Auch in wohlhabenden Staaten haben Kinder oft große Probleme, wie eine Unicef-Studie zeigt. Die Kinder in Deutschland sind nur mittelmäßig zufrieden. Vor allem das Schließen von Freundschaften fällt ihnen hierzulande schwer.
Die Lebenszufriedenheit deutscher Kinder ist einer Unicef-Studie zufolge geringer als in anderen Industrieländern. Nach der am Donnerstag veröffentlichten repräsentativen Untersuchung des Kinderhilfswerks geben in Deutschland 75 Prozent der Mädchen und Jungen an, mit ihrem Leben sehr zufrieden zu sein.
In den Niederlanden sind das 90 Prozent, in der Schweiz 82 Prozent und in Frankreich 80 Prozent. Der niedrigste Wert wurde mit 53 Prozent in der Türkei gemessen, gefolgt von Japan und Großbritannien. "75 Prozent ist einerseits ein guter Wert, man kann es aber auch umdrehen und sagen: Jedes vierte Kind ist nicht sehr zufrieden", sagte der Sprecher von Unicef Deutschland in Köln, Rudi Tarneden. "Und das ist im internationalen Vergleich eben gar nicht so gut."
Sorgen der Eltern spielen wichtige Rolle
Dabei spiele sicherlich mit, dass die Eltern vieler deutscher Kinder stärker sorge- und angstgetrieben seien als in anderen Ländern. "Wenn die Erwachsenen wenig Zuversicht vermitteln, spiegelt sich das in den Einstellungen der Kinder."
Auffällig ist, dass in Deutschland lediglich 72 Prozent der Mädchen und Jungen sagen, es falle ihnen leicht, Freundschaft zu schließen. In Rumänien sagen das 83 Prozent. Deutschland liegt hier im unteren Bereich. Das bedeute, dass die Förderung sozialer Kompetenzen in der Schule größeres Gewicht bekommen müsse, sagte Tarneden.
Neben Estland und Polen gibt es in Deutschland auch die meisten Heranwachsenden, die sich zu dick oder zu dünn finden. Trotz einer langen Phase der Hochkonjunktur sei auch die Kinderarmut in Deutschland relativ konstant geblieben, sagte Tarneden.
Chile, Bulgarien und die Vereinigten Staaten sind Schlusslichter
Für die Studie, erstellt vom Unicef-Forschungszentrum Innocenti in Florenz, wurde das Wohlbefinden von Kindern in 41 Ländern der OECD und der Europäischen Union verglichen. Dabei ging es um mentale und körperliche Gesundheit sowie um soziale und intellektuelle Kompetenzen.
In der Gesamtbewertung am besten wurde in der Studie das Wohlbefinden von Kindern in den Niederlanden, Dänemark, Norwegen, der Schweiz und Finnland eingestuft. Deutschland landete mit dem 14. Platz im oberen Mittelfeld.
Am schlechtesten schnitten Chile, Bulgarien und die Vereinigten Staaten ab. "Wohlstand bedeutet nicht automatisch, dass alle Kinder sich gut entwickeln können", sagte Tarneden. "Was wir in den westliche Industriegesellschaften haben, ist eine Vielfalt von kindlichen Lebenslagen. Die perfekte Familie aus dem Werbefernsehen ist eine Illusion. Viel zu viele Kinder werden abgehängt, auch bei uns."
Corona-Pandemie stellt viele vor Herausforderung
Die Belastungen durch die Corona-Pandemie sind nach Einschätzung von Unicef vielfach enorm. Vor allem die langen Schulschließungen hätten die mentale und körperliche Gesundheit vieler Kinder gefährdet.
"Es ist ja für jeden einsichtig, dass Kinder, die ein stabiles Zuhause haben und dort gefördert und unterstützt werden, besser aus der Krise kommen werden als diejenigen, die tagsüber allein in einer Hochhaussiedlung sitzen und sich mit Spielen am PC oder auf dem Handy ablenken", sagte Tarneden. Generell gelte, dass Corona alle sowieso schon vorhandenen Probleme noch einmal verstärke. "Insofern wirkt Corona wie ein gesellschaftlicher Brennspiegel", sagte Tarneden. (awa/dpa)
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