Der Konsum illegaler Drogen steigt in Deutschland seit Jahren an. Daran hat auch die weltweite Corona-Pandemie nichts geändert. Die Händler haben rasch neue Mittel und Wege zum Kunden gefunden. Das Augenmerk der Fahnder richtet sich insbesondere auf ein Bundesland.
Seit neun Jahren steigt in Deutschland die Zahl der Rauschgiftdelikte, die der Polizei bekannt werden. Der mit Abstand größte Anstieg (plus 12,2 Prozent) wurde 2019 bei Delikten im Zusammenhang mit Kokain verzeichnet. "Wir stellen fest, dass es keine Elite-Droge mehr ist", erklärte Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), in Berlin bei der Vorstellung des aktuellen Lagebildes zur Drogenkriminalität. Auch junge Menschen griffen vermehrt zu Kokain.
Einen leichten Rückgang gab es dagegen im Handel mit Crystal Meth. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig von der CSU, sieht darin auch das Ergebnis erfolgreicher Präventionsarbeit. Beispielsweise habe man 2015 begonnen, konsumierende Mütter anzusprechen, Leitlinien für die Behandlung von Abhängigen entwickelt und das Thema an Schulen in besonders betroffenen Gebieten besprochen. Ludwig kündigte an, nun die Kokain-Prävention zu einem neuen Schwerpunkt ihrer Arbeit zu machen.
Drogen kommen per Post
Obwohl der Drogenschmuggel durch Kuriere und der Straßenverkauf von Rauschgift in diesem Jahr durch Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie erschwert wurden, hat die Polizei in den vergangenen Monaten laut Münch "keine Knappheit auf dem Markt festgestellt".
Rauschgift sei weiter hergestellt sowie per Luftfracht und auf dem Seeweg transportiert worden. Auch der Konsum sei wohl konstant geblieben. Die Drogenhändler hätten sich sehr schnell umgestellt: Die Bestellung über Internet-Plattformen und der Versand kleinerer Mengen per Post - bevorzugt an Packstationen - hätten weiter zugenommen.
Dem Rauschgift-Lagebild zufolge wurden 2019 bundesweit 31 illegale Labors zur Herstellung synthetischer Drogen ausgehoben. Das entsprach einem Anstieg von rund 63 Prozent.
Umschlagplatz Nordrhein-Westfalen
Deutschland - und insbesondere Nordrhein-Westfalen - kommt laut BKA zudem eine bedeutende Funktion als Zwischenlager und Transitstaat für Chemikalien zu, die zur Rauschgiftherstellung in den Niederlanden bestimmt sind.
NRW wird von den Betreibern niederländischer Drogenlabors nach Erkenntnissen der Polizei häufig auch als Müllkippe missbraucht. Um ihre Herkunft zu verschleiern, würden Abfallprodukte der Drogenherstellung oft in Säcken mit gefälschten Etiketten deutscher Chemiehersteller oder -händler entsorgt, stellte das BKA fest.
Insgesamt stieg die Zahl der 2019 registrierten Rauschgiftdelikte um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 359.747 an. Die mit Abstand meisten Delikte standen im Zusammenhang mit Cannabis (217.929).
"Statt Ressourcen auf die Verfolgung von Konsumenten zu verschwenden, sollten Bund und Länder gezielt gegen die organisierte Drogenkriminalität und den Schwarzmarkt vorgehen", forderte der drogenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Wieland Schinnenburg. Einen Beitrag dazu könne die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene sein, die erhebliche Ressourcen bei den Ermittlungsbehörden freisetzen würde.
Münch: Liberalere Gesetze senken nicht die Zahl der Konsumenten
Münch erklärte, er sei nicht dagegen, diese Liberalisierungsdebatte zu führen. Ihm sei aber aus Ländern, die in der Frage der Strafbarkeit einen anderen Kurs fahren, nicht bekannt, "dass Konsumentenzahlen rückgängig sind". Auch ließen sich kriminelle Strukturen im Drogenhändler-Milieu durch eine Legalisierung von Cannabis nicht "trockenlegen".
Nach dem Betäubungsmittelgesetz wird in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert, wer rauscherzeugende Substanzen wie Cannabis unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt oder sie erwirbt. Formal ist der Konsum von Betäubungsmitteln wegen des Grundsatzes der Straflosigkeit der Selbstgefährdung in Deutschland straffrei - allerdings sind alle Handlungen, die dazu führen, strafbar.
Geht es dabei lediglich um geringe Cannabis-Mengen zum Eigenverbrauch, kann von einer Bestrafung abgesehen werden. Der Begriff "geringe Menge" wird von Bundesland zu Bundesland allerdings unterschiedlich definiert. (dpa/hau)
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