Die Coronavirus-Pandemie verhindert die Fortsetzung des Sommermärchen-Prozesses in der Schweiz. Dass ein Urteil ergeht, wird immer unwahrscheinlicher.
Die schweren Türen des Bundesstrafgerichts in Bellinzona blieben auch am Mittwoch für die Öffentlichkeit geschlossen, die Internet-Warnung in roter Schrift verheißt für den Deutschen Fußball-Bund nichts Gutes.
Auch der ohnehin schon wacklige Sommermärchen-Prozess in der Schweiz muss in der Coronavirus-Krise ausgesetzt werden, vorerst bis zum 20. April. Nur sieben Tage später verjähren die Vorwürfe gegen Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt. Ein Urteil und Erkenntnisse zur dubiosen Millionenzahlung werden immer unwahrscheinlicher.
"Schwierig, Verfahren fristgerecht zum Ende zu führen"
"Mit Blick auf die Lage in ganz Europa und die Gesundheit aller Beteiligter ist es die richtige Entscheidung und für uns absolut nachvollziehbar", sagte DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge. "Wir wissen gleichwohl, dass es nun sehr schwierig sein wird, das Verfahren fristgerecht zu einem geordneten Ende zu führen." Der Verband tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. Bislang mutet die Verhandlung jedoch eher skurril an anstatt für Aufklärung zu sorgen.
Angeklagt ist neben den früheren DFB-Präsidenten Niersbach (69) und Zwanziger (74) sowie dem früheren DFB-Generalsekretär Schmidt (78) auch der Schweizer Ex-Generalsekretär des Weltverbandes FIFA, Urs Linsi (70). Zwanziger, Schmidt und Linsi wegen Betruges, Niersbach wegen Gehilfenschaft zum Betrug.
Zwanziger und Schmidt waren der Eröffnung des Verfahrens in der vergangenen Woche aber aus gesundheitlichen Gründen ferngeblieben. Die Richterin in Bellinzona bezweifelte die Zulässigkeit der Atteste und zog einen Gutachter hinzu. Der erreichte die deutschen Ärzte nicht. Zwanziger reagierte in der Heimat erzürnt.
Alle vier Beschuldigten gehören zur Risikogruppe
Linsi und Niersbach erschienen zwar zunächst vor Gericht. Am dritten Termin teilte Niersbachs Anwalt aber "via E-Mail mit, dass sein Mandant aufgrund des Auftretens eines Coronavirus-Verdachts im familiären Umfeld sich in eine selbstverordnete Quarantäne begeben habe", wie das Gericht beschrieb.
Gleichzeitig wurden die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus im Kanton Tessin, wo Bellinzona liegt, immer weiter verschärft. Für Menschen über 65 gilt die Ansage, möglichst zu Hause zu bleiben. Alle vier Beschuldigten gehören zu dieser Risikogruppe.
"Wenn die Grenzen wieder offen sind und die in Deutschland wohnenden Beschuldigten in die Schweiz reisen können und wenn die Lage in der Schweiz dann eine Verhandlung erlaubt, könnte das Verfahren theoretisch wieder aufgenommen werden und entsprechend weitergehen", sagte Niersbachs Anwalt Bernhard Isenring. "Ob, respektive wann dies alles eintreten wird, ist heute noch nicht abzusehen."
Gegen Zwanziger und Schmidt kann aber nur dann in Abwesenheit verhandelt werden, wenn sie im bisherigen Verfahren die Gelegenheit gehabt hätten, sich zu den Vorwürfen zu äußern und die Beweislage ein Urteil in Abwesenheit zulässt.
"Dies scheint nicht der Fall zu sein", so das Gericht. Hinzu kommen die Wirrungen rund um Bundesanwalt Michael Lauber, gegen den wegen seiner Nähe zu FIFA-Präsident Gianni Infantino ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Es seien "Umstände zu Tage" gebracht worden, "die umfassende Beweisverwertungsverbote zur Folge haben könnten", schrieb das Gericht. Das klingt wenig zuversichtlich.
Den DFB hatten die Enthüllungen rund um die Heim-WM 2006 vor über fünf Jahren hart getroffen. Im Kern geht es bei dem Prozess um eine Überweisung des DFB im Jahr 2005 in Höhe von 6,7 Millionen Euro über den Weltverband FIFA an den 2009 verstorbenen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus.
Der DFB hatte die Summe als Beitrag für eine Gala zur WM 2006 deklariert, die so aber nie stattfand. Die Zahlung diente eigentlich zur Tilgung eines Darlehens, das der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer im Jahr 2002 von Louis-Dreyfus erhalten hatte.
Die Summe verschwand letztendlich auf Konten des damaligen FIFA-Finanzchefs Mohamed bin Hammam. Wofür, ist unklar. Bin Hammam ist inzwischen lebenslang für alle Aktivitäten im Fußball gesperrt. (jwo/dpa) © dpa
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