• Die iranische Spitzenkletterin Elnaz Rekabi sorgte bei den Asienmeisterschaften für Aufsehen, weil sie ohne Kopftuch antrat.
  • Mittlerweile hat sie ihr Vorgehen unter anderem damit begründet, dass sie "gestresst" und "angespannt" war, wobei unklar ist, ob diese Rechtfertigung auf Druck des iranischen Regimes erfolgte.
  • Im Iran gibt es seit Wochen Proteste gegen die Kopftuchpflicht und generell den repressiven Kurs der Regierung.
Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Constantin Eckner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der Iran erlebt Proteste wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September hat sich mittlerweile das Aufbegehren von kurdisch bewohnten Gebieten auf weite Landesteile ausgeweitet. Die sogenannte Sittenpolizei nahm Amini vor ihrem Tod wegen des Vorwurfs fest, ihr Kopftuch nicht richtig getragen zu haben.

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Im Zuge der Proteste werden nun prominente und weniger prominente Iranerinnen zu Symbolfiguren des Widerstandes, weil sie sich demonstrativ gegen das Tragen des Kopftuches richten. Zu ihnen zählt die iranische Klettermeisterin Elnaz Rekabi, die bei den Asienmeisterschaften im südkoreanischen Seoul ohne den eigentlich für iranische Sportlerinnen vorgeschriebenen Hidschab angetreten war.

Erklärung in einer Instagram-Story

Rekabi landete am Mittwoch in Teheran, wo sie am Flughafen Imam Khomeini von einer Menschenmenge begeistert empfangen wurde, wie im Internet publizierte Videos belegen. Unterstützer von Rekabi und persischsprachige Medien außerhalb des Irans äußerten zuvor Befürchtungen, die Athletin könnte bei ihrer Ankunft in der iranischen Hauptstadt festgenommen werden, was die Regierung der Islamischen Republik bestritt.

Trotzdem soll es Anzeichen geben, dass das Regime bereits auf Rekabi eingewirkt hat. Denn nach ihrem Auftritt ohne Kopftuch bei den Asienmeisterschaften erschien am 17. Oktober eine Instagram-Story eines Accounts, welcher der 33-Jährigen gehören soll. In jener Story entschuldigte sie sich dafür, das Kopftuch nicht getragen zu haben. "Durch ein unpassendes Timing und einen unvorhersehbaren Aufruf zum Klettern" habe sie das Kopftuch unabsichtlich nicht getragen.

Druckausübung der Regierung möglich

Gegen diese Aussage sprechen Aufnahmen von Rekabi kurz vor Beginn des Wettkampfs in Seoul. Denn die Kletterin wirkte entspannt und keinesfalls gestresst ob des fehlenden Kopftuches. In einem Interview mit dem iranischen Staatsfernsehen kurz nach ihrer Landung wiederholte sie die Aussagen aus der Instagram-Story noch einmal.

Inwieweit diese Aussagen aus freien Stücken erfolgten oder unter Druck entstanden, bleibt bis dato unklar. Fakt ist nur, dass die iranischen Behörden regelmäßig Druck auf Aktivisten ausüben. Rekabi könnte aufgrund ihrer Prominenz und des publikumswirksamen Auftritts in Seoul zu einer Art Widerruf ihres Protests gebracht worden sein.

Internationale Medaillen errungen

Rein sportlich stellte Elnaz Rekabi bei den Asienmeisterschaften unter Beweis, dass sie weiterhin zu den besten Kletterinnen des Kontinents gehört. Sie belegte Platz vier in der Kombination aus Lead (Schwierigkeitsklettern) und Bouldern. Rekabi begann im Alter von 13 Jahren mit dem Sport und wurde 2016 die erste professionelle Kletterin aus dem Iran, die am Weltcup teilnahm.

Zu ihren größten Erfolgen gehören eine Silbermedaille bei den asiatischen Klettermeisterschaften im Jahr 2013 in Teheran. Darüber hinaus errang sie im vergangenen Jahr Bronze im Lead bei der Weltmeisterschaft in Moskau. Weitere Top-Platzierungen bei internationalen Turnieren konnte sie darüber hinaus verbuchen.

Kreative Outfits für die Haare

Auf ihrem Weg an die Weltspitze hatte Rekabi das Problem, dass sie in der eigenen Heimat nicht mit Trainingspartnerinnen üben konnte und sich stattdessen dem Training des iranischen Männerteams anschloss.

Zudem musste sie mit der Pflicht, als iranische Sportlerin ein Kopftuch im Wettkampf zu tragen, kreativ umgehen und entwarf deshalb über die Jahre mehrere Outfits, mit denen sie ihre Haare verbergen konnte – bis zu ihrem Auftritt vor wenigen Tagen.

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Die Korea Alpine Federation, welche die Asienmeisterschaften in diesem Jahr ausrichtet, teilte mit, dass es bei der Veranstaltung keine Regeln über das Tragen oder Nichttragen von Kopftüchern gebe. Rekabi unterlag ausschließlich einer durch die Machthaber ihres Heimatlandes auferlegten Pflicht.

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Verwendete Quellen:

  • Profil von Elnaz Rekabi auf der Seite der International Federation of Sport Climbing
  • Video von der Ankunft Rekabis am Flughafen in Teheran
  • Video vom Interview Rekabis mit dem iranischen Staatsfernsehen
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