Unglück in Litauen: Ein Frachtflugzeug stürzt ab und verfehlt knapp ein Wohngebäude. Mindestens eine Person stirbt. Schnelle Antworten zur Unfallursache erwarten die Ermittler nicht.
Ein im Auftrag des Postdienstleisters DHL in Leipzig gestartetes Frachtflugzeug ist am frühen Morgen in der Nähe des Flughafens der litauischen Hauptstadt Vilnius abgestürzt. Dabei kam mindestens eine Person ums Leben, wie Polizei und Rettungsdienste mitteilten. Das abstürzende Flugzeug verfehlte ein Wohngebäude mit schlafenden Menschen nur knapp. Zahlreiche Rettungskräfte waren im Einsatz.
Die Einsatzkräfte wurden nach vorläufigen Angaben des Rettungsdienstes um 5.31 Uhr Ortszeit von dem Absturz informiert.
Nach ersten Angaben befanden sich vier Personen in dem Flugzeug. Bei der getöteten Person handelt es sich um einen spanischen Staatsbürger, wie ein Vertreter der Polizeibehörde der litauischen Nachrichtenagentur Elta am Vormittag mitteilte. Die übrigen Insassen des Flugzeugs - ein Deutscher, ein weiterer Spanier und ein Litauer - seien verletzt worden. Zum gesundheitlichen Zustand der Verletzten machten die Behörden zunächst keine weiteren Angaben.
Zum Alter der Insassen gebe es noch keine gesicherten Informationen, erklärte die Polizei. Berichten zufolge handelt es sich bei der verstorbenen Person um einen der zwei Piloten des Flugzeugs.
Maschine musste einen Kilometer vom Flughafen entfernt Notlandung einleiten
Laut der Plattform "Flightradar24" stürzte die für DHL eingesetzte Swift-Air-Maschine bei einem Landeversuch in Vilnius in das Wohngebiet nahe der Landebahn ab. DHL bestätigte später, dass es sich um eine Maschine der spanischen Fluggesellschaft handelt. Swift Air sei unter Vertrag für DHL tätig, hieß es.
Etwa einen Kilometer vor dem Flughafen habe sie eine Notlandung einleiten müssen. Der "Status" der Besatzung werde noch geklärt, hieß es - "aber unsere Gedanken sind bei ihnen und ihren Angehörigen".
Nach Angaben der Vertriebs- und Marketingleiterin von DHL Litauen handelte es bei dem Flugzeug um eine Boeing 737. Transportiert habe die Maschine Pakete für Kunden, sagte sie der Nachrichtenagentur BNS. Auf Bildern von der Unfallstelle waren vereinzelt Pakete und kaputte Kartons zu sehen. Das Flugzeug sei völlig zerstört, sagte eine Sprecherin des litauischen Rettungsdienstes der Nachrichtenagentur Elta.
Flugzeug verfehlt Wohnhaus "durch Zufall" - zwölf Bewohner evakuiert
Es werde untersucht, ob die Ursache des Absturzes mit "technischen Problemen" zusammenhänge, sagte der Leiter des Nationalen Krisenmanagementzentrums im litauischen Rundfunk. Allerdings sei es noch zu früh, um etwas Genaueres zu sagen. Ihm zufolge stürzte das Frachtflugzeug neben ein Wohngebäude.
Bürgermeister Valdas Benkunskas sagte, die Maschine habe das Wohnhaus "durch Zufall" verfehlt und sei in den Hof gestürzt. Nach dem Vorfall brach ein Feuer aus, zwölf Bewohner wurden aus dem Haus evakuiert.
Viele Teile des Flugzeugs seien herumgeschleudert worden, berichtete ein Journalist des litauischen Rundfunks vom Unfallort im Stadtteil Liepkalnis. Das Gebiet ist seinen Angaben zufolge nicht dicht besiedelt - es gibt nur einzelne Häuser.
Suche nach Unfallursache wird dauern - auch deutsche Behörden ermitteln
Die Suche nach der Ursache für den Absturz einer in Leipzig gestarteten Frachtmaschine wird nach Angaben des litauischen Polizeichefs einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Besichtigung des Tatorts, die Beweisaufnahme und die Sammlung von Informationen und Objekten könne eine ganze Woche dauern. "Diese Antworten werden nicht so schnell kommen", sagte Arunas Paulauskas am Morgen auf einer Pressekonferenz.
Auch in Deutschland ermitteln die Sicherheitsbehörden. Man stehe dazu "im engen Austausch mit den beteiligten Stellen im In- und Ausland, um den Sachverhalt schnellstmöglich aufzuklären", hieß es in deutschen Sicherheitskreisen.
Das Flugzeug habe versucht zu landen und die Landebahn nicht erreicht, schilderte Paulauskas. Der Absturz sei "höchstwahrscheinlich auf einen technischen Fehler oder ein menschliches Versagen zurückzuführen".
Zugleich sagte er auf die Nachfrage, ob es sich auch um einen Terroranschlag gehandelt haben könnte, dass ein solches Szenario nicht auszuschließen sei. "Dies ist eine der Versionen des Absturzes, die untersucht und überprüft werden müssen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns."
Der Leiter des litauischen Rettungsdienstes, Renatas Pozela, sagte, dass das Frachtflugzeug wenige Kilometer vor dem Flughafen abgestürzt sei, mehrere hundert Meter weit schlitterte und seine Trümmer ein Wohnhaus erfassten. Das Haus habe zwei Etagen und vier Wohnungen. Drei Familien hätten darin gelebt. Alle zwölf Bewohner befänden sich in Sicherheit.
Die Flammen hätten das Flugzeug völlig zerstört, sagte eine Sprecherin des litauischen Rettungsdienstes der litauischen Nachrichtenagentur Elta. Am Absturzort seien sechs Feuerwehrfahrzeuge und ein Wassertransportfahrzeug im Einsatz.
Augenzeugen schildern den Aufprall
Eine Frau, die in der Nähe des betroffenen Hauses wohnt, berichtete im litauischen Rundfunk, dass sie am frühen Morgen durch ein Geräusch geweckt worden sei: "Ich habe im Schlaf ein Geräusch gehört, ich schaue aus dem Fenster – alles war rot und voller Funken". Sie sei sofort losgerannt, um zu sehen, ob jemand Hilfe brauche. Sie stehe unter Schock: "Schrecklich, schrecklich" sei das Ganze.
Ein Nachbar erzählte, dass er am frühen Morgen einen Lichtblitz im Hof gesehen habe: "Es gab einen Blitz. Den Aufprall selbst habe ich nicht gesehen, aber der Blitz war sehr hell, er erleuchtete den ganzen Hof, und er war etwa einen Kilometer von mir entfernt. Und dann erschien das Feuer und es gab eine Menge Rauch."
Deutsche Sicherheitsbehörden warnten vor Brandsätzen
Der Chef des litauischen Nachrichtendiensts, Darius Jauniskis, sagte nach Angaben litauischer Medien: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nach unserem Kenntnisstand wahrscheinlich zu früh, um den Vorfall mit irgendetwas in Verbindung zu bringen oder ihm irgendwelche Zuschreibungen zu geben."
Dazu lägen keine vorläufigen Informationen vor. Auch er sagte, die Möglichkeit von Terrorismus könne aber nicht ausgeschlossen werden. Jauniskis versicherte außerdem, dass man auch mit ausländischen Partnern zusammenarbeite.
Ende August war bekannt geworden, dass deutsche Sicherheitsbehörden vor "unkonventionellen Brandsätzen" warnen, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA) verschickten seinerzeit einen entsprechenden Warnhinweis an Unternehmen aus der Luftfahrt- und Logistikbranche.
Die Warnmeldung wurde in Sicherheitskreisen unter anderem mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, das als weltweites Drehkreuz des Unternehmens fungiert. Dort soll im Juli ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt.
In der Warnmeldung von BfV und BKA kam das Wort Russland nicht vor. Dennoch wird in Sicherheitskreisen ein Zusammenhang mit den zunehmenden Fällen russischer Sabotage in Deutschland nicht ausgeschlossen. (dpa/bearbeitet von ank)
Korrektur: In ersten Berichten über das Unglück hatte es geheißen, das Flugzeug sei auf ein Wohngebäude gestürzt. Später stellte sich heraus, das Gebäude wurde knapp verfehlt. Wir haben den Artikel entsprechend angepasst.
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