• Pelzfarmen sind durch die Pandemie einmal mehr in Verruf geraten. Auch auf hiesigen Tierfarmen gab es zahlreiche Corona-Ausbrüche.
  • Da SARS-1 von Marderhunden übertragen wurde, hält der Virologe Christian Drosten eine ähnliche Übertragung von SARS-CoV-2 für wahrscheinlich.
  • Die Haltungsbedingungen auf engstem Raum sind weder artgerecht noch hygienisch, was die Übertragung von Krankheiten fördert. Doch es findet ein Umdenken statt.

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Was viele nicht wissen: Europa steht weltweit noch immer auf Platz zwei der globalen Produktion von Tierfellen. Auf Platz eins: China.

So produzierte das Reich der Mitte in den Jahren 2015/2016 rund 76,1 Millionen Felle von Nerz, Fuchs und Marderhund, wie Katrin Pichl, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund e.V., mitteilt. In Europa seien im selben Zeitraum 44 Millionen Felle dieser Tieren sowie von Chinchillas hergestellt worden. Besonders stark war die Fellindustrie auf unserem Kontinent bislang in Dänemark, wo die weltweit meisten Nerze gezüchtet wurden.

Durch die Corona-Pandemie die ohnehin seit Jahren stark in der Kritik stehende Industrie erneut in Verruf geraten. Denn sie steht als möglicher Ursprungsort der gegenwärtigen Pandemie im Fokus.

Grausame Industrie für Mäntel und Pelz-Accessoires

Nicht nur als Pelzmantel, sondern auch als Accessoires wie Schlüsselanhänger oder als Verzierung an Kapuzen finden Fellstücke den Weg zum Verbraucher.

Und egal, in welchem Land sie produziert wurden: Die Pelzindustrie ist überall grausam. "Pelztiere werden in Käfigen gehalten und damit jeder Möglichkeit beraubt, sich artgerecht zu verhalten", so Pichl. Dabei seien enge Drahtgestelle aus Gitterrosten noch immer die üblichen Haltungssysteme auf Farmen.

Dadurch, dass sie ihren natürlichen Verhaltenstrieben wie Baden oder Graben nicht nachkommen können, entwickelten viele Verhaltensstörungen. Zudem werden häufig Arten auf engstem Raum zusammengehalten, die in freier Wildbahn miteinander konkurrieren. An den Käfigen verletzen sich viele Tiere. Zudem ist das Futter häufig alt, billig und nicht artgerecht, was die Gefahr von bakteriellen Infektionen erhöht.

Haltung auf engstem Raum und mangelnde Hygiene fördert Virus-Infektionen

Durch die Haltung vieler Tiere auf engstem Raum, kombiniert mit mangelnder Hygiene, können sich Krankheiten ausbreiten. Aerosole gelangen schnell und einfach von Tier zu Tier - und so auch potenzielle Krankheitserreger. Auch zu Schmierinfektionen kann es kommen.

Auf diesem Wege wurde sehr wahrscheinlich auch SARS-CoV-1 übertragen, wie Christian Drosten in einem Interview mit der Schweizer Zeitung "Die Republik" sagte. Er sieht in Tieren auf Pelztierfarmen die Überträger des Virus von Fledermäusen auf den Menschen.

"Es ist ja nicht so, dass man davon ausgehen muss, dass Fledermäuse so ein Virus direkt zum Menschen bringen. […] Also fragt man sich: Welches Tier ist da dazwischen? Oft sind das Nutztiere, die in großen Beständen zusammengepfercht sind, in denen das Virus hochkochen kann", so Drosten.

"Nehmen Sie Felltiere. Marderhunden und Schleichkatzen wird lebendig das Fell über die Ohren gezogen. Die stoßen Todesschreie aus und brüllen, und dabei kommen Aerosole zustande. Dabei kann sich dann der Mensch mit dem Virus anstecken. Diese Tiere waren bei SARS-1 eindeutig die Quelle. Das ist wissenschaftlich belegt", so der Virologe.

Zudem stellten aktuelle Studien dar, dass sich die RNA von SARS-CoV-2 auf Oberflächen der Haltungseinrichtungen nachweisen ließ. Auch im Knochenstaub, den Mitarbeiter im Umgang mit den Tierkörpern einatmen, wurden sie gefunden, berichtet Pichl.

SARS-1 nachweislich auf Marderhunde und Schleichkatzen zurückzuführen

Deshalb liegt nahe, dass auch SARS-CoV-2 auf Pelztierfarmen zumindest als Mitverursacher der Pandemie zurückzuführen ist. "Ich habe dafür keinerlei Belege, außer die klar belegte Herkunft von SARS-1, und das hier ist ein Virus der gleichen Spezies. Viren der gleichen Spezies machen die gleichen Sachen und haben häufig die gleiche Herkunft", so Drosten.

Für SARS-1 sei wissenschaftlich dokumentiert und gesichert, dass Marderhunde und Schleichkatzen die Übergangswirte waren. Zudem sei sicher, dass Marderhunde in China in großem Stil in der Pelzindustrie verwendet würden.

Coronavirus auf 430 Nerzfarmen in Europa

Erste Corona-Fälle sind auf europäischen Pelzfarmen schon im April 2020 aufgetreten. Seitdem wurde das Virus SARS-CoV-2 auf 430 Nerzfarmen in zwölf Ländern in Europa und Nordamerika nachgewiesen, so Pichl. In Folge dessen sind bis heute circa 20 Millionen Nerze zur Eindämmung der Pandemie getötet geworden. "Trotz der massiven Tierschutzprobleme und Gesundheitsrisiken wird in den meisten Ländern diese Praktik jedoch unvermindert fortgeführt", informiert Pichl.

In der Folge würden weiterhin Ausbrüche von SARS-CoV-2 in Nerzfarmen gemeldet, wie zuletzt in Spanien. Auf einer Pelzfarm in La Puebla de Valverde wurden Anfang August 14 Mitarbeiter positiv getestet, 92.000 Nerze wurden aufgrund dessen gekeult. 90 Prozent von ihnen waren mit dem Coronavirus infiziert.

Auch in den Niederlanden und Griechenland kam es zu solchen Vorfällen. Mit diesen Ausbrüchen entsteht nicht nur die Gefahr, dass über Tiere und Mitarbeiter viele Menschen infiziert werden. Sie könnten auch zu weiteren Mutationen des Virus führen, gegen die die Impfung weniger wirksam ist.

Auch durch SARS-CoV-2: Rückgang der europäischen Pelzindustrie

In Europa findet derzeit beim Thema Pelzindustrie ein Umdenken statt. So hat Ungarn die Haltung von Nerz, Fuchs, Frettchen und Sumpfbiber zur Gewinnung von Fell verboten, unter anderem um die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern. Aus diesem Grund wurde die Pelztierzucht 2021 auch in Dänemark, Schweden und Italien ausgesetzt. Eine Fortsetzung dieses Produktionsstopps auch in 2022 wird derzeit diskutiert.

In Deutschland gibt es nach langem Fordern von Tierschützern aktuell keine Pelztierfarm mehr. Die letzte wurde Anfang 2019 im nordrhein-westfälischen Rahden geschlossen, nachdem ein Gesetz verabschiedet wurde, das die Haltung nur noch unter sehr strengen Bedingungen erlaubt. Die Mindestanforderungen an die Zucht wurden dadurch so hoch, dass sie sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt, so Pichl.

Die Niederlande, Belgien und Serbien, Frankreich sowie Irland haben bereits ein Verbot beschlossen, befinden sich aber noch in der Übergangs- bzw. Umsetzungsfrist. Somit ist in Europa nur noch Finnland führend in der Pelzproduktion. Doch auch dort denken Politiker darüber nach, den Handel mit Fellen zu beenden.

Es zeichne sich zudem ab, dass seit 2014 eine Überproduktion an Fellen stattfindet, so Pichl. Nachfrage und Preise seien gesunken. Das macht deutlich, dass viele Verbraucher sich nicht mehr gerne mit dem Fell von gequälten Tieren schmücken möchten und tierfreies Kunstfell für die bessere Alternative halten.

Mittlerweile gibt es innerhalb der europäischen Pelzindustrie zwar das Label "Well Fur", das ab 2020 auf allen Pelzen aus Europa zu finden sein sollte. Es steht für bessere Haltungsbedingungen auf den Pelztierfarmen. Diese seien aber weiterhin weit von einer artgerechten Haltung entfernt, wie Tierschützer, unter anderem von der Organisation Vier Pfoten, kritisieren.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliche Antworten von Katrin Pichl, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund e.V.
  • Schriftliche Antworten von Patrick Noway, Fachreferent Bekleidung und Textil bei PETA Deutschland e.V.
  • Covid up to date: SARS-CoV-2 in Nerzfarmen
  • Sciencedirect.com: SARS-CoV-2 infection in farmed minks – an overview of current knowledge on occurrence, disease and epidemiology
  • Die Republik.ch: Herr Drosten, woher kam dieses Virus? (5. Juni 2021)
  • Vier Pfoten: Wird Europa pelzfrei?
  • Vier Pfoten: Die Wahrheit über Pelz
  • Peta: Pelz made in China
  • Presseportal.de: Endlich keine Pelzfarmen mehr in Deutschland - Tierrechtler fordern komplettes Handelsverbot für Pelzprodukte in Deutschland

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Auch die US-Geheimdienste konnten die Frage nach dem Ursprung des Coronavirus nicht abschließend klären. In ihrem mit Spannung erwarteten Bericht nennen sie zwei mögliche Szenarien - beides seien "plausible Hypothesen".
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