Schon länger wird Telegram vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen illegale Inhalte vorzugehen. Für Firmengründer Pawel Durow hat das nun Konsequenzen - in Frankreich wird er festgesetzt.

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Der Gründer des Messengerdienstes Telegram, Pawel Durow, ist nach seiner Festnahme in Frankreich weiter in Polizeigewahrsam. Diese wurde am Wochenende verlängert und kann noch bis Mittwoch andauern, wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Sie konkretisierte am Abend die Vorwürfe. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schaltete sich ein.

Der Chatdienst selbst verteidigt sich gegen die Vorwürfe. In einer Stellungnahme schrieb das Unternehmen, alle geltenden Regeln würden eingehalten, dazu gehöre auch das neue Digital-Gesetz DSA, das ein konsequenteres Durchgreifen gegen illegale Inhalte und Aktivitäten auf große Online-Plattformen bewirken soll. Durow "hat nichts zu verbergen" und reise häufig in Europa. Außerdem sei es "absurd", eine Plattform oder ihren Besitzer für den Missbrauch des Dienstes durch Dritte verantwortlich zu machen.

Schwere Vorwürfe gegen Telegram

Die Behörden werfen Durow vor, er habe nicht genug dagegen getan, dass Telegram für kriminelle Zwecke genutzt wird. Die Plattform hat sich seit Gründung 2013 als eine Alternative zu US-Plattformen etabliert. Dabei verweigert Telegram in der Regel jegliche Herausgabe von Nutzerdaten an Behörden, selbst bei Straftaten.

Kritiker beschuldigen den Onlinedienst, die Verbreitung von Falschinformationen sowie pädophiler oder rechtsextremer Inhalte und von Verschwörungstheorien zu begünstigen. Die französische Behörde zur Prävention von Gewalt gegen Minderjährige erwirkte den Haftbefehl gegen Durow nach Vorermittlungen im Zusammenhang mit Vorwürfen wie Betrug, Drogenhandel, Online-Mobbing, Organisierte Kriminalität und Förderung des Terrorismus.

Macron: Keine politische Entscheidung

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb am Montag auf X, dass die Festnahme keine politische Entscheidung gewesen, sondern im Rahmen von laufenden Ermittlungen erfolgt sei. Frankreich bekenne sich zur Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, zur Innovation und zum Unternehmergeist.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft laufen bereits seit Längerem Vorermittlungen gegen Durow. Überraschend war der 39-Jährige dann am Samstagabend am Flughafen Le Bourget in der Nähe von Paris festgenommen worden, wie die Sender TF1 und BFMTV sowie andere französische Medien unter Berufung auf Ermittlerkreise berichteten. Warum Durow von Baku in Aserbaidschan nach Frankreich reiste, war zunächst unklar.

Die russische Botschaft in Frankreich habe sich des Falls bereits angenommen, hieß es in einer von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zitierten Stellungnahme des Außenministeriums in Moskau. Die französischen Behörden seien aufgerufen worden, konsularischen Zugang zu Durow zu erlauben, sagte Russlands Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. "Das Problem ist nur, dass Durow auch die französische Staatsbürgerschaft hat", sagte sie. "Entsprechend wird ihn Frankreich in erster Linie auch als seinen Staatsbürger betrachten." Durows Verhältnis zur russischen Obrigkeit gilt als schwierig.

Kreml dementiert Treffen Putins mit Durow in Baku

Der Kreml dementierte offiziell, dass Präsident Wladimir Putin bei seinem Staatsbesuch in Aserbaidschan vergangene Woche Durow getroffen habe. Sprecher Dmitri Peskow reagierte damit auf Vermutungen in sozialen Netzwerken, Durow könnte in Baku mit Putin gesprochen oder sich zumindest um ein Treffen bemüht haben. "Wir wissen bislang nicht, was Durow konkret vorgeworfen wird", sagte Peskow. Deshalb werde man sich mit Kommentaren zurückhalten.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte Frankreich am Sonntag vorgeworfen, Russland keinen konsularischen Zugang zu Durow zu gewähren. Vor der französischen Botschaft in Moskau steckten Demonstranten weiße Papierflieger in eine Hecke - dies zeigte der Vize-Vorsitzende des russischen Parlaments, Andrej Dawankow, auf seinem Telegram-Kanal. Das Logo von Telegram sieht aus wie ein Papierflieger.

Musk und Snowdon fordern Freilassung

Der Chef des E-Autobauers Tesla und des Kurznachrichtendienstes X, Elon Musk, rief zur Freilassung des Telegram-Chefs auf. US-Whistleblower Snowden sprach von einem "Angriff auf die grundlegenden Menschenrechte der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit". Es betrübe ihn, dass Paris "auf das Niveau einer Geiselnahme herabgestiegen ist, um Zugang zu privater Kommunikation zu erhalten".

Rätselhaft war am Montag weiterhin, warum Durow trotz der gegen ihn laufenden Vorermittlungen nach Frankreich geflogen war. "Vielleicht hatte er ein Gefühl der Straffreiheit", sagte eine mit dem Fall vertraute Quelle.

Durow hatte Telegram mit seinem Bruder Nikolai gegründet, nachdem beide bereits das Netzwerk Vk.com ins Leben gerufen hatten, eine Art russischsprachiges Facebook. Telegram ist in Russland eines der wichtigsten Online-Netzwerke, das auch von vielen Behörden und Politikern zur Kommunikation genutzt wird. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wird der Dienst von beiden Seiten für Mitteilungen genutzt. (dpa/afp/bearbeitet von cgo)

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