• Mehrere sich aktuell ausbreitende Corona-Mutationen stellen die Welt im Kampf gegen die Pandemie vor neue Herausforderungen.
  • Eine nun in Indien entdeckte Variante des Virus könnte möglicherweise nicht nur ansteckender sein, sondern auch den Effekt von Impfstoffen mindern.
  • Wie schätzen Forscher die Corona-Variante B.1.617 ein?

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Eine aus Indien bekannte Corona-Variante sorgt für Besorgnis. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Robert Koch-Institut (RKI) und andere Experten bewerten die Variante B.1.617 derzeit zurückhaltend, SPD-Gesundheitsfachmann Karl Lauterbach jedoch wittert Gefahr. In Indien sind die Fallzahlen geradezu explodiert, mit zuletzt rund 270.000 registrierten Neuinfektionen pro Tag.

Die Variante B.1.617 stehe derzeit unter Beobachtung, für eine Einstufung als "besorgniserregend" fehle bislang "die entsprechende Evidenz", teilte eine RKI-Sprecherin auf dpa-Anfrage mit. "In Deutschland sind insgesamt acht aus dem März stammende Sequenzen der Linie B.1.617 identifiziert worden."

Die Variante trage zwei Mutationen an einem Oberflächenprotein, die von anderen unter Beobachtung stehenden Linien bekannt seien, erläuterte das RKI weiter.

Beide würden "mit einer reduzierten Neutralisierbarkeit durch Antikörper oder T-Zellen in Verbindung gebracht, deren Umfang nicht eindeutig ist". Das heißt: Möglicherweise könnten Geimpfte und Genesene vor einer Ansteckung mit dieser Variante weniger gut geschützt sein.

Indische Corona-Mutation steht unter Beobachtung

Auch bei den in Südafrika (B.1.351) und Brasilien (P.1) entdeckten Varianten wird diese Eigenschaft befürchtet. Beide hat die WHO als besorgniserregend eingestuft - als sogenannte "Variant of Concern". Das gilt auch für die sehr ansteckende, Ende 2020 in Großbritannien entdeckte Mutante B.1.1.7, die inzwischen auch in Deutschland die dominierende Variante ist.

B.1.617 hingegen steht bei der WHO bisher erst unter Beobachtung - als "Variant of Interest". Als besorgniserregend gilt eine Variante, wenn bekannt ist, dass sie sich leichter ausbreitet, schwerere Krankheiten verursacht, dem Immunsystem entgeht, das klinische Erscheinungsbild verändert oder die Wirksamkeit der bekannten Instrumente verringert, wie eine WHO-Sprecherin erläuterte.

Das indische Gesundheitsministerium hatte Ende März über die sogenannte Doppelmutante berichtet. Wie oft sie bisher vorgekommen ist, konnte ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums auf Anfrage nicht sagen.

In einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung hieß es, sie sei inzwischen in Ländern wie Deutschland, Australien, Belgien, Großbritannien, den USA oder Singapur zu finden. Eine höhere Übertragbarkeit sei nicht nachgewiesen. Einige Experten in Indien gehen jedoch davon aus, dass die Mutante zu den schnell steigenden Infektionszahlen in Indien beitragen könnte.

Virologen sehen aktuell keinen Grund zur Beunruhigung

Für die Variante gebe es nicht viele Daten, sie sei in Europa sehr selten, sagt Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel.

"Aus den wenigen Beobachtungen kann man noch keinen verlässlichen Trend ableiten, aber das sollte genau beobachtet werden." Über eine Vielzahl von Varianten mit bemerkenswerten Mutationen existiere nicht viel Wissen. "Insofern glaube ich nicht, dass B.1.617 mehr Aufmerksamkeit verdient als andere Varianten", teilte Neher mit.

Der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, hatte die indische Variante Ende März ebenfalls nicht als Grund zur Beunruhigung gesehen. Wegen der Corona-Lage in Indien hat der britische Premierminister Boris Johnson einen für Ende April geplanten Besuch dort abgesagt. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock kündigte an, Indien auf eine "rote Liste" zu setzen.

Dänemark erwartet keine hohe Dunkelziffer

In Großbritannien wurden nach Angaben vom Sonntag 77 Fälle der indischen Mutation entdeckt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Variante ansteckender ist als die bisher bekannten oder nicht auf Impfstoffe reagiere, hatte ein Kabinettsmitglied gesagt.

In Dänemark sind seit März elf Fälle der Variante aufgetreten. Dabei handelt es sich nicht um einzelne Personen, sondern um eine oder zwei zusammenhängende Gruppen. Das sagte ein Virusforscher des Staatlichen Seruminstituts dem Dänischen Rundfunk am Montag. Er erwartet keine hohe Dunkelziffer, da man in Dänemark so gut wie alle positiven Proben sequenziert.

Dagegen bezeichnete der SPD-Politiker Lauterbach B.1.617 kürzlich bei Twitter als besorgniserregend. Der Anteil der Variante in Großbritannien wachse schneller als alle anderen Varianten. Dabei gebe es dort auch schon viele Geimpfte.

Die Entwicklung bedeute besondere Gefahr für Deutschland, weil schon B.1.1.7 "über UK sehr schnell zu uns kam". (dpa/thp)

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