Es war eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten: Hurrikan Katrina. Vor 15 Jahren wütete der Sturm am US-Golf und zerstörte vor allem in New Orleans tausende Existenzen. Viel ist seitdem geschehen, aber hat sich die Küstenmetropole schon erholt?

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Unter Wasser stehende Häuser, entwurzelte Bäume, kilometerlange Staus flüchtender Menschen und zerstörte Existenzen: Es waren apokalyptische Bilder, für die Hurrikan Katrina zwischen dem 23. und 30. August 2005 in den südöstlichen Teilen USA sorgte. Mit über 250 km/h und damit der höchstmöglichen Stufe 5 der "Saffir-Simpson-Hurrikan-Windskala" fegte Katrina über Florida, Louisiana, Mississippi, Alabama und Georgia hinweg. Fast 2.000 Menschen verloren ihr Leben, Katrina hinterließ Sachschäden in Höhe von über 100 Milliarden US-Dollar.

Mitten im Auge des Wirbelsturms und besonders hart getroffen: Die Küstenstadt New Orleans, "Wiege des Jazz" und größte Stadt im Bundesstaat Louisiana. Bis zu 80 Prozent der Stadt standen damals metertief unter Wasser, nachdem die Schutzmauer den Fluten nicht standgehalten hatte. Kulinarisches aus der kreolischen Küche, das historische Viertel "French Quarter" oder Bars und Clubs in der Bourbon Street: Plötzlich war New Orleans, "The Big Easy", vom Inbegriff der Lebensfreude und Leichtigkeit zum Inbegriff der Zerstörung durch Katrina geworden.

Bevölkerungszahlen teilweise erholt

Wie geht es der Stadt 15 Jahre nach Katrina? Die Bevölkerung ist wieder gewachsen: Knapp 455.000 Menschen lebten laut Statistischem Bundesamt der USA vor dem Sturm in New Orleans – 2006 zählte die Stadt nur noch etwa 210.000 Einwohner. Auch jetzt hat sich die Bevölkerungsentwicklung noch nicht komplett erholt: im Jahr 2018 lebten rund 391.000 Einwohner in New Orleans, doch die Wachstumskurve steigt nur schleppend an.

Schon kurz nachdem das Ausmaß der Katastrophe 2005 ersichtlich worden war, wurden Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Wiederaufbaus laut. So zitiert die "Seattle Times" beispielsweise Dennis Hastert, 2005 Sprecher des US-Repräsentantenhauses: "Es ergibt keinen Sinn, Milliarden von Dollar für den Wiederaufbau einer Stadt auszugeben, die sieben Fuß unter dem Meeresspiegel liegt. Es sieht so aus, als könnte ein Großteil planiert werden." Vergessen haben die Menschen in New Orleans das nicht – auch wenn ihre Sorgen, die Stadt nie wieder so zu sehen, wie sie sie kennen, groß waren.

Sanierung des Stadtkerns

Doch New Orleans ist seinen Weg gegangen, wieder aufgestanden: Heute hat die Stadt sich hinsichtlich vieler Gesichtspunkte erholt, wenn auch nicht geradlinig und gleichmäßig. So berichtete der "ARD-Weltspiegel", bereits 2015, dass im Zentrum New Orleans, in welches die meisten Mittel des Wiederaufbaus flossen, nichts mehr auf Katrina hindeutete.

Doch auch wenn die Sanierung des Stadtkerns junge Kreative anzog – die ärmeren Wohnviertel gerieten in Vergessenheit. Die Sozialstruktur in New Orleans veränderte sich durch Katrina enorm: Viele der sogenannte "Public Housing Projects", soziale Wohnungsbauprojekte, fielen dem Abriss durch private Immobiliengesellschaften zum Opfer: Dazu zählten beispielsweise das "St. Bernard Public Housing Development" und das "BW Cooper Project", beide Anfang der 40er erbaut und vor Katrina Zuhause von über 1.400 sozial Benachteiligten. Anstelle von Wohneinheiten für Afroamerikaner, alleinerziehende Mütter und ältere Menschen, entstanden nach Katrina Mustersiedlungen für Bürger mit einem gemischten Einkommen.

Ärmste am härtesten getroffen

Besonders hart getroffen wurde das Viertel "Lower Ninth Ward", mit einer traditionell einkommensschwachen afroamerikanischen Nachbarschaft. Eine Versicherung gegen Flutschäden hatte hier 2005 fast niemand. Auch 2020 zeugen leere und verwucherte Flecke von der Katastrophe, Betriebe bleiben weiterhin fern. Dabei war das Viertel Schauplatz von Filmstar Brad Pitt’s Promi-Projekt, der "The Make it Right"-Organisation, über das bezahlbare 100 Häuser gebaut wurden.

In einem "NBC"-Bericht klagen Bewohner jedoch, die Häuser seien zu schnell mit Billigmaterial gebaut worden und deshalb gefährlich – beschweren sich über instabile Konstruktion und Gasaustritte. Seit 2015 scheint die Organisation "Make It Right" verschwunden zu sein: Büros wurden geschlossen, die Internetseite nicht mehr upgedated, keine weiteren Häuser gebaut. So finden auch 15 Jahre nach Katrina noch immer Projekte von Freiwilligendiensten zum bezahlbaren Häuserbau für Überlebende statt. 450 Häuser wurden etwa über das "Habitat for Humanity"- Projekt für die Menschen im "Lower Ninth Ward" gebaut.

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp

Schon vor dem einschneidenden Hurrikan war der Wohnungsmarkt in New Orleans angespannt: Bezahlbarer Wohnraum war knapp – und ist es immer noch. "Die Situation ist schlimmer geworden, weil viele bezahlbare Wohneinheiten der Stadt nach dem Sturm nie wiederaufgebaut wurden und das urbane Zentrum weißer und wohlhabender wurde", beschreibt die "New York Times". Laut "New Orleans Advocate" fehlen rund 33.000 bezahlbare Wohneinheiten. Während die durchschnittliche Miete eines Ein-Zimmer-Apartments vor Katrina bei monatlich knapp 580 Dollar lag, hat sich der Marktpreis seitdem ungefähr verdoppelt – ohne, dass der Reallohn sich entsprechend entwickelt hätte. Im Musik-, Gastronomie- und Tourismus-Sektor verdienen die meisten laut "New York Times" gerade einmal einen Mindestlohn von 7.25 Dollar.

Dabei habe New Orleans, wie die Zeitung weiter berichtet, mit 37.700 leerstehenden Wohneinheiten einen Leerstand von fast 20 Prozent: "reinlich wiederaufgebaute Häuser, platziert in verlassenen Gebieten, eingefroren im Jahr 2007: Drei leere Grundstücke kommen auf sechs Häuser".

Schutzdamm für 14,6 Milliarden Dollar

Die Neuplanung und -konstruktion des Schutzdamms inklusive Abpumpsystemen ist derweil für 14,6 Milliarden Dollar so gut wie abgeschlossen, gilt laut "New Orleans Advocate" als "tief greifende Verbesserung im Schutz des Gebietes gegen Hochwasser" und würde einem sogenannten "100-Jahres-Sturm" standhalten. Dabei handelt es sich um eine Naturkatastrophe, deren Auftreten jährlich eine Wahrscheinlichkeit von 1 Prozent hat. Katrina führte hier zu neuen Standards und Bauweisen.

Kritik kommt indes für die Tatsache, dass diese Standards auf Grundlage von vergangenen Faktoren festgelegt wurden – und das in Zeiten, in denen die Erderwärmung für immer intensivere Stürme, Regenfälle und Fluten sorgt. Der gesamte US-Golf an der Ostküste bleibt verwundbar: Auch in diesen Tagen rasen mit den tropischen Stürmen "Laura" und "Marco" zwei Hurrikans auf New Orleans zu.

2020: Kampf gegen einen anderen Sturm

Bei allen Erfolgen des Wiederaufbaus, warnt auch "New York Times"-Journalist Talmon Smith davor Katrinas "unlearned lessons", die ungelernten Lektionen, zu vergessen. Dazu zählen die unkoordinierten Rettungsmaßnahmen, die zusätzliche Menschenleben kosteten und die Tatsache, dass vor allem die schwarze Mittelklasse von Katrina „weggeschwemmt“ wurde.

15 Jahre später aber kämpft New Orleans gegen einen anderen Sturm: Diesmal trägt er den Namen "Covid-19". Zu Beginn der Pandemie galt New Orleans als eins der am schwersten betroffenen Gebiete weltweit, die Parade "Mardi Gras" hatte beste Bedingungen für das Virus geboten, um sich zu verbreiten. Louisiana hat (Stand 24. August) knapp 143.000 Corona-Fälle gemeldet, knapp 6 Millionen zählen die USA insgesamt. Etwa 177.000 Menschen erlagen der Pandemie – knapp 5000 davon in Louisiana. Durch Hurrikan Katrina starben damals rund 1000 Menschen in New Orleans.

Rekordverdächtige Arbeitslosenzahlen

Wie auch bei Katrina sind es wieder die Ältesten und Ärmsten, die es am schlimmsten trifft: Laut einer von der "Financial Times“ zitierten überlebten meist nur beatmete Patienten, die jünger als 60 seien. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind für New Orleans besonders verheerend: Laut "US Bureau of Labour Statistics" betrug die Arbeitslosenrate noch im Februar 5,2 Prozent – schon damals einer der höchsten Werte innerhalb der USA – im Mai kletterte sie jedoch auf rekordverdächtige 15,1 Prozent.

Dabei waren einige Gewerbe gerade erst wiedergekommen, nachdem sie die Stadt im Zusammenhang mit Katrina verlassen hatten: Wie die "Financial Times" berichtet, war beispielsweise die 1907 in New Orleans gegründete Brauerei "The Dixie Brewery" erst im Januar wiedergekommen.

"Menschen von New Orleans werden nie aufgeben"

Jazz-Musiker Trombone Shorty beschrieb der “Financial Times", wie die verlassenen und verschlossenen Gebäude im historischen "French Quarter" bei den Bewohnern von New Orleans derzeit ein altbekanntes Gefühl wecken: Das, eines heraufziehenden Sturmes.

Doch vielleicht hat Hurrikan Katrina den Bürgern von New Orleans für den Kampf gegen Covid-19 auch eine entscheidende Lektion gelehrt: Widerstandskraft, wenn sie am schwierigsten scheint. So sagte auch Trombone Shorty: "Wir können millionenfach niedergeschlagen werden, aber wir nehmen die Dinge, wie sie sind. Es ist nur ein weiteres Ereignis, das im Leben passiert, aber die Menschen von New Orleans werden nie aufgeben."

Verwendete Quellen:

  • "US Bureau of Labour Statistics": Arbeitslosenzahlen von Louisiana
  • "US Census Bureau": Bevölkerungszahlen von New Orleans
  • "Financial Times": Fifteen years after Katrina, New Orleans battles coronavirus storm
  • "Seattle Times": Hastert: New Orleans "could be bulldozed"
  • "New Orleans Advocate": New Orleans gets 'D' in effort to provide affordable housing, advocacy group says
  • "New Orleans Advocate": 15 years after Katrina, New Orleans levees are in the best shape ever. Experts say it’s not enough
  • "NBC-News": Brad Pitt built dozens of homes in New Orleans after Katrina. Now they’re falling apart and residents are suing
  • "ARD-Weltspiegel": Hurrikan Katrina:10 Jahre danach
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