Atmet denn niemand mehr auf, wenn Migranten im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet werden? So scheint es, während die europäischen Staaten um eine Lösung für die blockierten Hilfsschiffe ringen. Nun schaltet sich der Papst ein.

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Ohne Aussicht auf einen sicheren Hafen harren zwei deutsche Hilfsorganisationen weiter mit geretteten Migranten an Bord ihrer Schiffe im Mittelmeer aus. Malta und Italien rückten auch am Sonntag nicht von ihrer Linie ab und verwehrten weiter die Einfahrt in ihre Häfen. Auch die Bundesregierung beendete die Hängepartie nicht. Papst Franziskus richtete einen "betrübten Appell" an die europäischen Staats- und Regierungschefs, sich solidarisch mit den 49 Menschen zu zeigen.

Seit 22. Dezember an Bord

"Das Land ist zum Greifen nah", sagte der Sprecher der Organisation Sea-Watch, Ruben Neugebauer, am Wochenende. Die Schiffe von Sea-Watch und Sea-Eye befinden vor der maltesischen Küste, doch anlegen dürfen sie dort nicht. Die 32 Menschen an Bord der "Sea-Watch 3" wurden bereits am 22. Dezember gerettet. Weihnachten verging, Silvester verging. Die Europäische Union habe die Geretteten in "Geiselhaft" genommen, sagte Neugebauer.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Samstag in Berlin, man sei zur Aufnahme der Menschen bereit - allerdings im Rahmen einer "breiten europäischen Verteillösung". Die Bundesregierung setze sich wie in ähnlichen Fällen zuvor für eine rasche Lösung "im Rahmen der gemeinsamen europäischen Verantwortung und Solidarität" ein und habe sich bei der Europäischen Kommission bereit erklärt, einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Brüssel setzte auch am Wochenende "intensive Kontakte" mit Mitgliedstaaten fort.

Italiens Häfen dicht

Es ist nicht das erste Mal, dass Rettungsschiffe auf dem Meer blockiert sind, während die EU-Mitgliedstaaten um eine Lösung für die Menschen ringen. Seit Antritt der populistischen Regierung in Italien im Sommer sind die dortigen Häfen de facto dicht für die Schiffe der Hilfsorganisationen. Der rechte Innenminister Matteo Salvini verteidigte seinen Kurs: "Italien ist viel zu lange ein offener Hafen gewesen, während Europa auf die Migranten gepfiffen hat und uns ausgelacht hat. Jetzt reicht es", sagte der Vize-Premier der Tageszeitung "Il Messaggero" (Sonntag).

Zuvor hatte der andere stellvertretende Regierungschef, Luigi Di Maio, eine etwas andere Botschaft gesandt. Italien werde Kinder und deren Mütter von den Schiffen aufnehmen, wenn Malta die Schiffe anlanden lasse. Er wies allerdings zurück, Salvini damit übergangen zu haben. "Ich bin einverstanden mit der harten Linie: Wir können uns nicht alleine der Probleme der Europäischen Union in Hinblick auf die Migranten annehmen", sagte er dem "Corriere della Sera".

Lage an Bord kritisch

An Bord der Schiffe wird die Lage nach Angaben von Sea-Watch mittlerweile immer schwieriger. Einige Migranten nähmen keine Nahrung mehr zu sich, andere hätten wegen Dehydrierung behandelt werden müssen, berichtete Kapitän Anne-Paul Lancel am Sonntagabend, als er bei einer Pressekonferenz in Valetta telefonisch zugeschaltet wurde.

Bereits am Freitag war es zu einem kritischen Zwischenfall gekommen: Ein Migrant sprang aus Verzweiflung ins Wasser, um nach Malta zu schwimmen. Er wurde gerettet und wieder an Bord genommen. Auf der "Professor Albrecht Penck" der Regensburger Organisation Sea-Eye warten weitere 17 Migranten auf die Erlaubnis zum Anlaufen eines Hafens.

"Man muss sich vorstellen, dass die Leute Wochen, Monate, manche sogar schon länger unterwegs sind, häufig traumatisiert sind durch das, was sie selbst erfahren haben oder, was anderen passiert ist auf diesem Weg", sagte Frank Dörner, Arzt an Bord der "Sea-Watch 3", dem Deutschlandfunk. Die derzeitige Situation der Ungewissheit sei ebenfalls hoch traumatisierend.

(dpa/af)

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