Das Bundespolizeigesetz ist die Arbeitsgrundlage der Bundespolizei – und stammt zu großen Teilen noch aus dem Jahr 1994. Die Ampel will es deshalb überarbeiten und hatte sich über die Reform monatelang gestritten. Nun ist ein Kompromiss erzielt worden.

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Die Ampel-Koalition hat sich auf eine Reform des Bundespolizeigesetzes geeinigt. Kernpunkt der Reform ist es nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) vom Dienstag, Bundespolizistinnen und -polizisten mit klareren Regeln vor dem Verdacht des Rassismus zu schützen.

Das Gesetz solle eine rechtssichere Grundlage für Kontrollen schaffen, damit sich die Beamten dabei nicht dem Vorwurf des sogenannten "racial profiling" ausgesetzt sehen. Davon spricht man, wenn Personen wegen ihrer äußeren Merkmale, etwa der Hautfarbe, kontrolliert werden und nicht anhand von konkreten Verdachtsmomenten.

Die Einigung der Ampel sieht laut FAZ vor, dass Kontrollen ausschließlich aufgrund äußerer Merkmale weiterhin nicht zulässig sind, dass entsprechende Merkmale einer Überprüfung aber auch nicht im Wege stehen, wenn Erfahrung oder aktuelle Ereignisse sie angemessen erscheinen lassen.

Kontrollquittung und Kennzeichnungspflicht sollen kommen

Vorgesehen sei, dass überprüfte Personen eine sogenannte Kontrollquittung erhalten, wenn sie das verlangen. Mit dieser werde der Verlauf der Kontrolle dokumentiert. Ein Generalverdacht gegen die Arbeit der Polizei entstehe dadurch nach Auffassung der Ampel-Politiker nicht.

Des Weiteren soll es künftig eine Kennzeichnungspflicht für die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei geben. Diese soll zu mehr "Bürgernähe und Transparenz" führen. Zum Schutz der Polizisten sieht diese aber nicht vor, dass deren Namen auf der Uniform zu lesen seien. Stattdessen soll jeder Beamte durch eine Ziffernfolge identifizierbar seien. Außerdem soll laut FAZ die bislang freiwillige einfache Sicherheitsüberprüfung für Polizeianwärterinnen und -anwärter Pflicht werden.

Polizeiforscher sieht Reform als Schritt in die richtige Richtung

Der Polizeiforscher Rafael Behr von der Akademie der Polizei in Hamburg sieht die Reformpläne grundsätzlich positiv. Sie seien ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg "zu einer menschenrechtskonformen Polizeipraxis", erklärte Behr auf Anfrage unserer Redaktion. Es müsse sich aber noch zeigen, "wie die jetzt zu beteiligenden Bundesländer und die Berufsverbände reagieren". Behr rechnet diesbezüglich vor allem mit Kritik vonseiten der Polizeigewerkschaften.

Dass die Reform das "racial profiling" tatsächlich vollständig unterbindet, glaubt Behr derweil nicht. Es gäbe jetzt zwar eine Limitation der Polizeibefugnisse, aber die Formulierung des Gesetzesentwurfs "verhindert ja nicht, dass trotzdem rassifizierend diskriminiert wird". Behr zufolge müsse man abwarten, wie die Regeln tatsächlich ausgelegt werden. "So klar, wie es der Entwurf suggeriert", seien sie nicht.

Bezüglich der Kontrollquittung kritisiert Behr, dass diese erst von den betroffenen Personen eingefordert werden müssen. "Hier hätte man sich wirklich die konsequentere 'automatische' Aushändigung gewünscht", sagt der Experte.

"Gerade diejenigen, die von grenzpolizeilicher Kontrolle betroffen sind", würden das deutsche Rechtssystem oft nicht ausreichend gut kennen oder über die "Definitionsmacht verfügen, gegenüber staatlicher Autorität eine Quittung zu verlangen".

Dem Entwurf zufolge sollen die Beamten kontrollierte Personen zwar darauf hinweisen müssen, dass sie sich die Maßnahmen durch eine Quittung bestätigen lassen können. Ob das in der Praxis aber auch immer geschieht, darf zumindest angezweifelt werden.

Positiv beurteilt Behr hingegen die geplante Kennzeichnungspflicht. Diese könnte in der Form, in der sie die Reform vorsieht ,"beide Aspekte berücksichtigen: Schutz der Privatsphäre von Polizist*innen und Schutz der Menschenrechte der Betroffenen". Die Kennzeichnungspflicht führe dem Wissenschaftler zufolge zu einer Deanonymisierung der Polizei und zu einer "Rekonstruierbarkeit von Verantwortung für polizeiliches Handeln".

Ampel feiert Reformkompromiss als vollen Erfolg

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Einigung zu der Reform als "entscheidenden Schritt" nach vorn . "Die Bundespolizei braucht zeitgemäße rechtsstaatliche Befugnisse, die den heutigen Gefahrenlagen entsprechen", sagte Faeser der Zeitung "Welt". "Hierfür werden wir mit dem neuen Bundespolizeigesetz sorgen."

Der SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann sagte der "FAZ", die Ampel-Koalition habe "jetzt den Knoten durchgeschlagen". Die "Ampel" hatte sich die Reform im Koalitionsvertrag vorgenommen, "allerdings haben sich die Ressorts der Bundesregierung bei der Umsetzung seit Monaten verhakt und sind bei diesem Projekt nicht vorangekommen", sagte Hartmann. Nun hätten die Fraktionen "eine Lösung bei einem verhakten Punkt gefunden".

Die Grünen zeigten sich zufrieden mit der Übereinkunft. "Die Novelle des Bundespolizeigesetzes ist eine Richtungsentscheidung für die Modernisierung der Bundespolizei", sagte Innenexpertin Irene Mihalic der "FAZ". Durch die Reform der verdachtsunabhängigen Kontrollen und die Einführung von Kontrollquittungen werde die "Wahrscheinlichkeit von diskriminierend wirkenden Praktiken" verringert und die Rechtsposition der Betroffenen gestärkt.

Für die FDP-Fraktion sagte der Innenpolitiker Manuel Höferlin, mit dem kommenden Bundespolizeigesetz "stärken wir in der Ampel den begonnenen Paradigmenwechsel, Freiheit und Sicherheit nicht gegeneinander auszuspielen".

Die Bundespolizei könne künftig ihre Arbeit, vor allem an Bahnhöfen und Flughäfen, durch effizientere Personenkontrollen besser als vorher erledigen: "Für die Menschen bedeutet das mehr Sicherheit." (afp/dpa/thp)

Verwendete Quellen:

  • Frankfurter Allgemeine Zeitung: Kontrolle ja, aber kein Racial Profiling
  • Korrespondenz mit Prof. Dr. Rafael Behr
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