Bis der gerade begonnene Teil-Lockdown im Kampf gegen die Pandemie Wirkung zeigen kann, dürfte es noch dauern. Erst einmal schlägt das zuletzt höhere Ausbreitungstempo des Virus bis in Kliniken durch.
In der zweiten Corona-Welle in Deutschland nehmen schwere Fälle zu. Die Zahl der registrierten Toten im Zusammenhang mit dem Virus erhöhte sich innerhalb eines Tages deutlich um 151 auf nun insgesamt 10 812, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwoch mitteilte. Das ist nach RKI-Angaben der höchste Anstieg binnen 24 Stunden seit dem 6. Mai. Auch in Intensivstationen der Krankenhäuser werden - wie befürchtet - zusehends mehr Corona-Patienten behandelt. Die Zahl neuer Infektionen bleibt vorerst hoch. Politik und Mediziner diskutieren über mehr Schutz für das Gesundheitspersonal und Risikogruppen.
Die Zahl gemeldeter neuer Corona-Fälle stieg laut RKI binnen eines Tages um 17 214. Insgesamt sei aktuell "eine zunehmende Beschleunigung der Übertragungen" in der Bevölkerung zu beobachten, hieß es im Lagebericht am Dienstagabend. Bezogen auf ganz Deutschland gab es nun 125,8 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner über sieben Tage - am vergangenen Freitag waren es erstmals mehr als 100 gewesen. Um den rasanten Anstieg zu bremsen, greift seit Montag ein Teil-Lockdown mit Schließungen etlicher Einrichtungen im November.
R-Wert wieder deutlich unter 1
Auf einen zumindest leicht gebremsten Anstieg könnten erste Anzeichen hindeuten. Die Reproduktionszahl (R-Wert) lag laut RKI-Lagebericht am Mittwoch bei 0,81 (Vortag: 0,94). Das heißt, dass ein Infizierter im Mittel etwas weniger als einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab. Zudem gibt das RKI ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Es bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert am Mittwoch bei 0,92 (Vortag: 0,98). Er zeigt das Geschehen von vor 8 bis 16 Tagen.
Ob das leichte Sinken der R-Werte ein stabiler Trend oder eine Schwankung sei, könne man noch nicht sagen, hatte RKI-Vizepräsident Lars Schaade am Dienstag gesagt. Um in eine wieder kontrollierbare Lage zu kommen, müsse die Reproduktionszahl weiter sinken und eine längere Zeit deutlich unter 1 liegen, bei 0,7 oder noch niedriger. Daten des Corona-Monitors des Bundesinstituts für Risikobewertung hatten gezeigt, dass sich die Befragten schon in der vergangenen Woche vorsichtiger als zwei Wochen zuvor verhielten. Bis sich Effekte des Teil-Lockdowns zeigen, dauert es wegen der Zeit von Ansteckung zu Symptomen, Test und Erfassung nach RKI-Angaben zwei bis drei Wochen.
Anteil der älteren Patienten steigt wieder
Seit Anfang September steigt der Anteil älterer Menschen unter den Covid-19-Fällen laut RKI wieder. Das sei "besorgniserregend, da diese Personen schwerer an Covid-19 erkranken, ein höheres Sterberisiko haben und häufiger eine intensivmedizinische Therapie benötigen". Die Zahl intensivmedizinisch behandelter Covid-19-Fälle hat sich demnach in den vergangenen zwei Wochen von 879 Patienten (20.10.) auf 2388 Patienten (3.11.) fast verdreifacht. Aktuell waren im entsprechenden Register bundesweit etwa 7200 noch belegbare Intensivbetten erfasst.
Die SPD dringt auf einen gesicherten Schutz der Mitarbeiter im Gesundheitswesen. "Wir müssen verhindern, dass das Gesundheitssystem dadurch zusammenbricht, dass das Personal der Gesundheitsämter, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser ausfällt", sagte Fraktionsvize Bärbel Bas. Im Land Bremen sollen Risikogruppen von Mitte November an kostenlose FFP2-Masken erhalten. "Gedacht sind die Masken für ältere Bürgerinnen und Bürger, also ab 65 Jahre aufwärts, und für Menschen mit Vorerkrankungen", sagte Senatssprecher Christian Dohle.
Generell nur Risikogruppen vor dem Virus zu schützen, wäre aus Sicht der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek weder möglich noch machbar. Das RKI liste Vorerkrankungen auf, die ein Risiko für einen besonders schweren Verlauf haben. Lege man diese Liste zugrunde, seien das 21,9 Millionen Menschen, sagte Ciesek im NDR-Podcast (Dienstag). "Wenn man sich jetzt mal überlegt was das bedeutet: 21,9 Millionen Menschen sollen geschützt werden vor den restlichen 60 Millionen, dann glaube ich merkt man, wie irrsinnig und wie schwierig das ist." (br/dpa)
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