- In Georgia tötet ein weißer US-Amerikaner acht Menschen, sieben davon asiatisch-stämmig.
- Auch in Deutschland ist anti-asiatischer Rassismus ein Problem. Die Coronakrise hat ihn neu entflammt.
- Die Wurzeln aber reichen viel weiter zurück. Eine Betroffene berichtet: "Das ist meine Realität."
Es war in den meisten Medien nur eine Randnotiz: Bei einem Attentat am 16. März hat ein 21-jähriger US-Amerikaner acht Menschen in Massagesalons ermordet – sechs davon mit asiatischen Wurzeln. Der Tatverdächtige wurde kurz darauf festgenommen.
Auch wenn der Täter bei der ersten Vernehmung ein rassistisches Motiv bestritt: US-Präsident
Neu entflammter anti-asiatischer Rassismus
Mit Beginn der Coronakrise war anti-asiatischer Rassismus neu entflammt. Weil COVID-19 zuerst in Asien ausbrach, nutzen Rassisten asiatisch gelesene Menschen als Sündenböcke. "Aufgrund meines Äußeren ist mein Leben seit Monaten die Hölle", beschreibt Meiji, deren Eltern Hongkong-Chinesen sind, beispielsweise auf der Website "Ichbinkeinvirus.org", die Erfahrungsberichte von Betroffenen sammelt. Häufig höre sie Leute leise "Corona" sagen, wenn sie an ihr vorbeigingen.
"Auch in Deutschland ist anti-asiatischer Rassismus ein Problem", ist sich Jee-Un Kim, Gründungsmitglied eines asiatisch-deutschen Vereins, der sich gegen anti-asiatische Diskriminierung einsetzt, sicher. Als Deutsche mit koreanischen Wurzeln erlebe sie Rassismus alltäglich. "Das ist meine Realität. Die Pandemie hat nur deutlich gemacht, was es ohnehin schon die ganze Zeit gab", so Kim.
Asiaten als Sündenbock in der Pandemie
So sind Meijis Erlebnisse auch kein Einzelfall: Zuhauf berichten Betroffene auf der Plattform von rassistischen Anfeindungen, bei denen asiatisch gelesene Menschen als Sündenböcke in der Pandemie diskriminiert werden. Die Zunahme von anti-asiatischem Rassismus hatte auch zuletzt ein Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gezeigt. Von den 100 Anfragen, die die Anti-Diskriminierungsstelle seit Beginn der Corona-Pandemie allein bis Mai 2020 erreichten, bezogen sich 58 auf die ethnische Herkunft.
Die Anlaufstelle hatte beispielsweise Berichte erreicht, dass eine Arztpraxis einem Patienten chinesischer Herkunft eine Behandlung verweigerte, obwohl die betroffene Person wegen gänzlich anderer Symptome beim Arzt und seit Monaten nicht in China gewesen war. Einer chinesischen Studentin wurde die Wohnungsbewerbung mit der Begründung "Ich möchte kein Coronavirus" abgesagt.
Die Datenlage ist dünn
"Schon zu Beginn der Pandemie, als der 'Spiegel' titelte: 'Coronavirus. Made in China' ahnten wir besorgt, was noch auf uns zukommen würde", erzählt Kim. Zwar begrüßt sie es, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes anti-asiatischen Rassismus inzwischen als gesonderte Kategorie erhebt, sagt aber dennoch: "Die Datenlage in Bezug auf anti-asiatischen Rassismus und Rassismus allgemein ist bislang viel zu dünn."
Eine Pionierstudie sei bereits gestartet. Es müssten aber noch mehr Ressourcen in die Erforschung von anti-asiatischem Rassismus fließen, um das Problem auch für die deutsche Mehrheitsgesellschaft sichtbar zu machen.
Kim betont: "Wir leben in einem von Rassismus durchzogenen System. Es ist ein Lernprozess, bestimmte Bilder als rassistisch zu erkennen." Auch der "positive" Rassismus der Asiaten häufig begegne – nach dem asiatische Menschen zum Beispiel als besonders still, fleißig und strebsam gelten – sei problematisch.
"Mythos Vorzeigemigranten"
"Der Mythos einer Vorzeigeminderheit spielt unsere Community gegen angeblich 'schlechte' Migranten aus. Gleichzeitig werden wir von der westlichen Mehrheitsgesellschaft, aber teilweise auch von anderen Minderheiten in unseren Rassismus-Erfahrungen nicht ernst genommen", erklärt Kim.
In den asiatischen Communitys haben die meisten Menschen chinesische Wurzeln. Schätzungsweise leben rund 215.000 chinesisch-stämmige Menschen in Deutschland. Die Communitys etwa der Inder (rund 125.000), Vietnamesen (rund 100.000) und Thailänder (rund 60.000) sind deutlich kleiner. "Das und auch die mediale Präsenz bestimmter Gruppen erklärt, warum in Deutschland viele unter 'Asiaten' meist Menschen aus Ost- oder Südostasien verbinden. Gegen diese Gruppen ist der anti-asiatische Rassismus in Corona-Zeiten meist gerichtet", sagt Kim.
Zum anti-asiatischen Rassismus zähle auch ein geschlechtsbezogener Rassismus. "Asiatisch gelesene Frauen werden in Anlehnung an Kultfiguren wie die Geisha oder Madame Butterfly als devot und sexuell immer verfügbar dargestellt", so Kim. Gleichzeitig würden asiatische Männer bei vielen als desexualisierte Nerds ohne Emotionen gelten.
Tiefe Wurzeln in der Gesellschaft
Die Stereotype, die in der Pandemie bedient würden, stammten noch aus Zeiten der deutschen Kolonialgeschichte, wie das rassistische Bild der "gelben Gefahr". "Es geht um Bilder einer gesichtslosen und unzivilisierten Masse mit fremden Ess- und Wohnkulturen, die mit der Entstehung und Verbreitung von Epidemien in Verbindung gebracht wurden", beschreibt Kim.
Auch in den 1980er Jahren wurde das Bild in anderer Form wieder aufgegriffen, und zwar im Zusammenhang mit der erstarkenden Wirtschaftsmacht Japan. "In den 1980er Jahren wurde Japan als wirtschaftliche Bedrohung im Westen wahrgenommen und die damit verbundene Angst, die Japaner würden alles aufkaufen beschrieben", erinnert Kim. Sie betont deshalb: "Anti-asiatischer Rassismus hat nicht erst mit der Coronakrise begonnen."
Angst in der Community
Auch die Pogrome von Hoyerswerda (1991) und Rostock-Lichtenhagen (1992) seien Ausdruck von anti-asiatischem Rassismus gewesen. Damals wurden Gebäude, in denen hauptsächlich vietnamesische Menschen lebten, unter den Augen applaudierender Zuschauer von gewalttätigen Rechtsradikalen angegriffen.
"In der asiatischen Community herrscht eine unterschwellige Angst vor einer Eskalation von anti-asiatischen Übergriffen", sagt Kim. Sie wünscht sich deshalb, dass auf mehreren Ebenen etwas gegen anti-asiatischen Rassismus getan wird. "Die Mehrheitsgesellschaft muss erkennen, dass Rassismus sich durch das ganze System zieht: Institutionen ebenso wie Populärkultur", sagt Kim. Auf "Ichbinkeinvirus.org" berichten Deutsch-Asiaten deshalb auch von Witzen über "Hunde essen",
Bildung gegen Rassismus
"Gleichzeitig muss auch in den Schulen die deutsche Kolonialgeschichte thematisiert werden", fordert Kim. Denn die Errichtung der deutschen Kolonie Kiautschou Ende des 19. Jahrhunderts damals beispielsweise mit der angeblichen Überlegenheit der Deutschen im Namen einer "höheren Gesittung" legitimiert.
Sie appelliert besonders an Menschen, die mit ihren Aussagen die Massen erreichen, sich gegen anti-asiatischen Rassismus zu positionieren. "Politiker sollten Rassismus dezidiert verurteilen und feststellen, dass anti-asiatischer Rassismus auch in Deutschland ein Problem ist", sagt Kim. Auch den Medien komme als Transporteur von Stereotypen eine wichtige Rolle zu. "Jeder kann im Alltag etwas tun: Einmal die Position anderer einnehmen, rassistische Taten nicht unkommentiert lassen, Betroffenen bei Übergriffen zur Seite stehen und sich solidarisch zeigen", sagt sie.
Verwendete Quellen:
- Bundeszentrale für politische Bildung: "Anti-asiatischer Rassismus in Deutschland"
- Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven mit einem gesellschaftskritischen Blick auf Kultur, Medien und Politik
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