Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober mehren sich antisemitische Vorfälle in Deutschland. Dass man in Sachsen-Anhalt in diesen Zeiten darüber nachdenkt, die Kita "Anne Frank" umzubenennen, sorgt nun für Kritik. Dort betont man, es sei noch nichts entschieden und die Umbenennung werde bereits seit Anfang des Jahres diskutiert.
Pläne für eine Umbenennung der Kindertagesstätte "
Die "Magdeburger Volksstimme" hatte am Wochenende über die Pläne zur Umbenennung der Kita berichtet. Demnach habe das Kuratorium der städtischen Einrichtung sich für einen neuen Namen ausgesprochen. Die Kita soll künftig nicht mehr nach dem jüdischen Mädchen, sondern "Weltentdecker" heißen.
Die Leiterin der Kita sagte der Zeitung, die Geschichte des jüdischen Mädchens sei für kleine Kinder schwer zu fassen. Auch wüssten Eltern mit einem Migrationshintergrund mit dem Namen Anne Frank nichts anzufangen.
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Bürgermeister: Stehen "für ein weltoffenes Deutschland"
Der Bürgermeister von Tangerhütte, Andreas Brohm (parteilos), erklärte am Montag, die Kita habe in den vergangenen 14 Monaten "einen Erneuerungsprozess durchlaufen" und solle den Fokus künftig auf "offene Arbeit" legen. Mitarbeiter und Kuratorium hätten diesen Prozess maßgeblich mitgestaltet.
Dabei sei bereits Anfang des Jahres und damit "weit vor den aktuellen Diskussionen und Ereignissen" die Idee aufgekommen, die grundlegende Änderung des Kitakonzepts durch einen anderen Namen für die Einrichtung "auch nach außen hin sichtbar zu machen".
Brohm zufolge gingen dazu "viele konstruktive Anregungen und Vorschläge" ein, die "dem Abwägungsprozess eine neue Dynamik verleihen". Dies begrüße er. "Diese Diskussionen laufen immer noch, ohne dass aktuell eine Entscheidung darüber anstünde", fügte er hinzu.
Brohm wolle den Prozess nach eigenen Angaben "moderierend und gleichzeitig fest verankert auf dem Fundament unserer freiheitlichen Grundordnung begleiten". Zugleich betonte Brohm, Tangerhütte stehe "für ein weltoffenes Deutschland, das sich gleichzeitig seiner historischen Verantwortung genauso bewusst ist wie seinem Bildungsauftrag".
Kritik an Plänen für Umbenennung der Kita
Kritik an einer möglichen Umbenennung der Kita war zuvor von verschiedenen Seiten geäußert worden. Das Internationale Auschwitz Komitee sprach etwa von "törichten Argumenten".
"Wenn man die eigene Geschichte gerade in diesen Zeiten von neuem Antisemitismus und Rechtsextremismus so leichtfertig abzuräumen bereit ist und der Name von Anne Frank im öffentlichen Raum als ungeeignet wahrgenommen wird, kann einem im Blick auf die Erinnerungskultur in unserem Lande nur angst und bange werden", erklärte Vizepräsident Christoph Heubner am Sonntag.
Der Verein Miteinander, der in Sachsen-Anhalt seit Jahren gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus kämpft, nannte die geplante Namensänderung in einer Zeit des erstarkenden Antisemitismus "ein falsches Signal". Gerade jetzt brauche es "ein historisches Bewusstsein", erklärte der Verein am Wochenende.
Bildungsstätte sieht Angriff auf "Grundlagen unserer Erinnerungskultur"
Auch die Bildungsstätte Anne Frank kritisierte die Pläne. Die Umbenennung trage "zu einer Unsichtbarmachung von jüdischem Leben und jüdischen Opfergeschichten bei, den Grundlagen unserer Erinnerungskultur," wie Direktorin Deborah Schnabel am Montag erklärte.
Schnabel verwies auch auf Erfahrungen aus der pädagogischen Arbeit. Diese zeige, dass die Auseinandersetzung mit Anne Frank keineswegs überfordernd sein müsse, sondern ein Türöffner zur Auseinandersetzung mit Menschenrechten, Demokratie und Diskriminierung im Ganzen sei.
Der aktuelle Fall zeige, dass es dringend mehr Bildungsangebote brauche, die auch Antisemitismus schon im Kita-Alter altersgemäß adressierten, sowie entsprechende Fortbildungen für die pädagogischen Fachkräfte. "Das gilt umso mehr in Zeiten und Gegenden, in denen die AfD extrem hohe Zustimmungswerte hat", erklärte Schnabel.
Tagebuch der Anne Frank zählt zu wichtigsten Werken der Literatur
Anne Frank gilt als Symbol der Menschlichkeit inmitten des Holocausts. Sie wurde 1929 als Kind jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Ihre Familie flüchtete 1933 vor den Nationalsozialisten in die Niederlande.
Dort versteckte sie sich von 1942 bis 1944 in einem Hinterhaus an der Amsterdamer Prinsengracht vor den Nazis. In dieser Zeit schrieb Anne Frank ein Tagebuch, das zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur gehört. Sie wurde jedoch verraten und von der Gestapo festgenommen.
Die 15-jährige Anne und ihre 19 Jahre alte Schwester Margot starben 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus, ihre Mutter in Auschwitz. Nur Annes Vater Otto Frank überlebte. Er veröffentlichte das Tagebuch seiner Tochter und wandelte das Haus in ein Museum um. (afp/dpa/thp)
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