- Jugendliche und junge Erwachsene trifft die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zur deren Eindämmung genauso wie alle anderen Altersgruppen.
- Doch anders als Senioren erkranken junge Menschen fast nie schwer an dem Virus oder sterben gar an COVID-19 – sind sie deshalb weniger rücksichtsvoll, wie oft behauptet wird?
- Eine repräsentative Studie zeigt nun, wie junge Menschen in Deutschland die Gefahren, ihr eigenes Verhalten und ihre Zukunft einschätzen.
Seit fast einem Jahr befindet sich Deutschland im Corona-Ausnahmezustand. Was bis vor einem Jahr für junge Menschen zum Alltag gehörte, ist nun schon seit Monaten tabu: Mehrere Freunde gleichzeitig treffen – verboten. Kneipen und Diskotheken – geschlossen. Unterricht und Vorlesungen – monatelang nur online möglich.
Ob im im beruflichen oder privaten Bereich, die Einschränkungen sind gerade für die junge Generation umfassend. Eine Sonderauswertung einer repräsentativen Umfrage für die Studie "Junge Deutsche 2021" der beiden Jugendforscher Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann zeigt nun, wie junge Menschen in Deutschland die Gefahren durch das Virus, ihr eigenes Verhalten und ihre Zukunft einschätzen.
Für die Studie, die selbst im März vorgestellt werden soll, wurden von Mitte Oktober bis Mitte November 2020 insgesamt 1602 Menschen im Alter zwischen 14 und 39 Jahren befragt. Demnach lassen sich drei Erkenntnisse ableiten:
1. Die große Mehrheit hält sich an die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronakrise
73 Prozent der Befragten halten es für "wichtig", sich an die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) zu halten, 72 Prozent verhalten sich laut eigener Aussage rücksichtsvoll, um Familie und Freunde nicht zu gefährden. Zum Vergleich: Nur 4 Prozent lehnen die Schutzmaßnahmen komplett ab.
Allerdings ist mehr als jeder Dritte unter 25-Jährige (38 Prozent) nicht bereit, in der Pandemie auf das Feiern zu verzichten. "Das ist wenig verwunderlich", schreiben Schnetzer und Hurrelmann mit Blick auf diese sogenannten Generation Z. Spiele doch das Miteinander und Feiern in diesem Lebensabschnitt eine "zentrale entwicklungspsychologische Rolle".
2. Die Jugend hat wenig Angst vor einer Corona-Infektion
Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen es: Besonders schwer trifft das Coronavirus vor allem alte und sehr alte Menschen. Von bis dato etwa 68.000 Todesfällen waren Stand Dienstag nur 57 jünger als 30 Jahre alt und 101 im Alter von 30 bis 39. Schwer an COVID-19 erkranken ebenso vor allem Senioren.
Wohl aus diesen Gründen haben nur etwa ein Viertel (22 Prozent) der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsen Angst vor einer Infektion, 44 Prozent sind sich unsicher, 34 Prozent verspürten keine Angst.
Insgesamt zählten sich 11 Prozent der Befragten selbst zu einer Risikogruppe.
3. Die meisten jungen Leute blicken trotz Coronakrise optimistisch in die Zukunft
Unter 39-Jährige geben sich mit Blick auf mögliche wirtschaftliche Folgen "erstaunlich optimistisch", erklären die Studienautoren. Etwa die Hälfte (53 Prozent) sieht kein großes Risiko, nur 14 Prozent sehen das nicht so. 33 Prozent sehen zumindest teils Gefahr für wirtschaftliche Einbußen.
Die Jugendforscher vermuten, dass es den über 25-Jährigen, der sogenannten Generation Y, besser gelungen ist, auf die Auswirkungen der Pandemie zu reagieren. Sie stünden sowohl beruflich als auch familiär auf einer stabileren Basis.
Ein weiterer Grund für den gegenwärtigen Optimismus: Die Pandemie hat das Lebensumfeld junger Menschen kaum verändert, nur eine Minderheit berichtet von Verschlechterungen. Etliche spürten demnach sogar eine Verbesserung der Balance von Arbeit und Freizeit (21 Prozent, 26 Prozent Verschlechterung) und beim Verhältnis zur eigenen Familie (17 Prozent, 12 Prozent Verschlechterung). Die berufliche und schulische sowie die finanzielle Situation habe sich demnach bei einem Drittel (29 Prozent) der Befragten verschlechtert. Bei der Mehrheit sind die Lebensumstände aber gleich geblieben, bei einem Zehntel sogar besser geworden.
Dass die Ergebnisse in dem Bereich überwiegend positiv ausfallen, könnte daran liegen, dass die Umfrage noch vor beziehungsweise unmittelbar nach Beginn des zweiten Lockdowns im vergangenen Herbst erstellt wurde. Nach nunmehr fast vier Monaten verstärkten Kontaktbeschränkungen und flächendeckenden Schließung von Schulen, Geschäften und Dienstleistungsbetrieben könnte die Haltung in einer aktuellen Umfrage deutlich negativer ausfallen.
Andere Studien zeichnen zudem auch ein deutlich schlechteres Bild. Jugendforscher der Universitäten Hildesheim und Frankfurt stellten in einer eigenen Studie große Belastungen fest: Knapp 46 Prozent von rund 7000 im November 2020 befragten 15- bis 30-Jährigen stimmten der Aussage voll beziehungsweise eher zu, Angst vor der Zukunft zu haben. "Es gibt ein hohes Verantwortungsbewusstsein in der Pandemie, aber auch eine große Frustration darüber, wie das Leben gerade reduziert ist", sagte die Hildesheimer Sozialpädagogin Severine Thomas der Deutschen Presse-Agentur. Im Vergleich zur Studie von Schnetzer und Hurrelmann waren die Befragten dieser Studie allerdings jünger, die Mehrheit war im Alter zwischen 15 und 19 Jahren.
Auch Schnetzer und Hurrelmann warnen, dass vor allem die unter 25-Jährigen unter der Pandemie und ihren Folgen leiden. Langfristig könnte sich das wegen schlechterer Startvoraussetzungen negativ auswirken.
"Die Corona-Pandemie trifft diese jungen Leute in einer empfindlichen Phase des Lebenslaufs, in der sie gerade dabei sind, ihre Position für die künftige Ausbildung und die Berufstätigkeit aufzubauen", erklären die Jugendforscher. Kindern und Jugendlichen fehlten neben ihren Freunden, dem Erwerb sozialer Kompetenzen und dem spielerischen Lernen auch der geregelte Tagesablauf sowie außerschulische Aktivitäten, beklagte die Junge Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin vor Kurzem.
Fazit
In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Medienberichte – auch von unserer Redaktion – über sogenannte Corona-Partys junger Leute. Vielfach wurde der Vorwurf laut, dass diese aufgrund wesentlich geringerer Risiken die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unterlaufen würden – und so weit größere Gesellschaftsanteile gefährden.
Die beiden Jugendforscher widersprechen dem, sie betonen: "Auf die Mehrheit der jungen Generationen Z und Y trifft deswegen der oft erhobene Vorwurf nicht zu, sie würden sich unsolidarisch gegenüber den älteren und durch die Infektion gefährdeteren Gruppen der Bevölkerung verhalten."
Nichts desto trotz konnten Schnetzer und Hurrelmann einige Merkmale von Rücksichtslosen herausarbeiten: Sie sind eher männlich, leben eher in Kleinstädten und haben ein eher niedriges Bildungsniveau. Andere Merkmale wie Beziehungsstatus oder die Religion hätten hingegen keinen oder nur einen sehr geringen Einfluss.
Von einer verlorenen Generation Corona zu sprechen, hält der Jugendpsychiater Marcel Romanos insgesamt für übertrieben. "Kinder sind grundsätzlich sehr anpassungsfähig und haben gute Kompensationsstrategien", ist der Direktor am Zentrum für Psychische Gesundheit der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Würzburg überzeugt. So könne der Austausch mit Freunden derzeit über soziale Medien beziehungsweise Videospiele funktionieren oder der Sport auch allein im Freien.
Verwendete Quellen:
- Meldungen der Deutschen Presse-Agentur
- Studie: "Jugend und Corona: Wie rücksichtsvoll verhalten sich die jungen Generationen?"
- Studie: "'Die Corona-Pandemie hat mir wertvolle Zeit genommen' – Jugendalltag 2020"
- Täglicher Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 23. Februar 2021
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