• Bis heute haben einige Allergikerinnen und Allergiker Bedenken wegen der Impfung gegen SARS-CoV-2.
  • Sie fürchten eine starke Reaktion auf den Impfstoff.
  • Spezialisten haben jedoch ein ganzes Arsenal an Tests, mit denen sie Probleme durch Allergien zu "99-prozentiger Sicherheit" ausschließen können.

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Der erste Schreck kam schon am zweiten Tag: Direkt nach Beginn der Impfkampagne gegen COVID-19 in Großbritannien Anfang Dezember 2020 reagierten zwei Pflegerinnen mit einem anaphylaktischen Schock auf ihre Corona-Impfungen mit dem Vakzin von Biontech. Beide Frauen hatten bereits in anderen Situationen zuvor solche schweren allergischen Reaktionen erlitten.

"Bei einem anaphylaktischen Schock kommt es häufig zu Hautausschlägen, zu Herz-Kreislauf-Problemen, teilweise auch zu Kreislaufversagen, zu Atembeschwerden", sagt Ludger Klimek. Er leitet das Allergiezentrum in Wiesbaden und ist Präsident des Ärzteverbands Deutscher Allergologen: "Viele dieser Patienten müssen in die Notaufnahme eines Krankenhauses gehen."

Ohnehin sollen Geimpfte nach einem Piks eine Viertelstunde warten, ehe sie nach Hause gehen. "Je früher eine Reaktion auftritt, desto gefährlicher ist sie für den Patienten", sagt Ludger Klimek. Andere allergische Reaktionen treten erst nach Stunden oder Tagen auf. Oft klagen Patientinnen und Patienten zum Beispiel über Hautausschläge, die stark jucken und sehr lästig sein können. "Zum Glück sind diese Reaktionen medizinisch betrachtet relativ ungefährlich", sagt der Allergologe.

Tatsächlich können schwere allergische Reaktionen lebensbedrohlich sein. Wahr ist aber auch, dass sie sich in den allermeisten Fällen gut behandeln lassen. Auch die beiden Pflegerinnen aus Großbritannien beispielsweise erholten sich schnell wieder. Dennoch haben immer noch manche Allergiker Bedenken, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen.

"Nur weil man Allergien hat, braucht man die Impfung nicht zu fürchten." Stephan Meller, Allergologe

Für sie haben Experten wie Stephan Meller, Allergologe von der Uniklinik Düsseldorf, eine positive Nachricht: "Grundsätzlich: Nur weil man Allergien hat, braucht man die Impfung nicht zu fürchten", sagt er. "Für die meisten Patienten lässt sich ein Weg finden, die Impfung zu ermöglichen."

Ohnehin sind schwere allergische Reaktionen sehr selten. Auf eine Million Impfungen kommen gerade einmal drei bis vier Fälle. Aber: Im Vergleich zu anderen Impfungen sind Allergien bei den Corona-Vakzinen etwas häufiger.

Menschen mit Heuschnupfen brauchen sich meist keine Sorgen zu machen

Ob eine Allergikerin oder ein Allergiker auf die Impfung reagiert, hängt in erster Linie davon ab, wogegen sie oder er allergisch ist. Menschen mit einem einfachen Heuschnupfen etwa brauchen sich meist gar keine Sorgen zu machen.

"Wenn jemand schonmal einen anaphylaktischen Schock in der Vergangenheit hatte, aber der Auslöser unklar ist, dann ist das eine Situation, wo man gegebenenfalls nochmal den Allergologen konsultieren sollte", sagt Stephan Meller. Ein weiteres Warnsignal kann sein, wenn jemand auf Bestandteile von Medikamenten, auf Abführmittel, auf Kosmetika oder auf Kontrastmittel, wie sie bei Röntgenuntersuchungen eingesetzt werden, allergisch reagiert hat.

Denn all diese Mittel können Substanzen enthalten, die auch in den Corona-Impfstoffen vorkommen, etwa Polyethylenglykol (PEG): Dieser Hilfsstoff ist Bestandteil des Biontech-Impfstoffs Comirnaty. Das Vakzin Spikevax von Moderna wiederum enthält Trometamol, auf dass manche Menschen ebenfalls allergisch reagieren.

In ganz Deutschland haben sich Allergiezentren auf Corona spezialisiert

Menschen, die Allergien haben oder fürchten, können sich – wenn ihre Hausärztin oder der niedergelassene Allergologe nicht mehr weiterwissen – an eines der Zentren wenden, die sich auf Allergien gegen die Corona-Impfstoffe spezialisiert haben.

Am Allergiezentrum der Uniklinik Düsseldorf etwa hat das Team eine spezielle Telefonsprechstunde zum Thema Coronaimpfung eingerichtet. Schon im ersten Gespräch können die Expertïnnen bei vielen Patienten bestimmen, welchen Weg sie gehen können. Viele kommen ohne weitere Untersuchungen aus. "Am Ende muss nur ein kleiner Teil tatsächlich eine Prick-Testung durchführen", sagt Stephan Meller.

"Wir können eine 99prozentige Sicherheit für die Betroffenen herstellen." Ludger Klimek, Allergologe

Ein Prick-Test ist Standard bei der Suche nach Allergien. Dabei bringen Ärztinnen und Ärzte kleine Mengen potenzieller Allergene in Ritzen auf der Haut auf. Reagiert der Körper mit einer Rötung oder einer anderen allergischen Reaktion, ist das Ergebnis fast immer eindeutig. Zusätzlich können Ärztinnen im Blut nach Antikörpern gegen einen der Allergieauslöser suchen. Auch das ist ein Hinweis dafür, dass erhöhte Vorsicht geboten ist.

Falls danach noch Fragen offenbleiben, können Allergologen zu einer speziellen Labordiagnose greifen. Dabei bringen sie Zellen des Patienten im Reagenzglas mit den Impfstoffen oder ihren Inhaltsstoffen in Kontakt und messen außerhalb des Körpers die Reaktion. "Mit so einer sehr umfassenden und sehr komplexen Allergieabklärung können wir eine 99-prozentige Sicherheit für die Betroffenen herstellen, " sagt Ludger Klimek vom Allergiezentrum in Wiesbaden.

Klimek: "Viele tausend Allergiker konnten sich impfen lassen"

Die Lösung kann ganz einfach sein: Oft genügt es, dass Patientinnen und Patienten den richtigen Impfstoff wählen. Wer den Impfstoff von Moderna nicht verträgt, kommt möglicherweise mit Biontech zurecht oder mit dem Vakzin von Novavax, das gerade frisch eine Zulassung erhalten hat.

Wenn das ausgeschlossen ist, können Menschen ihre Impfung oft unter besonderen Vorkehrungen erhalten, zum Beispiel unter sogenannter Notfallbereitschaft. Dann überwachen Ärztinnen die Patienten nach der Impfung für zwei bis 24 Stunden, sodass sie bei Komplikationen sofort eingreifen können. Anderen verabreicht eine Ärztin oder ein Arzt vor der Impfung Medikamente, die ein Auslösen der Allergie verhindert. "Das hat bei vielen tausend Patienten sehr gut funktioniert", sagt Ludger Klimek.

Für ganz wenige Patienten scheidet auch diese Lösung aus. "Von 1.000 Patienten, die bei uns in diesem Jahr untersucht wurden, konnten tatsächlich nur ungefähr 30 wirklich nicht geimpft werden", sagt Ludger Klimek. Diese Menschen können sich das – auch mit Blick auf eine Impfpflicht – bescheinigen lassen.

Noch wichtiger ist für diese Menschen aber: Sie müssen sich vor einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus schützen. Die Ärzte empfehlen ihnen, besonders sorgfältig FFP2-Masken zu tragen und die AHA-Regeln zu befolgen.

Riesiger Andrang bei den Allergiezentren

Ein ganz anders Problem: Die Nachfrage bei den Allergiezentren ist riesig. Bei der Spezialsprechstunde in Düsseldorf habe sein Team die Kapazitäten so weit wie möglich ausgebaut, sagt Stephan Meller. Einen Termin zur Sprechstunde erhalten Interessenten momentan zwar binnen weniger Tage. Ist ein Prick-Test nötig, kann die Wartezeit vier bis sechs Wochen betragen. Für eine Impfung unter Notfallbegleitung müssen Patienten oft noch länger warten.

Die Kliniken versuchen, die Beratungstermine auf möglichst viele Ärztinnen und Ärzte zu verteilen. Doch das hat Grenzen: Um das Angebot schnell ausbauen zu können, fehle das Geld und geeignetes Personal.

Verwendete Quellen:

  • Uniklinik Düsseldorf: Corona-Schutzimpfung: Spezialsprechstunde für Allergiker
  • Allergy: European Journal of Allergy and Clinical Immunology: Allergenic components of the mRNA-1273 vaccine for COVID-19: Possible involvement of polyethylene glycol and IgG-mediated complement activation
  • Ärzteverband Deutscher Allergologen e.V.: Allergologische Zentren in Deutschland
Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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