Sie tragen Computerchips unter der Haut, träumen von Nanobots, die Zellen reparieren und erstellen digitale Kopien ihrer Persönlichkeit. Transhumanisten sind keine einheitliche Gruppe, aber sie eint die Vorstellung, den Menschen von seinen biologischen Fesseln befreien zu können. Nicht alle können die Begeisterung für diese Idee teilen.

Mehr zum Thema Wissenschaft

Die Idee des Transhumanismus', also der Wunsch, der Mensch möge über sich selbst hinauswachsen, gab es schon, als von Nanotechnologie und künstlicher Intelligenz noch keine Rede war.

Durch die neuen Technologien hat sie aber Aufwind bekommen. Denn eine Zukunft, in der sich der Mensch den technologischen Fortschritt zunutze macht, um besser, länger, gar ewig zu leben, scheint greifbarer denn je. Zumindest sehen die Transhumanisten das so.

Nanobots, die Krebszellen eliminieren

Einer ihrer prominentesten Vertreter ist der Informatiker Ray Kurzweil. Er ist Technischer Direktor bei Google und hat einige Bücher zu Transhumanismus und künstlicher Intelligenz verfasst.

Wie viele Futuristen und Transhumanisten scheut er sich nicht davor, Prognosen abzugeben, wie die Welt seiner Meinung nach in einigen Jahrzehnten aussehen wird.

Eine seiner Vorhersagen: Gegen Ende der 2020er Jahre sollen Nanobots durch unsere Blutbahn zirkulieren und unsere Zellen reparieren oder schädliche Zellen ausschalten. Diese Nanobots kann man sich weniger als Roboter und mehr als kleine Kisten vorstellen. Sie sollen nur einen Bruchteil eines Millimeters groß sein.

Was klingt wie Science Fiction ist tatsächlich ein ernst zu nehmendes Forschungsgebiet, auf dem es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben hat.

Wissenschaftlern wie dem Informatiker und Biophysiker Shawn M. Douglas ist es gelungen, Moleküle zu bauen, die nur wenige Nanometer groß sind und gezielt bestimmte Körperzellen ansteuern und sie verändern.

Die Hoffnung: Wenn die Nanobots nur klein genug sind und gut genug programmiert wurden, könnten sie zum Beispiel Krebszellen zerstören - und zwar ganz ohne das umliegende Gewebe zu schädigen.

Bewusstsein auslagern in etwas, "das nicht verrottet"

Nanobots sollen, und das ist eines der Hauptanliegen der Transhumanisten, das individuelle Leben besser machen, es verlängern, den Menschen vielleicht sogar unsterblich machen.

Das ist auch das Ziel jener Futuristen, die daran glauben, den menschlichen Geist in einen Computer auszulagern, um körperlos weiter existieren zu können.

Zu ihnen gehört der Software-Entwickler Tim Cannon, der mit anderen Programmierern, Hackern und Künstlern das Unternehmen Grindhouse Wetware gegründet hat.

Die Gruppe entwickelt Chips, die in die Haut implantiert werden und zum Beispiel die Körpertemperatur messen oder leuchten, wenn man einen Magneten dranhält.

Das hat mit langem oder ewigem Leben noch nichts zu tun, sondern lediglich mit einem Ausbau des Menschen durch Technik. Ein Schritt auf dem Weg zum Cyborg.

Cannon selbst fände es aber noch besser, nicht nur noch mehr Technik in seinen Körper zu bringen (er hat selbst mehrere Magneten und Chips unter der Haut), sondern die Biologie ganz hinter sich zu lassen, wie er sagt.

Am liebsten würde er sein Bewusstsein auslagern "in irgendetwas, das nicht verrottet, während ich rede", wie er bei einem Vortrag für den Cyborgs e.V. in Berlin sagte.

Dieses sogenannte "Mind Uploading", also das Hochladen unseres Verstandes in eine Maschine, ist ebenfalls ein recht populärer Gedanke unter den Transhumanisten. Bislang ist es allerdings noch nicht ansatzweise gelungen, die Persönlichkeit eines Menschen auf eine Festplatte zu bannen.

Menschen wie Tim Cannon und Ray Kurzweil sind aber überzeugt, dass das irgendwann gelingen wird.

Bin das wirklich ich?

Mit der Frage, inwiefern dieses hochgeladene Ich für das reale Ich steht und ob man dann als Person weiter existiert, beschäftigen sich einige Philosophen intensiv, unter ihnen Stefan Lorenz Sorgner.

Er lehrt und forscht an der Universität in Rom und hat das Buch "Transhumanismus - Die gefährlichste Idee der Welt!?" geschrieben.

Sorgner hält es zwar für möglich, dass in der Zukunft so etwas wie ein "Mind Uploading" geben wird, würde allerdings in Abrede stellen, dass diese hochgeladene Persönlichkeit wirklich lebt.

"Zu einem Leben als selbstbewusster Mensch gehört ja unter anderem auch, dass man selbstbewegt lebt", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. "Kann man das wirklich auf Siliziumbasis realisieren? Alle Lebewesen, die wir kennen, basieren auf Kohlenstoff."

Einen anderen Einwand bringt eine Gruppe von Forschern, die ein Manifest gegen den Transhumanismus verfasst hat. Die Wissenschaftler finden ihn menschenverachtend, weil er das, was uns als Menschen ausmache - Bewusstsein, Verwundbarkeit, Sterblichkeit - ausmerzen wolle.

Sie glauben zudem nicht an seine Umsetzbarkeit und setzen dabei an einem Punkt an, mit dem auch Ray Kurzweils Konzept von einer künstlicher Intelligenz, die den Menschen übertrifft, steht und fällt: dass menschliches Bewusstsein gleichzusetzen ist mit Information.

"Bestimmte Aspekte menschlichen Wahrnehmens, Denkens und Handelns mögen sich als Informationsverarbeitungsprozesse modellieren lassen", schreiben die Wissenschaftler. "Andere nicht." Zum Beispiel emotionale Intelligenz und praktische Tugenden wie Weisheit oder Klugheit.

Die Gefahr eines Überwachungsstaates

Ist es also wahrscheinlicher, dass die Technik in den Menschen wandert, als dass der Mensch in die Technik wandert? Der Philosoph Sorgner glaubt ja.

Technik im Menschen gebe es ja schon seit geraumer Zeit: als Herz- oder Hirnschrittmacher oder Implantaten für Gehörlose.

"In 20 Jahren werden wir keine externen Computer mehr haben, da dann unsere Smartphones in Form von kleinen Chips ein Teil unserer Körper sein werden", sagt er.

Diese Entwicklung werde sich nicht aufhalten lassen, es gelte aber, sich rechtzeitig Gedanken über mögliche Risiken zu machen.

Denn den positiven Aspekten etwa für die Gesundheit stünden ja auch Gefahren gegenüber. "Jede Technologie kann auch gegen den Menschen verwendet werden, etwa von Terroristen", sagt Sorgner.

Implantierte Chips könnten zudem von außen gesteuert und ihre Träger überwacht werden. "Der Verlust der Privatheit ist nicht aufzuhalten, allerdings muss verhindert werden, dass ein totalitärer Überwachungsstaat entsteht." Mit den zukünftigen technologischen Möglichkeiten wäre das ein Überwachungsstaat, wie ihn die Welt nie zuvor erlebt habe.

Nicht weiter zu forschen sei jedoch keine Option, so Sorgner. "Es ist grundsätzlich spannend, wenn Menschen etwas erforschen und herausfinden. Ein klügerer Mensch ist ein selbstsicherer und damit in der Regel auch ein zufriedenerer Mensch."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.