sie Ende 2025.

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Eine zweite Studie untersucht das sogenannte Base Editing zur Behandlung der Sichelzellkrankheit weiter. Bei dieser Erbkrankheit haben die roten Blutkörperchen eine sichelförmige Form, was zu Organschäden und weiteren, teils lebensbedrohlichen Problemen führen kann. Base Editing ist eine Form der CRISPR/Cas9-Methode - auch als Genschere bezeichnet - die besonders präzise ist. Damit lassen sich die blutbildenden Stammzellen der Patienten verändern.

Studie für eine bessere Ernährung

Eine weitere Studie soll Ernährungsrichtlinien verbessern. Sie prüft, warum manche Menschen von bestimmten Lebensmitteln profitieren, die anderen gesundheitlich nichts nützen oder sich gar nachteilig auswirken.

Dafür werde eine 8.000 Erwachsene umfassende Gruppe untersucht, die wesentlich diverser sei als sonst üblich, sagt Leanne Redman vom Louisiana State University System. Dies solle klären, wie Ernährung, Genetik, Mikrobiom, Lebensgewohnheiten sowie die medizinische und gesundheitliche Vorgeschichte eines Menschen seine Reaktion auf einen Mahlzeitentest beeinflussen.

Jene Informationen würden dann benutzt, um die Reaktion auf drei verschiedene Ernährungsformen mit unterschiedlichen Mengen und Arten an Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen, Obst- und Gemüsesorten, Ballaststoffen, Nüssen, Fisch, Milchprodukten sowie verarbeiteten und unverarbeiteten Lebensmitteln vorherzusagen.

Mithilfe statistischer Modelle und maschinellem Lernen würden die Daten verwendet, "um zunächst die Faktoren oder Merkmale auf individueller Ebene zu ermitteln, die für die Reaktion auf die Ernährung am wichtigsten sind", so Redman. Schließlich gehe es darum, jene Lebensmittel und Ernährungsmuster vorherzusagen, die Menschen wahrscheinlich zugutekommen.

Deutsches Projekt gegen Hitzestress

Eine Studie der Universität Heidelberg untersucht den Effekt hochreflektierender Dachbeschichtungen auf die Senkung der Innentemperaturen in Burkina Faso. Die kühlen Dächer sind eine mögliche Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel. "Diese Dächer sind einfach zu implementieren, erschwinglich und haben einen unmittelbaren Nutzen, was sie ideal für gefährdete Gemeinden macht, die von extremer Hitze betroffen sind", beschreibt Epidemiologin Aditi Bunker.

"Wir glauben, dass diese Arbeit das Potenzial hat, das Leben der Menschen in einigen der am stärksten von der Hitze betroffenen Regionen der Welt zu verbessern."

Epidemiologin Aditi Bunker

Die Studie umfasste laut Bunker 1.200 Teilnehmer aus 600 Haushalten in 25 Dörfern. Über einen Zeitraum von zwei Jahren habe man anhand der Herzfrequenz und anderer Faktoren wie Blutdruck, Körpertemperatur, Stress und Dehydrierung untersucht, wie sich die Dächer auf die Gesundheit der Menschen auswirkten. Bunker sagt: "Wir glauben, dass diese Arbeit das Potenzial hat, das Leben der Menschen in einigen der am stärksten von der Hitze betroffenen Regionen der Welt zu verbessern."

Wie heimische Gärten gegen Mangelernährung helfen sollen

Eine zweite Studie unter deutscher Leitung prüft in Kenia und Burkina Faso, wie heimische Gärten und Ernährungsberatung die Folgen klimabedingter Mangelernährung lindern können. "Ziel ist es, die Vielfalt der Ernährung zu erhöhen, um den Nährstoffverlust bei den Grundnahrungsmitteln auszugleichen", beschreibt Ina Danquah von der Universität Bonn.

Dafür seien in der finalen Phase 300 Haushalte in beiden Ländern ermutigt worden, Gemüse und Obst in der Nähe ihres Wohnorts anzubauen. Bei der Bewirtschaftung der Gärten seien biologische Methoden, ohne chemische Düngemittel und Pestizide zum Einsatz gekommen.

Um den Erfolg des Projekts zu bestimmen, wird laut Danquah die Körpergröße von Kindern in den untersuchten Haushalten im Verhältnis zu ihrem Alter gemessen. Dies sei ein Hinweis für den Ernährungszustand.

Dank KI-Chatbot zum Gebärmutterhalskrebs-Screening?

In einer weiteren Studie geht es um die Effizienz eines KI-gestützten Chatbots, der Frauen bei der Teilnahme an Gebärmutterhalskrebs-Screenings in Frankreich unterstützen soll. Mit dem Chatbot sollen besonders Frauen aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen erreicht werden, die Vorsorgeuntersuchungen bisher seltener in Anspruch nehmen. "Es ist sehr wichtig, dass ein Screening-Programm eine hohe Rate an Teilnehmerinnen hat, um die Inzidenz und Mortalität von Gebärmutterhalskrebs zu senken", erklärt Farida Selmouni von der Internationalen Agentur für Krebsforschung in Lyon.

Parallel dazu wird in Kenia ein digitales Mental-Health-Toolkit getestet, das Jugendlichen und ihren Eltern hilft, psychische Gesundheitsprobleme zu bewältigen. Das Instrument bietet Strategien zur Stressbewältigung und verbessert die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern.

Internationale Studie: CBD zur Prävention von Psychosen

Unterdessen untersucht ein Team der Universität Oxford in einer internationalen Studie die Wirksamkeit von Cannabidiol (CBD), einem Bestandteil der Cannabispflanze, bei der Prävention von Psychosen. Die Studie wird etwa 1.000 Teilnehmer in elf Ländern umfassen.

"Wir hoffen auch, dass diese Forschung klären wird, ob wir mit CBD psychiatrischen Störungen vorbeugen können."

Philip McGuire von der Universität Oxford

"Im Rahmen der Studie werden auch klinische, digitale, kognitive und bildgebende Verfahren sowie Blutuntersuchungen eingesetzt, um Biomarker zu ermitteln, die zur Vorhersage des Behandlungserfolgs herangezogen werden können", erläutert Philip McGuire von der Universität Oxford. 2025 würden erste Ergebnisse über Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit vorliegen. "Wir hoffen auch, dass diese Forschung klären wird, ob wir mit CBD psychiatrischen Störungen vorbeugen können", so McGuire weiter.

Neue Ansätze in der Krebsbehandlung

In mehreren Studien wird derzeit Lutetium-177-PSMA-617 zur früheren Behandlung von Prostatakrebs untersucht. Schon jetzt wird dieses radioaktive Arzneimittel gegen Prostatakrebs eingesetzt, der sich in einem fortgeschrittenen Stadium befindet und bereits mit anderen Krebstherapien wie einer Chemo behandelt wurde.

Eine US-amerikanische Studie analysiert nun, wie sich ein früherer Einsatz dieser - wie Studienleiter Oliver Sartor von der Mayo Clinic in Rochester einräumt - kostspieligen Therapie auswirkt. "Dies könnte für Hunderttausende von Patienten mit Prostatakrebs in der ganzen Welt ein entscheidender Vorteil sein", glaubt er.

Personalisierte Brustkrebsvorsorge

Die französische Studie "My Personal Breast Cancer Screening" testet eine risikobasierte Vorsorgestrategie gegen Brustkrebs. Das Programm berücksichtigt individuelle Risikofaktoren wie Genetik, Brustdichte und familiäre Vorbelastung. "Mit einem stärker personalisierten Ansatz könnte das Eintrittsalter in das Screening-Programm angepasst und bestimmt werden, ob eine Frau häufiger oder seltener untersucht werden muss", erklärt Suzette Delaloge vom Institut Gustave Roussy in Villejuif.

Dafür werden in sechs Ländern mehr als 53.000 Frauen in zwei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe, die das derzeitige Standard-Brustscreening befolgt, und eine Gruppe mit einer personalisierten, risikobasierten Screening-Strategie auf Basis eines DNA-Tests. Delaloge sagt: "Wenn die Studie zeigt, dass das risikobasierte Screening dem Standard-Screening gleichwertig oder überlegen ist, könnte es die Brustkrebsprävention revolutionieren."

Lernspiele für autistische Kinder soll Symptome mindern

Eine US-amerikanische Forschungsgruppe hat ein mobiles Spiel für Kinder mit Autismus entwickelt, das dabei helfen soll, sozialen Blickkontakt, Motivation und Aufmerksamkeit zu erhöhen sowie gleichzeitig eingeschränkte Interessen und Ängste abzubauen. Dieses Spiel wird in einer Studie mit Kindern zwischen zwei und acht Jahren getestet.

"Das Spiel schafft eine starke soziale Synchronität zwischen Betreuer und Kind und ist vielversprechend, um den elterlichen Stress zu verringern und gleichzeitig Autismus-Symptome zu mindern, die sich negativ auf die soziale Integration des Kindes auswirken", beschreibt Dennis Wall von der Stanford University. (dpa/bearbeitet von mak)

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