Über eine Corona-Warn-App wird seit Monaten diskutiert, seit Dienstag steht sie nun zum Download bereit. Was die App kann und wie sie funktioniert: Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Für den Weg aus der Coronakrise in die Normalität hoffen viele Menschen auch auf die seit Monaten angekündigte Corona-Warn-App. Sie soll dabei helfen, die Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und zu durchbrechen.
Seit Dienstag, 16. Juni, steht sie nun in den Stores von Google und Apple kostenlos zum Herunterladen bereitstehen. Ab 10:30 Uhr wollen das Robert-Koch-Institut, Politik und Entwicklerfirmen die Corona-App offiziell vorstellen.
Was kann die Corona-Warn-App?
Die App hilft nicht, eine Ansteckung zu verhindern. Sie kann aber dazu beitragen, dass Menschen nachträglich darüber informiert werden, wenn sie sich in der Nähe infizierter Personen aufgehalten haben. Diese sind schon Tage vor dem Auftreten erster Symptome ansteckend.
Daher gilt: Je früher eine Person über ein Infektionsrisiko Bescheid weiß, desto schneller kann sie selbst Schutzmaßnahmen ergreifen und sich testen lassen oder sich in eine Quarantäne begeben, um andere vor einer Ansteckung zu bewahren. Die App soll außerdem dazu beitragen, dass Betroffene schneller ihr Testergebnis erhalten und Kontaktpersonen benachrichtigen.
Wie funktioniert das?
Mit der App verwandelt sich ein Smartphone in einen kleinen "Bluetooth-Leuchtturm", der im Abstand von zweieinhalb bis fünf Minuten eine Serie von Identifikationsnummern in die nähere Umgebung funkt. Gleichzeitig lauscht das Telefon, ob es Bluetooth-Signale von anderen empfangen kann.
Halten sich Nutzer, die beide die App laufen haben, nebeneinander auf, tauschen die Smartphones ihre IDs aus.
Wie erfährt man, dass man sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten hat?
Wer positiv auf COVID-19 getestet wurde, trägt diesen Status selbst in die App ein. Um einen Missbrauch zu verhindern, muss dieser Status offiziell bestätigt werden. Das geschieht zum einen über einen QR-Code, den man vom Testlabor erhält.
Alternativ kann man auch eine TAN eingeben, die man von einer Telefon-Hotline bekommt, da nicht alle Labore in der Lage sind, QR-Codes zu generieren. Im Infektionsfall erhalten die betroffenen Kontakte einen Hinweis, dass sie sich testen lassen sollen.
Welche Daten verwendet die App, um eine Benachrichtigung auszulösen?
Die Corona-App wertet die Dauer des Kontakts aus und registriert dabei, wie stark das Bluetooth-Signal war. Aus der Signalstärke lässt sich der ungefähre Abstand berechnen.
Bei der Alarmierung spielt aber auch der Zeitpunkt des Kontaktes eine Rolle. Bei der Berechnung eines Risikowertes wird nämlich auch die Tatsache berücksichtigt, dass Infizierte unmittelbar vor dem Ausbruch der Krankheitssymptome besonders ansteckend sind.
Gefährdet die App die Privatsphäre der Anwender?
Bei der Programmierung der App und der dazugehörigen Dienste wurde ein mehrstufiges Konzept umgesetzt, um einen möglichst hohen Datenschutz zu gewährleisten. Es werden nicht die Identitäten der Anwender ausgetauscht, sondern anonymisierte IDs, die sich mehrfach in der Stunde ändern.
Die IDs der Kontaktpersonen werden nicht zentral gespeichert, sondern dezentral auf den jeweiligen Smartphones. Nur die Liste der anonymisierten IDs der Infizierten wird auf einem zentralen Server vorgehalten. Der Abgleich findet aber ausschließlich auf den einzelnen Smartphones statt.
Wie unterscheidet sich die Corona-Warn-App von anderen Corona-Programmen?
Nach den Vorgaben von Google und Apple kann es pro Land nur eine offizielle Tracing-App geben, die mögliche infektiöse Kontakte nachverfolgt. Das ist die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI), die von SAP und Telekom entwickelt wird.
Es gibt parallel dazu andere Anwendungen mit anderen Zielen: Die Datenspende-App des RKI etwa sammelt Informationen von Fitness-Trackern ein, um zu sehen, ob es in den Regionen Auffälligkeiten gibt. Andere Apps überwachen, wie viele Menschen sich in einem bestimmten Bereich befinden, etwa an einem Strandabschnitt an der Ostsee.
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Wie unterscheidet sich die deutsche App von Anwendungen in anderen Ländern?
Apps in asiatischen Ländern wie China, Singapur, Südkorea oder Indien erfüllen nicht die deutschen Datenschutzanforderungen, weil sie beispielsweise die Nutzer bloßstellen oder durch die Analyse der GPS-Signale ein Bewegungsprofil erstellen können. Die App in Frankreich ähnelt dem Ansatz in Deutschland, besteht aber auf einer zentralen Speicherung der Kontaktdaten.
Andere Länder wie die Niederlande, die Schweiz oder Österreich folgen wie Deutschland dem Datenschutz-Konzept von Apple und Google und können dadurch auch die technischen Schnittstellen (APIs) der Tech-Konzerne nutzen.
Was kostet die App?
Der Download ist kostenlos. Die Entwicklung aber kostete rund 20 Millionen Euro, hinzu kommen Betriebskosten von etwa 2,5 bis 3,5 Millionen Euro monatlich, wie sich die "Tagesschau" auf Regierungskreise beruft.
Auf welchen Smartphones kann die App installiert werden?
Beim iPhone ist das aktuelle iOS 13.5 Mindestvoraussetzung. Das gibt es für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE. Ein altes iPhone 5, 5S oder 6 reicht nicht aus.
Bei Android-Handys ist die Lage etwas unübersichtlicher. Hier ist Android 6 und die Unterstützung von Bluetooth LE Mindestvoraussetzung. Zum anderen müssen aber auch die Google Play Services laufen, weil der Konzern die Schnittstellen nicht über Android selbst zur Verfügung stellt, sondern über diese Google-Dienste.
Android-Handys ohne Google Play Services bleiben zunächst außen vor. Huawei hat allerdings angekündigt, dass die App in absehbarer Zeit auch auf den neuesten Modellen ohne Google Play Services laufen sollen, weil die Funktionalität nachgebaut wird.
Wird die Warn-App durch die Betriebssysteme von Google und Apple automatisch aktiviert?
Nein, der Austausch der anonymisierten Kontakt-IDs via Bluetooth findet nur dann statt, wenn man die Corona-Warn-App freiwillig installiert und dem Datenaustausch aktiv zustimmt.
Besteht die Gefahr, dass die Corona-Warn-App heimlich zur Überwachung der Bevölkerung eingesetzt wird?
Nein, das ist quasi ausgeschlossen. Der Quell-Code der App kann auf der Plattform GitHub transparent eingesehen werden. Bei etlichen Analysen des Codes wurden keine Hintertüren oder andere Anomalien entdeckt.
Dies wurde auch von Mitgliedern des Chaos Computer Clubs bestätigt. Bei einem technischen Audit durch den TÜV-IT wurden ebenfalls keine undokumentierten Funktionen entdeckt.
Gibt es für die Warn-App eine eigene gesetzliche Grundlage?
Nein, die Bundesregierung glaubt, dass die bestehenden Datenschutzgesetze ausreichen und wird im Bundestag dabei von der FDP unterstützt. Die Grünen und Linken fordern dagegen, dass der Einsatz der App durch ein Gesetz geregelt wird.
So müsse nicht nur die Installation der App freiwillig sein. Es dürfe auch keine Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder Veranstaltungen vorzuzeigen. Auch die AfD fordert, dass es keine Diskriminierung von Nicht-Nutzern geben dürfe.
Bundesjustizministerin Christina Lambrecht (SPD) weist datenschutzrechtliche Bedenken zurück. "Es gelten die allgemeinen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung ohne Wenn und Aber auch für die Corona-Warn-App", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" am Montag. "Deshalb sind alle datenschutzrechtlichen Fragen abgedeckt, und es gibt keine Veranlassung für ein spezielles App-Gesetz."
Jeder könne sich frei entscheiden, die App auf sein Smartphone herunterzuladen und könne sie auch wieder löschen, betonte Lambrecht, die auch für den Verbraucherschutz zuständig ist. Es werde auch keine Vorzüge oder Belohnungen für diejenigen geben, die die Corona-Warn-App aktivieren - und ebenso "keine Nachteile für diejenigen, die dies nicht tun".
Wann wird die App ein Erfolg?
Eine Studie aus Oxford sagt, dass der volle Effekt erst dann erreicht wird, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr beteiligen. Die Forscher aus Oxford sagen aber auch: "Selbst bei einem geringeren Anteil gehen wir davon aus, dass die Zahl der Infektionen und Todesfälle sinkt."
Die ideale Quote von 60 Prozent wird in Deutschland vermutlich nicht zu erreichen sein. Selbst eine populäre App wie WhatsApp hat Jahre gebraucht, um so hohe Installationszahlen zu erreichen.
Jens Spahn hat gesagt, die App müsse auch beim "Musikhören auf dem Handy" noch laufen können - worin liegt das technische Problem?
"Musikhören auf dem Handy" steht stellvertretend für Anwendungen, die parallel zur Warn-App laufen. Das könnte auch Google Maps oder eine andere App sein.
Insbesondere beim iPhone bestand die Herausforderung, dass Apple einem Programm bislang nicht gestattet hat, ständig Bluetooth-Signale im Hintergrund zu senden und zu empfangen. Mit der API für die Corona-Warn-App macht Apple nun dafür eine gezielte Ausnahme.
Und auch bei Google wird der Parallelbetrieb der Apps nun optimiert. Die App-Entwickler mussten nun sicherstellen, dass diese Schnittstellen optimal genutzt werden.
Wie kann verhindert werden, dass die App den Akku zu schnell entlädt?
Das wurde im Prinzip schon dadurch gelöst, dass man sich auf die Verwendung von Bluetooth LE geeinigt hat. LE steht für Low Engergy (geringen Strombedarf).
Die Entwickler der App versprechen, dass die Anwendung längst nicht so viel Strom verbraucht wie das Streamen von Musik auf einen Bluetooth-Lautsprecher. Ob das Versprechen gehalten werden kann, wird die Praxis zeigen. Die App selbst benötigt gar nicht so viel Strom.
Der Akku wird vor allem von Anwendungen in Anspruch genommen, die zusammen mit der Corona-Warn-App aus dem Ruhezustand aufwachen, etwa Social-Media-Clients oder E-Mail-Programme. Daher funkt die App auch nicht ständig die IDs, sondern nur alle zweieinhalb bis fünf Minuten in einer Art Stoßfeuer.
Wie sicher kann die Warn-App gegen Fehlalarme sein?
Da die Bluetooth-Technik nicht für das Messen von Abständen entwickelt wurde, wird es sicherlich auch Fehlalarme geben. Es kann zum Beispiel sein, dass sich Infizierte hinter einer Glaswand befunden haben und einen Alarm auslösen, obwohl durch den "Kontakt" keine Infektionsgefahr ausging.
Daher verweisen selbst die Entwickler darauf, dass die App nur einen begrenzten Beitrag zur Normalisierung liefern kann. Um sich und andere vor einer Infektion zu schützen, sollte auch mit der App Abstand gewahrt und eine Maske getragen werden. (best/msc/dpa)
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