Wie ging der mutmaßlich rassistische Attentäter von Hanau vor? Und hatte er Unterstützer? Diese und andere Fragen beschäftigen die Ermittler nach den tödlichen Schüssen. In der politischen Debatte geht es vor allem um eine Partei - die AfD.

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Nach dem rassistisch motivierten Anschlag von Hanau haben zahlreiche Politiker der AfD eine Mitschuld gegeben. "Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt", sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag). Unterdessen laufen die Ermittlungen zu der Bluttat mit elf Toten am Freitag mit Hochdruck weiter.

Pistorius: Ausländischen Mitbürgern würden Menschenrechte abgesprochen

Pistorius beklagte, dass ausländischen Mitbürgern die Menschenwürde abgesprochen werde. "Das ist so gefährlich, weil es manche erst dazu bringt, zur Tat zu schreiten. Hier ist eine fatale Enthemmung in Gang geraten, und die AfD trägt daran Mitschuld."

Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle fordert im Gespräch mit der "Rheinischen Post" (Freitag) Konsequenzen für die staatliche Sicherheitspolitik. Insbesondere der Umgang mit der AfD müsse verändert werden. "Der Verfolgungsdruck auf die Überschneidung von Rechtsterrorismus und AfD muss nach Hanau deutlich zunehmen."

Am Mittwochabend hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau aus mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Später tötete er nach Überzeugung der Ermittler seine Mutter und sich selbst.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte der "Rheinischen Post" (Freitag): "Wer Rechtsextremen in einer Partei Deckung gibt, trägt Mitverantwortung dafür, wenn deren Ideologien Gehör finden." Der Mannheimer Politikwissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck bezeichnete im "Mannheimer Morgen" (Freitag) rechte Hetze und den Aufruf des AfD-Politikers Björn Höcke zum politischen Umsturz als "Lizenz für Anschläge".

Heil bezeichnet AfD als geistige Brandstifter

Zuvor hatten bereits zahlreiche Politiker der AfD Vorwürfe gemacht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnete die Partei als geistige Brandstifter, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nannte sie den "politischen Arm der extremen Rechten". Norbert Röttgen, der sich für den CDU-Vorsitz bewirbt, sagte der "Bild"-Zeitung: "Wir müssen das Gift bekämpfen, das von der AfD und anderen in unsere Gesellschaft getragen wird."

AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. "Ich halte es für schäbig, in der Phase so etwas zu instrumentalisieren", sagte Gauland am Donnerstag in Potsdam. Es handele sich um einen offensichtlich völlig geistig verwirrten Täter, "und von Links und Rechts wollen wir hier gar nicht reden. Das ist ein Verbrechen."

Das Argument, der Täter sei womöglich psychisch krank gewesen, wollte der CDU-Politiker Armin Laschet in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" nicht gelten lassen. "Es gab immer schon psychisch Kranke. Die sind aber nicht zu Mördern geworden. Sie werden zu Mördern, weil in einer Gesellschaft diese Aggression geschürt wird." Sowohl anonyme Hassrede im Internet als auch die Sprache "gewählter Abgeordneter in Landtagen" ließen "immer erwarten", dass es "einen Irren" geben werde, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Generalbundesanwalt ermittelt weiter - gab es Mitwisser?

Der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt dürften unter anderem der Frage nachgehen, ob der Todesschütze von Hanau Helfer oder Mitwisser hatte. Der 43-Jährige Deutsche hatte an mehreren Orten auf seine Opfer geschossen, die Getöteten waren zwischen 21 und 44 Jahre alt. Unter den Todesopfern ist ein rumänischer Staatsbürger, wie Präsident Klaus Iohannis in der Nacht auf Freitag via Twitter bestätigte. Rumänischen Medienberichten zufolge handelt es sich um einen 23 Jahre alten Mann.

Die Ermittler gehen von einer "tiefen rassistischen Gesinnung" bei dem Sportschützen aus. Darauf deuten Videobotschaften und ein Pamphlet hin, die der Mann im Internet hinterlassen hat. Zwei Waffen besaß er laut der zuständigen Kreisbehörde legal.

Viele Fragen sind noch offen, unter anderem, ob der Schütze psychisch krank war und an Wahnvorstellungen litt. Zum Ablauf der Gewalttaten am Mittwochabend, die gegen 22:00 Uhr ihren Anfang nahmen, haben die Ermittler bislang nur wenige Informationen veröffentlicht. Der Täter war in einem Frankfurter Schützenverein aktiv, ist dort nach Angaben des Vereins aber nie als ausländerfeindlich aufgefallen.

Politiker riefen als Reaktion auf das Verbrechen zum Zusammenhalt in der Gesellschaft auf. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am Donnerstagabend die Tatorte in Hanau und traf gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender im Rathaus etwa 20 Angehörige von Opfern. Anschließend nahm er an einer Gedenkveranstaltung teil.

"Heute ist die Stunde, in der wir zeigen müssen: Wir stehen als Gesellschaft zusammen, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir laufen nicht auseinander", sagte Steinmeier bei einer Mahnwache vor rund 5.000 Teilnehmern. Er sprach von einer "Terrortat", da sie Angst und Schrecken verbreiten sollte. Auch in zahlreichen anderen Städten gab es Gedenkveranstaltungen und Mahnwachen. Am Brandenburger Tor in Berlin nahmen auch zahlreiche Spitzenpolitiker daran teil.

Bouffier: Gemeinsames Vorgehen gegen "Klima von Hetze und Gewalt"

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mahnte zum gemeinsamen Vorgehen gegen das "Klima von Hetze und Gewalt". Dem müsse die Gesellschaft "nicht nur heute hier in Hanau, sondern überall" entgegentreten, sagte er am Donnerstagabend im ZDF. Es sei eine "immerwährende Aufgabe", alle Menschen zu schützen.

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Donnerstag Hanau besucht und sich über den Anschlag informiert. Er kündigte an, politische Konsequenzen zu prüfen. Möglicherweise seien auch weitere Gesetzesänderungen notwendig. Was sich im Bereich des Rechtsextremismus zuletzt entwickelt habe, sei sehr besorgniserregend. Zusammen mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wird sich Seehofer am Freitag bei einer Pressekonferenz in Berlin äußern. (mgb/dpa)

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