Als Metzger die Massen begeistern? Alexander Richter gelingt das regelmäßig. Der Fleischer aus Niedersachsen ist zum Internet-Star geworden. Wie er das geschafft hat, kann er sich selbst nicht ganz erklären. Doch für sein Geschäft macht es sich bezahlt.

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Seine Fans kommen aus ganz Europa, um ihn zu sehen und ein Foto mit ihm zu machen. Doch er ist kein bekannter Musiker oder etwa Fußballstar. Alexander Richter ist Metzger. "Die verrückteste Anreise war aus Gran Canaria", schildert der 22-Jährige. Aber auch aus der Schweiz oder aus Wien pilgerten schon seine "Follower" zur Metzgerei in die kleine niedersächsische Gemeinde Wolsdorf mit rund 1.000 Einwohnern.

Wolsdorf liegt im Landkreis Helmstedt nahe der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Richter sitzt mit weißer Arbeitsschürze und Kappe an einem Tisch in einem ruhigen Nebenraum des Betriebes. Zu seinen Füßen liegt Butch, sein Hund. Meist seien es junge Menschen, die wegen seiner Videos zu ihm kämen, berichtet Richter.

"Die sind durchgeknallt. Die freuen sich, die fahren mit fünf Jungs los, kommen hierher zum Fleischkäsebrötchen-Essen und fahren wieder nach Hause", sagt er. Doch warum ist er so einer breiten Öffentlichkeit bekannt?

Kurze Videos und der "Böhmische Traum"

Angefangen habe alles etwa 2016, sagt Richter. Alex, wie er sich selbst nennt, drehte damals ein Video für die Facebook-Seite der Metzgerei seines Vaters und warb für den Laden. "Wir wollten junge Leute in den Laden kriegen", sagt der junge Fleischermeister. "Aber ich habe gesagt, bei Facebook kriegen wir nur die Generation 40 plus. Wir müssen irgendetwas machen, um die jüngeren Leute zu bekommen." Da habe er gedacht: Instagram und Tiktok seien dafür eine gute Variante.

Seit mehr als einem Jahr dreht Alex nun schon regelmäßig mit seinem Vater Christoph und seiner kleinen Schwester Madita kurze Videosequenzen, in denen er eine Auswahl an Fleischsorten mit lautstarker Stimme in der Metzgerei anbietet. Im Hintergrund erklingt meist das Lied "Böhmische Traum". Die Videos werden dann immer gegen sechs Uhr morgens auf den Social-Media-Kanälen hochgeladen und oftmals hunderttausendfach geklickt.

"Nur Alex darf mich am Morgen so anschreien", scherzt ein Fan in einem Kommentar samt Herz-Emoji. Ein anderer schreibt, er mache gerade seinen Führerschein und werde, sobald er bestanden habe, direkt zu ihnen kommen. "Die Videos sind mittlerweile meine Tagesroutine. Gibt nichts Schöneres, als morgens von Alex und Madita angeschrien zu werden", kommentiert jemand anderes unter einem seiner Videos.

Auf Tiktok bekam die Metzgerei schon über 1,5 Millionen Likes für die Videos. Auf Instagram und Tiktok hat der Influencer plattformübergreifend mittlerweile mehr als hunderttausend Follower.

Social-Media-Werbung kurbelt die Produktion an

Richter, der sich seit 2019 nach einer Fortbildung auch Fleischsommelier nennen darf, kann sich den Erfolg so richtig aber auch nicht erklären. "Wir machen ja im Prinzip eigentlich immer das Gleiche. Es ist ja immer der "Mettwoch" oder es sind die Fleischkäse-Videos." Er glaube aber auch, Grund für die Vielzahl an Aufrufen sei "das Authentische" an den Videos: "Wir verstellen uns nicht für die Kamera, sondern wir sind diese typischen Fleischer und das soll ja auch so bleiben in den Videos."

Richter selbst hatte sich zuvor lange Zeit überhaupt nicht mit Social Media beschäftigt. Er habe zwar einen Tiktok-Account gehabt und sich abends auf der Couch ab und zu Videos auf den Plattformen angeschaut, aber er sei "nie so wirklich der Typ" dafür gewesen. "Und deswegen war es eigentlich auch so überraschend für mich, dass es überhaupt so gut ankam bei den Leuten", sagt er.

Der Erfolg im Internet wirkt sich auch auf die Kundschaft in der Metzgerei aus. "Also ich staune wirklich jeden Tag selber, wie viele Leute hier schon morgens Viertel vor sechs stehen. Das ist Wahnsinn." Die Produktion habe sich seither fast vervierfacht, beim Fleischkäse sogar noch deutlich mehr. Früher, bevor die Videos viral gingen, habe die Metzgerei etwa jeden Monat 50 Kilo Fleischkäse produziert, sagt Richter. "Und jetzt sind wir jede Woche bei 200 Kilogramm."

Immer weniger Fleischereien

Dabei ist es keine Selbstverständlichkeit für Fleischereien in Deutschland, so erfolgreich einen Betrieb zu führen. Im Durchschnitt schließen jedes Jahr etwa 800 Fleischereien, während nur rund 500 neu eröffnet oder übernommen werden, wie der Deutsche Fleischer-Verband mitteilte. Die Zahl der Schließungen im Jahr 2022, die mit 1.088 höher als üblich war, sei vermutlich auf die massiv gestiegenen Kosten für Material und Energie sowie den Mangel an Personal und die hohe Inflation zurückzuführen.

Dass die Zahl der Betriebe und Filialen seit Jahren zurückgehe, liege jedoch weniger an einem Sterben der bestehenden Fleischereien, sondern vielmehr an einer zu geringen Anzahl von Neugründungen und Übernahmen bestehender Betriebe, sagt Reinhard von Stoutz, Geschäftsführer des Deutschen Fleischer-Verbandes.

Die meisten Fleischereien stünden wirtschaftlich stabil da und seien vor allem dann erfolgreich, wenn sie langfristige Trends behutsam aufgreifen. Zu diesen Trends zählt von Stoutz veränderte Ernährungsgewohnheiten und mehr Aufmerksamkeit für eine artgerechte Tierhaltung und qualitativ hochwertiges Fleisch.

Die Suche nach qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalte sich aber schwierig - auch in Wolsdorf, sagt Vater Christoph Richter, der sich mit der Metzgerei 2002 selbstständig machte.

Oma hilft in der Metzgerei mit

Auch der Uropa von Alex war schon Metzgermeister und hatte in Schlesien eine eigene Fleischerei. "Nach dem Krieg vertrieben, ist mein Uropa dann mit meinem Opa in den Ruhrpott geflüchtet. Dort hat er dann meine Oma kennengelernt", erklärt er. Irgendwann seien sie dann in Helmstedt gelandet, in der Nähe von Wolsdorf.

Seine 84 Jahre alte Großmutter arbeitet auch heute noch mit im Familientrieb und steht am Verkaufstresen. "Ich glaube, die kriegen wir auch nicht raus. Die macht das mit Leib und Seele", erzählt er stolz.

Alex' Traumberuf früher war eigentlich Pilot. "Aber ich sage es so, wie es ist: Ich war zu faul in der Schule." Irgendwann fing er an, bei seinem Vater im Betrieb mitzuarbeiten. "Und dann habe ich gemerkt, das macht eigentlich echt Spaß und es ist ein cooler Beruf", sagt Alex.

Dass er mit seinen Fleisch-Videos nun Millionen Menschen erreicht und begeistert, habe ihm einen weiteren Schub gegeben. "Neulich war ein kleines Mädchen da, die Kleine war erst neun. Die hat fast geweint, als ich kam. Und das freut einen dann selber, wenn die Kids Spaß daran haben und sich über die Videos freuen." (dpa/thp)

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