Früher arbeitete Dennis Hohloch als Lehrer, nun konfrontierte er als AfD-Abgeordneter eine Kindergruppe mit einem unangemessenen Thema. Eine Mutter beschwert sich bei der Schule und wird jetzt selbst angegangen.

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Was machen eigentlich Politiker? Wie funktioniert ein Parlament? Was haben Abgeordnete Kindern zu sagen? Darum sollte es gehen, als 24 Schülerinnen und Schüler der Montessori Schule Potsdam am 8. Juli den Brandenburger Landtag besuchten. Nach einer Führung gab es eine Gesprächsrunde mit Abgeordneten, in der die Neun- bis Zwölfjährigen ihre Fragen stellen durften. Doch da wurden sie plötzlich mit Begriffen konfrontiert, die wenig altersgerecht waren.

AfD-Politiker spricht vor Kindern über Gruppenvergewaltigung

Zunächst waren nur die Abgeordneten Petra Budke von den Grünen und Uwe Adler von der SPD anwesend, sie beantworteten Fragen nach sanierungsbedürftigen Turnhallen und dem Klimawandel. Nach einer Weile kam der AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch dazu, der vom Landesverfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird.

"Er lenkte das Gespräch schnell auf Geflüchtete und ließ Begriffe wie Gruppenvergewaltigung fallen", sagt Budke dem "Spiegel". "Uwe Adler, der Moderator, die Lehrkraft und ich haben alle interveniert und korrigiert, aber Herr Hohloch lässt sich da nicht bremsen. Er ist in direkte Konfrontation mit der Lehrkraft gegangen und hat ihr gesagt, sie dürfe ihm nicht das Wort verbieten."

Auch von "Messermännern" soll Hohloch gesprochen haben und dass man sich in Potsdam nicht mehr sicher fühlen könne. So erzählte es SPD-Mann Adler der "Märkischen Allgemeinen".

Hohloch bestätigte dem "Spiegel", dass er mit den Kindern über "Gruppenvergewaltigungen" gesprochen hat, es sei seine Pflicht, "unsere Kinder zu warnen und die Ursachen zu benennen." Alter schütze nicht vor diesem "Migrationsproblem", wie er es nennt. Dass er auch von "Messergewalt" gesprochen habe, erinnere er nicht.

Dass Hohloch oder andere AfD-Abgeordnete solche Begriffe verwenden, sei nicht ungewöhnlich, sagt die Grünenabgeordnete Budke. "Aber in der Regel sind in diesen Runden ältere Schüler. In diesem Fall saßen da eben Kinder, die gar nicht wissen, was eine Vergewaltigung ist. Darauf hat Herr Hohloch, obwohl er Pädagoge ist, keine Rücksicht genommen."

Mutter beschwert sich und wird angefeindet

Die Mutter einer betroffenen Schülerin schrieb in einer E-Mail an andere Eltern und die Schule: "Ich gehe davon aus, dass wir alle diesen Landtagsbesuch begrüßt haben, weil wir gerne unsere Kinder zu informierten demokratisch handelnden Menschen erziehen wollen. Dazu gehört aber auch, sie vor Meinungsmache, Falschaussagen, Hetze und jugendschutzrechtlich bedenklichen Aussagen zu schützen." Die E-Mail liegt dem "Spiegel" vor. Darin schreibt die Mutter auch: "Ich hätte mir die Erklärung zu Massenvergewaltigungen und den Wahrheitsgehalt, bzw. die genaue Einordnung dieser Behauptung, meiner 12-jährigen Tochter gegenüber gerne noch bis mindestens ins Teenageralter erspart".

Diese E-Mail, die nur schulintern verschickt worden war, ist in die Hände der AfD geraten. In einem Video greift Hohloch die Mutter an und thematisiert ihre frühere Arbeit als Journalistin. Er nennt ihren Namen und zeigt ihr Foto. Auch die Kanäle der Landtagsfraktion haben das Video geteilt, in Userkommentaren wird die Mutter teilweise beschimpft und bedroht.

Wie geht es weiter mit den Schülergesprächen im Landtag? Die Grünenabgeordnete Budke fordert nun, dass sie künftig "von geschulten Pädagog:innen des Landtags begleitet und moderiert werden".

Derzeit moderieren studentische Mitarbeitende des Landtags die Gesprächsrunden. Die Idee ist, dass die Abgeordneten sich gegenseitig widersprechen und so die politisch-inhaltlichen Unterschiede der Parteien deutlich werden. "Der Landtag macht tolle Formate für Kinder und Jugendliche, umso trauriger ist es, wenn die von jemandem wie Herrn Hohloch kaputt gemacht werden", sagt Budke.

Besuche im Landtag sollen zukünftig anders ablaufen

Für Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) ist klar, dass Hohloch die Regeln des Gesprächsformats gebrochen hat. Aber sie müsse diesen Fall aus zwei Perspektiven betrachten: Als Politikerin habe sie gar kein Verständnis, weil Hohloch weder Alter noch Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler beachtet habe. "Ich lehne das ausdrücklich ab und werde unter vier Augen mit Herrn Hohloch sprechen", so Liedtke.

Als Landtagspräsidentin aber sei sie an das Neutralitätsgebot gebunden und könne deswegen einzelne Abgeordnete oder Fraktionen nicht von solchen Veranstaltungen ausschließen. "Solange eine vom Verfassungsschutz beobachtete Partei demokratisch wählbar ist, so lange kann ich sie nicht ausschließen."

Sie wolle sich aber persönlich noch mal mehr mit den Formaten für Kinder und Jugendliche befassen und sich auch persönlich einbringen, sagt Liedtke. Grundsätzlich seien diese Gesprächsformate gute Veranstaltungen, die verschiedene Farben der Politik deutlich machen sollen. Der Beutelsbacher Konsens, der Regeln aufstellt, wie politische Bildung für Schülerinnen und Schüler aussehen soll, bilde dafür Grundlage. In diesem Fall ging es aber offenbar daneben. "Die Regel, dass Schüler nicht überrumpelt werden dürfen, wurde hier gebrochen", sagte Liedtke. "Es hat Gegenrede gegeben, aber da war es schon zu spät."  © DER SPIEGEL

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