Die Ampel jubelt über ihren "Entlastungshaushalt". Aber wie viel Entlastung steckt da überhaupt drin? Gerade mit Blick auf die Energiekosten privater Haushalte zweifeln Verbraucherschützer. Und es geht um mehr als nur die auslaufenden Preisbremsen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Großen Wirbel verursachte schon Ende November die Entscheidung, die Strom- und Gaspreisbremsen auslaufen zu lassen. Dieses Instrument sollte die Bürger bei zu hohen Energiepreisen unterstützen, die infolge des Angriffs Russlands auf die Ukraine entstanden sind. In der Zwischenzeit sind die Preise für Strom und Gas wieder etwas gesunken. Das war der Grund, weshalb die Regierung sich dafür entschieden hat, die Bremsen auslaufen zu lassen.

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Wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kürzlich analysiert hat, liegen die Preise aber noch immer ungefähr auf dem Niveau, bei dem die Preisbremsen bisher gegriffen haben: Der Strompreis liegt im Schnitt bei 44,17 Cent pro Kilowattstunde. Auch wenn der Grundpreis herausgerechnet werden würde, läge der Arbeitspreis noch bei 40 bis 42 Cent. Die Preisbremse greift ab 40 Cent. Der Gaspreis ist ebenfalls gesunken und liegt derzeit im Schnitt mit etwas mehr als zehn Cent nur leicht unterhalb der Preisbremse, die bei zwölf Cent einsetzt.

Vor allem Bezieher geringer Einkommen betroffen

Thomas Engelke, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale, geht davon aus, dass ein "relevanter Teil von Verbraucherinnen und Verbrauchern noch in den alten, teuren Verträgen drin steckt, die sie zum Beispiel vor einem dreiviertel Jahr in der Hochpreisphase abgeschlossen haben".

Ein gewisser Anteil dieser Menschen komme laut Engelke auch nicht aus diesen Verträgen heraus und ist nun dazu verdammt, diese Preise ohne Preisbremse weiterzuzahlen. "Das wird insbesondere die Haushalte belasten, die ein geringes Einkommen haben, weil deren Energiekosten anteilig an ihrem Einkommen vergleichsweise höher sind, als bei denen mit höheren Einkommen", sagt Engelke. Hinzu kommt der Umstand, dass niemand – also weder die Regierung, noch die Anbieter – so genau wüssten, wie hoch der Anteil genau ist.

CO2-Preis steigt

Doch nicht allein der Wegfall der Preisbremsen kommt als Belastung auf die Bürger zu. "Die Bundesregierung hat gezielt Maßnahmen durchgesetzt, mit denen die privaten Haushalte das Nachsehen haben", sagt der Energieexperte. "Da sehen wir nirgends Erleichterungen für die privaten Haushalte, sondern nur zusätzliche Belastungen."

Denn ab 2024 wird die reduzierte Mehrwertsteuer auf Gas und Wärme wieder auf 19 Prozent angehoben. Infolge des Krieges in der Ukraine war sie auf 7 Prozent abgesenkt worden. Den Anstieg müssen nun ebenfalls die Verbraucher zahlen.

Nicht zuletzt hat die Ampel im Zuge ihrer Einigung im Haushaltsstreit vereinbart, dass künftig der CO2-Preis deutlich ansteigen soll. Pro Tonne CO2 soll dieser nun von 30 nicht wie bisher geplant auf 40, sondern auf 45 Euro ansteigen. Dies entspricht in einem Musterhaushalt bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden einer Kostensteigerung von 20 Euro pro Jahr.

Verbraucherschützer fordert Einführung des Klimageldes

Weiterhin weist Thomas Engelke von der Verbraucherzentrale darauf hin, dass die Stromsteuer nun für das produzierende Gewerbe entfallen soll, nicht aber für die privaten Haushalte. Genau dies hatte aber die Verbraucherzentrale seit längerer Zeit gefordert, um die Privathaushalte zu unterstützen. Die Verbraucherzentrale hält an dieser Forderung weiter fest.

Zudem sprechen sich die Verbraucherschützer für die Einführung des "Klimageldes" aus. Diese im Koalitionsvertrag erwähnte Maßnahme zur finanziellen Entlastung hat bei der vor kurzem stattgefundenen Einigung der Ampel zum Haushalt keine Rolle gespielt. Doch möglicherweise kommt bald Bewegung in die Sache. Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckhardt erklärte am Dienstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass zur Finanzierung des Klimageldes künftig die "Extremreichen" herangezogen werden sollten.

Bis dahin bleibt den Energiekunden nur übrig, selbst tätig zu werden. Etwa mit einem Wechsel des Energieanbieters. Denn so sehr die Strom- und Gaspreisbremsen vielen Menschen geholfen haben, hatte die Maßnahmen aber auch einen ganz anderen Effekt: Sie verringerten die Wechselbereitschaft der Menschen. Dies hat schon Mitte des Jahres eine Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale ergeben.

So zeigte die Untersuchung, dass mehr als jeder zweite Kunde von gestiegenen Stromkosten und knapp jeder zweite von einer höheren Gasrechnung betroffen war. Und dennoch hielten in der Mitte dieses Jahres 83 Prozent der Stromkunden und sogar 85 Prozent der Gaskunden an ihrem bisherigen Vertrag fest.

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Anbieterwechsel kann Ersparnis bringen

Diese fehlende Wechselbereitschaft bemängelt etwa Tomaso Duso, Wirtschaftsforscher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Mitglied der Monopolkommission. Zentral seien nach Dusos Ansicht der Wettbewerb zwischen mehreren Energieanbietern und eine hohe Wechselbereitschaft der Verbraucher. Diese Bereitschaft zum Wechsel des Strom- oder Gasvertrages könne durch Informationskampagnen erreicht werden, erklärt Duso.

Einig sind sich Thomas Engelke von der Verbraucherzentrale und Tomaso Duso vom DIW darin, dass sie den Menschen, die aus ihren Verträgen herauskommen wollen oder neue benötigen, einen Anbieterwechsel empfehlen. Hilfe bieten hier die Vergleichsportale von Check24 oder Verivox.

"Aktuell lohnt ein Wechsel, da kann man durchaus ein paar hundert Euro sparen", sagt Engelke. "Generell ist es jedoch ratsam, keine langfristigen Verträge, die länger als ein Jahr laufen, abzuschließen, da die Preise häufig angepasst werden", sagt Tomaso Duso. "In einem hart umkämpften Markt erhalten Neukunden oft bessere Angebote und Sonderrabatte."

Über die Gesprächspartner

  • Thomas Engelke ist Leiter im Team Energie und Bauen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband.
  • Prof. Dr. Tomaso Duso ist Leiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Verwendete Quellen

Stromzähler und Geld

Ende der Preisbremsen: Vielen Haushalten drohen höhere Stromkosten

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