Am 6. Januar wurde der Strafprozess gegen Ex-Regisseur Harvey Weinstein in New York eröffnet. Bereits zwei Jahre zuvor hatte der einstige Hollywood-König die Metoo-Debatte ausgelöst und dutzende Frauen gegen sich aufgebracht. Nun werden die Erlebnisse von zwei Opfern verhandelt. Dabei immer an seiner Seite: Anwältin Donna Rotunno. Wer ist die Frau, die auf Anklagen im Bereich des sexuellen Missbrauchs spezialisiert ist?
Mehr als 80 Frauen machen der Ex-Hollywood-Größe Harvey Weinstein Vorwürfe des sexuellen Fehlverhaltens, aber eine Frau kämpft, um seine Unschuld zu beweisen: Seine Anwältin Donna Rotunno, Leiterin des sechsköpfigen Verteidigerteams und spezialisiert auf Fälle wie den von
Bereits in 40 Fällen hat die ehemalige Staatsanwältin potentielle Sexualstraftäter verteidigt – und war dabei fast ausnahmslos erfolgreich. Ihre Vorbereitung auf den Gerichtssaal gilt als akribisch, ihr Verteidigungsstil als aggressiv. Nicht nur diese Tatsache hat ihr das Image einer "Bulldogge im Gerichtssaal" eingebracht. Wer ist die 44-Jährige, die unverhohlen zugibt, keine Unterstützerin der Metoo-Bewegung zu sein und Opfern vorwirft, sich selbst dazu gemacht zu haben?
Donna Rotunno: Schonungslos im Kreuzverhör
Eins ist jedenfalls klar: Es ist kein Zufall, dass Weinsteins Wahl gerade auf Rotunno gefallen ist. Sie selbst bezeichnet ihr Mandat als "geschickten Schachzug" von Weinstein, denn sie könne weibliche Personen im Zeugenstand weitaus härter in die Mangel nehmen als ihre männlichen Kollegen, so Rotunno im Interview mit "Fox News".
Das bewies die groß gewachsene Frau mit den braunen Locken, dem starren Blick und dem modischen Kleidungsstil auch kurz nach Prozesseröffnung. Sie trieb eine der zwei Hauptzeuginnen, Schauspielerin Jessica Mann, an den Rande eines emotionalen Zusammenbruchs. Zuvor hatte Rotunno Mann eine Mail an ihren damaligen Partner vorlesen lassen, die sie im Jahr 2014 schrieb – also zu einem Zeitpunkt nach der vorgeworfenen Vergewaltigung durch Weinstein. Darin beschreibt die 34-jährige Hauptzeugin den Angeklagten als eine Art Vaterfigur. Außerdem warf Rotunno der Zeugin vor, aus freien Stücken ein sexuelles Verhältnis mit Weinstein angefangen zu haben. Zitat: "Sie mochten die Partys und sie mochten die Macht!"
Für viele ist die Anwältin eine "Verräterin des eigenen Geschlechts"
Aber warum verteidigt eine Frau den Mann, der vor zwei Jahren die MeToo-Debatte auslöste und seitdem in ihrem Fokus steht? Einen Mann, dem zahlreiche Sexualstraftaten zur Last gelegt werden? Nicht wenige bezeichnen sie dafür als "Verräterin des eigenen Geschlechts".
Die ihr wohl meist gestellte Frage beantwortet die 44-Jährige jedenfalls stets mit einem sachlichen, aber bestimmten Ton. "Meine Antwort lautet: Wie könnte ich ihn nicht verteidigen?" Als Anwältin sei es ihr Job, Angeklagte zu verteidigen – egal welchen Geschlechts, welcher Religion oder Ethnie. Jeder habe das Recht auf eine faire Verteidigung, so Rotunno im "Chicago Magazine".
Von einem schlechten Gewissen oder Mitleid gegenüber den Opfern fehlt deshalb auch jede Spur. Ehemalige Mandanten, darunter Modedesigner Elhadji Gueye und Anwalt Stanley Stallworth, beschreiben Rotunno als Kämpferin, die ihren Klienten wirklich zuhört. Neben dem Angeklagten, der seit seiner Rücken-OP eine Gehhilfe benötigt, wirkt Rotunno beim Betreten des Gerichtssaals noch stärker.
Von Weinsteins Unschuld zeigte sie sich in Interviews immer wieder überzeugt, sie sei aber auch nicht die "Moralpolizei", so Rotunno zu "ABC News". Der 67-Jährige Weinstein, der inzwischen eine Therapie gegen seine Sexsucht gemacht hat, werde aus ihrer Sicht zum "Sündenbock" für Dinge gemacht, die über Jahrzehnte passiert seien, und sei von den Frauen als Karriere-Türöffner ausgenutzt worden.
Keine Unterstützerin der Metoo-Bewegung
In ihrer Verteidigung verfolgt die Anwältin mit italienischen Wurzeln eine klare Linie: Alle sexuellen Kontakte sollen einvernehmlich gewesen sein. Leiten lässt sich Rotunno dabei angeblich von einem Satz ihres Vaters: "Deine Gefühle sollen nie deinen Intellekt vernebeln." Deshalb meint sie auch: "Es ist sehr gefährlich, allen Frauen zu glauben, ohne die gesamte Geschichte zu kennen." Frauen würden lügen und hätten das in der Vergangenheit auch getan, so die Anwältin im Interview mit "itv news".
Das "Band der Schwesternschaft" in der Metoo-Bewegung, die in Rotunnos Augen zu weit gegangen ist, könne die Erinnerung an Geschehnisse vernebeln. Die Metoo-Bewegung hat ihrer Meinung nach das Narrativ im öffentlichen Diskurs fest in der Hand. "In diesem Land sind wir an einem Punkt angelangt, wo eine Anklage ausreicht, um jemanden schuldig zu sprechen", so Rotunno zum "Chicago Magazine". In der Großstadt in Illinois hat Rotunno seit 15 Jahren eine eigene Kanzlei, Damon Cheronis ist ihr Kanzleipartner. Sie selbst soll allein in einer Wohnanlage leben.
Ihre Taktik: "victim blaming"
Um bei der Jury Zweifel an der Schuld ihres Mandanten aufkommen zu lassen, schreckt die Anwältin mit italienischen Wurzeln auch nicht davor zurück, die potenziellen Opfer selbst anzugreifen. Zu ihnen zählen neben den Hauptzeuginnen Jessica Mann und Miriam Haley auch bekannte Gesichter wie das von Angelina Jolie, Uma Thurman oder Ashley Judd. In den USA ist diese Taktik unter dem Namen "victim blaming" (zu Deutsch etwa "Täter-Opfer-Umkehr") bekannt.
"Wenn du nicht zum Opfer werden willst, geh nicht mit auf ein Hotelzimmer", sagte Rotunno zu "ABC News". Die Frauen hätten die Wahl gehabt, sich anders zu entscheiden. "Wenn du dich selbst in eine einvernehmliche Situation bringst, kann man es sich nicht Jahre später anders überlegen", so die Anwältin im Interview mit "Fox News".
Gefallen an der Rolle der Antiheldin
Weinstein ist Rotunnos erster wirklich prominenter Mandant, deshalb werden ihr auch immer wieder karrierefördernde Motive unterstellt. Unwohl scheint sich die 44-Jährige in der Rolle der Antiheldin nicht zu fühlen, auch wenn großer Druck auf ihr lastet. Verliert sie denn Fall, könnte Harvey Weinstein lebenslang hinter Gitter wandern.
Rotunno hält aber etwas ganz anderes für realistisch: "Ich glaube, Harvey kann stärker zurückkehren", sagte sie zu "itv news". Frühestens im März könnte die Öffentlichkeit mehr wissen – die Verhandlung ist auf zwei Monate angesetzt.
Verwendete Quellen:
- Chicago Magazine: "The Defender"
- Vanity Fair: "Who would defend Harvwey Weinstein?"
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