Um der illegalen Migration an den Grenzen Einhalt zu gebieten, will Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Kontrollen an den Grenzen ausweiten. Bei den Polizeigewerkschaften stößt diese Ankündigung auf ein geteiltes Echo. Ein Experte sieht dafür vor allem einen Grund.

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Verstärkte stationäre Grenzkontrollen an der Deutschen Außengrenze? Lange hat sich Innenminister Nancy Faeser gegen diese Idee gesperrt. Trotz politischen Drucks von verschiedenen Seiten, angesichts der hitzig geführten Debatte über illegale Migration. Doch am Montagabend folgte die Kehrtwende. Faeser kündigte an, doch zeitlich begrenzt stationäre Grenzkontrollen in Zusammenarbeit mit Tschechien und Polen vorzubereiten.

Auf Zustimmung stieß die Ankündigung bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Man sei froh, dass Ministerin Faeser "zur Einsicht gekommen ist", wie Heiko Teggatz, stellvertretender DPolG-Bundesvorsitzender, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte. Wie Teggatz dem Deutschlandfunk am Wochenende sagte, fordere man einen enstprechenden Schritt seit Monaten. Die Zahl der illegalen Flüchtlinge sei "alarmierend" und die "Länder und Kommunen, die können schlichtweg nicht mehr". Deswegen müsse etwas passieren, und zwar "unmittelbar an der Grenze".

Kritisch sieht das derweil hingegen die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Stationäre und statische Kontrollen lehne man ab, wie GdP-Vorsitzender Lars Wendland auf Anfrage gegenüber unserer Redaktion erklärte. Erika Krause-Schöne, Vizevorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, sprach in der "Rheinischen Post" davon, dass diese "nicht effektiv" seien und bezeichnet sie sogar als "Augenwischerei".

Dass die beiden Gewerkschaften die stationären Grenzkontrollen unterschiedlich beurteilen, wundert Polizeiwissenschaftler Rafael Behr nicht. Der ehemalige Polizist ist Professor an der Akademie der Polizei Hamburg und befasst sich schon länger mit beiden Gewerkschaften. Die Ursache für die gegensätzlichen Reaktionen sieht er in deren unterschiedlichen Grundhaltungen.

GdP und DPolG vertreten Großteil der Polizei in Deutschland

Politisch sei "die GdP traditionell SPD-orientiert" so Behr. Die DPolG sei hingegen eher der CDU nahe und in ihrer Haltung "rechtskonservativ". Deshalb sei es für sie logisch, vermitteln zu wollen, alles zu tun "damit wir unsere Leute an der Grenze in die Lage versetzen, aktiv diese Flüchtlingsbewegung fernzuhalten", erklärt Behr. Die GdP sei derweil so "durchsichtig, dass sie sagt, wir haben das Personal dafür gar nicht."

In Deutschland gibt es drei große Berufsverbände für die Polizei. Neben den laut Behr "uniformierten Gewerkschaften" GdP und der DPolG, gibt es noch den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK). Weil dieser aber keinen Gewerkschaftsstatus habe und GdP und DPolG "den allergrößten Teil der Polizei" repräsentieren, spielt der in öffentlichen Debatten oft nur eine untergeordnete Rolle. Höchstens bei kriminalpolitischen Themen schalte der BdK sich ein. Die GdP ist dabei die größere und ältere der beiden Gewerkschaften. Eigenen Angaben zufolge vertritt sie rund 200.000 Mitglieder. Bei der DPolG sind es halb so viele.

Die DPolG sei laut Behr als "konservative Reaktion" zur GdP gebildet worden. Ihr Markenzeichen sei "die Provokation" und der "harte Spruch", so Behr. Diese Grundhaltung der DPolG sei auch der Grund, weshalb es zwei Gewerkschaften gebe, die denselben Personenkreis vertreten und ihren Mitgliedern nahezu dieselben Leistungen bieten würden.

Positionen der Gewerkschaften verschwimmen

Allerdings würden zwischen den beiden Gewerkschaften "in letzter Zeit die Positionen verschwimmen". Früher sei die GdP in ihren Positionen deutlich sozialdemokratischer gewesen. Die GdP habe etwa gefordert, "Polizisten müssten an Hochschulen ausgebildet werden und nicht in Kasernen. Man müsse eine Bürgerpolizei werden." Damals hätte die Gewerkschaft eine "explizit sozialdemokratische" Haltung an den Tag gelegt. Inzwischen seien sie von "der linkeren Mitte in die rechte Mitte gerutscht."

Behr gibt in Bezug auf die zwei Organisationen zu bedenken, dass diese mit "Arbeiterbewegung und mit Gewerkschaftstraditionen überhaupt nichts zu tun" hätten. Denn beiden würde fehlen, "was alle anderen Gewerkschaften haben. Nämlich die Möglichkeit mit dem Arbeitgeber in Auseinandersetzung bis zum Arbeitskampf zu gehen." Anders ausgedrückt: Ihnen fehlt das Streikrecht. Deshalb sieht Behr in den Gewerkschaften "eher Lobbyverbände, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit sagen, wir haben zu wenig Personal und das Personal hat zu wenig Geld."

Forscher: Gewerkschaften machen aktiv Polizeipolitik

Kritische beurteilt der Experte auch, dass sich die Gewerkschaften regelmäßig als Experten für "die taktischen und strategischen" Angelegenheiten der Polizeiarbeit darstellen würden. Das sei auch jetzt in der Debatte, um stationäre Grenzkontrollen zu beobachten.

Behrs Problem damit: Gewerkschaften machen nicht nur Personalvertretung, sondern aktiv Polizeipolitik. Doch keiner der Gewerkschaftsfunktionäre, der sich dazu nun öffentlichkeitswirksam äußere, würde durch seine Vita "nachweisen müssen, dass sie für das, was sie sagen, auch das Expertenwissen mitbringen".

Dennoch würden sie in der Öffentlichkeit beanspruchen, zu wissen was, aus Sicht der Polizei das beste Vorgehen wäre. Problematisch sei dabei vor allem, dass die Gewerkschaften ihre Einschätzungen "weder theoretisch noch empirischen begründen."

Zur Person

  • Professor Dr. Rafael Behr arbeitete von 1975 bis 1990 als Polizeibeamter in Hessen. Nach einem Soziologie- und Psychologiestudium wechselte er in die Wissenschaft. Von 2008 bis März 2024 war er Professor für Polizeiwissenschaften mit Schwerpunkt Kriminologie und Soziologie an der Hochschule der Polizei Hamburg. - [Anm. d. Red. dieser Text wurde erstmals im Septembe 2023 veröffentlicht]

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur
  • Homepage der Deutschen Polizeigewerkschaft
  • Homepage der Gewerkschaft der Polizei










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