Die Ermittlungen zur rechtsextremistischen Anschlagserie in Neukölln zieht jetzt die Berliner Generalstaatsanwaltschaft an sich. Es besteht der Verdacht, dass ein Staatsanwalt in Berlin gegenüber Rechten befangen sein könnte. Das bereitet Politikern auf Landes- und Bundesebene zunehmend Sorgen. Folgt jetzt ein Untersuchungsausschuss?

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Die mögliche Befangenheit eines Staatsanwalts in Berlin bei Ermittlungen zu einer Serie rechter Anschläge in Neukölln besorgt zunehmend die Politik auf Landes- und Bundesebene.

Am Donnerstag wurden Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss lauter. Auch ein Sonderermittler wurde vorgeschlagen.

Der Auslöser: Zwei Verdächtige aus der rechtsextremen Szene hatten laut Generalstaatsanwältin Margarete Koppers über einen Staatsanwalt gesagt, dass er nach eigenen Äußerungen der AfD nahe stehe und man von ihm nichts zu befürchten habe.

Politiker plädieren für Untersuchungsausschuss

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hatte daraufhin am Mittwoch bekanntgegeben, sämtliche Ermittlungsverfahren zu Straftaten gegen Menschen zu übernehmen, die sich in Berlin-Neukölln gegen Rechtsextremismus engagieren.

Der Kommunalpolitiker der Linken, Ferat Kocak, dessen Auto im Februar 2018 angezündet worden war, reagierte auf Twitter: "Die Ermittlungen zum rechten Terror in Neukölln werden immer komplexer. Ein Skandal folgt dem Anderen. Wenn wir nun neben den Sicherheitsbehörden auch ein rechtsoffenes Problem mit der Staatsanwaltschaft haben, ist ein Untersuchungsausschuss unabdingbar!"

Der Vorsitzende der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Carsten Schatz, sagte am Donnerstag, er sehe sich in seiner Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bestätigt.

Es gebe jetzt noch mehr Verdachtsmomente, "dass die Sicherheitsbehörden tendenziös oder gar nicht richtig ermittelt haben". Die Grünen-Rechtspolitikerin Petra Vandrey sagte, ein Untersuchungsausschuss sei angesichts der aktuellen Erkenntnisse in Betracht zu ziehen.

CDU-Chef bringt Sonderermittler ins Gespräch

Der Berliner CDU-Vorsitzende Kai Wegner brachte einen Sonderermittler ins Gespräch. "Zunächst ist der Justizsenator in der Verantwortung, zu diesen Vorwürfen Stellung zu nehmen und sie aufzuklären", sagte Wegner der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Wenn das nicht befriedigend läuft, dann kann ich mir einen Sonderermittler gut vorstellen."

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt betonte, es dürfe keinen Zweifel daran geben, dass die Strafverfolgungsbehörden rechtsextreme Straftaten verfolgten. "Bei den Ermittlungen zur Anschlagsserie in Neukölln gab es inzwischen zu viele Anlässe, die Zweifel nähren. Das besorgt mich", sagte der Grünen-Politiker der dpa.

Die Sicherheitsorgane des Landes Berlin müssten fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. "Bereits dem bösen Schein, dass die Strafverfolgung befangen erfolgt, ist entgegenzutreten."

Durchsuchungen bei Rechtsextremisten

Nach früheren Angaben rechnet die Polizei der Serie rechtsextremer Taten in Neukölln 72 Fälle zu, darunter 23 Brandstiftungen. Viele davon wurden 2016 und 2017 begangen.

Nach Brandanschlägen Anfang 2018 auf die Autos des Linken-Kommunalpolitikers Kocak und eines Buchhändlers hatte die Polizei Wohnungen von Rechtsextremisten durchsucht. Überführt werden konnten die Brandstifter aber nicht. Die Polizei geht von insgesamt drei Verdächtigen aus.

Auch auf Bundesebene wächst die Besorgnis, dass es in der Berliner Justiz an der nötigen Unabhängigkeit mangeln könnte. Gerichte und Staatsanwaltschaften müssten über jeden Zweifel erhaben sein, sagte der Vizevorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae. Der Staat müsse gegen rechtes Gedankengut und rechte Gewalt entschlossen vorgehen. "Es darf an keiner Stelle auch nur der Eindruck entstehen, dass staatliche Institutionen dieser Gefahr nicht konsequent entgegentreten."

Strasser: "AfD-Verbindung nicht erst seit gestern bekannt"

Sein Fraktionskollege Benjamin Strasser sagte: "Die merkwürdigen Verbindungen von AfD und Sicherheitsbehörden in Berlin-Neukölln sind nicht erst seit gestern bekannt." Schließlich sei schon vor einiger Zeit herausgekommen, "dass wohl interne Informationen zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz von Polizisten in AfD-Chatgruppen veröffentlicht wurden".

Der Berliner Senat solle prüfen, ob sein Konzept gegen rechtsextreme Einstellungen bei der Polizei auf alle Justiz- und Sicherheitsbehörden ausgeweitet werden müsse. (ff/dpa)

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