Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan durfte bei einer Demonstration seiner Anhänger in Köln nicht per Liveschalte sprechen. Regierungsnahe türkische Medien sowie Politiker werten das als Bankrotterklärung der europäischen Demokratie und fahren rhetorisch schwere Geschütze auf.
Zehntausende Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben sich am Sonntag in Köln versammelt, um gegen den Putschversuch in der Türkei vor gut zwei Wochen zu protestieren und seine Niederschlagung zu feiern.
Nach offiziellen Angaben nahmen 30.000 bis 40.000 Menschen daran teil. Die Polizei zog eine positive Bilanz. Trotz mehrerer Gegendemonstrationen blieben befürchtete Ausschreitungen aus. Die Veranstaltung verlief weitgehend friedlich.
Die türkische Regierung dagegen ist alles andere als zufrieden mit dem Verlauf der Demonstration. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wollte auch unter seinen Anhängern in Europa ein Zeichen setzen und sich durch eine Liveübertragung auf riesigen Leinwänden bei der Kundgebung inszenieren. Das wurde den Veranstaltern jedoch gerichtlich untersagt. In letzter Instanz bestätigte auch das Bundesverfassungsgericht das Verbot.
Extreme Reaktionen und Nazi-Hinweis
Die Reaktionen von türkischer Seite sind unmissverständlich. Türkische Politiker sprechen von einem Skandal, das türkische Außenministerium hat den Vertreter des deutschen Botschafters einbestellt. Die Medien - nach dem Putschversuch weitgehend auf Linie gebracht - verurteilen das deutsche Vorgehen ebenfalls mit drastischen Worten:
Die Zeitung "Günes" zeichnet einen deutlichen Kontrast zwischen den patriotischen Teilnehmern der Demonstration und den Verantwortlichen für das Zuschaltungsverbot und zitiert Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin mit den Worten:
"Das deutsche Verfassungsgericht hat mit seiner Billigung des Verbots eine neue Dimension erreicht. Während eine Veranstaltung, die angesichts des Putsches vom 15. Juli die Überlegenheit von Freiheit und Recht demonstriert, Unterstützung und Zuspruch erhalten sollte, wird rechtlich und praktisch versucht, sie zu verhindern. Das widerspricht der Demokratie und den Grundrechten der Redefreiheit und der Versammlungsfreiheit."
Die türkische Zeitung "Takvim" kommt zu einem bizarren Fazit: "Deutschland, das seiner Nazi-Vergangenheit nicht entkommen ist, hat seine Maske fallengelassen. Es unterstützt die putschistische FETÖ-Bande (Feullahci Terrör Örgütü - neue Bezeichnung für Gülen-Bewegung zur Einordung als Terrororganisation, Anm. d. Red.), die gegen die Türkei ist. Es hat einmal mehr bewiesen, dass es kein Freund und Verbündeter ist."
Das Nachrichtenportal "Yeni Akit" übertitelt seinen Beitrag mit "Europa erklärt seinen Bankrott" und schreibt:
"Das gerichtliche Verbot einer Zuschaltung des Staatspräsidenten Erdogan zur "Demokratie-Demonstration gegen den Putsch" hat ein weiteres Mal die Zweigesichtigkeit des Westens vor Augen geführt. Im Vorfeld der von in Europa lebenden Türken organisierten Demokratie-Demonstration [...] kam es zu skandalösen Entwicklungen. [...] Das Verbot durch Deutschland, das der Türkei bei jeder Gelegenheit Demokratie-Belehrungen zu geben versucht, hat heftige Reaktionen ausgelöst."
Külünk: Deutschland ist eine Scheindemokratie
Im Anschluss zitiert "Yeni Akit" die beiden AKP-Politiker Metin Külünk und Metin Gündogdu.
Külünk habe demnach moniert: "Deutschland kann es nicht einmal ertragen, dass Erdogan seine eigenen Landsleute anspricht. Es kann die Bildschirme verdunkeln, aber es kann nicht die Liebe in unseren Herzen zu ihm verdunkeln."
Gündogdu wird mit den Worten zitiert: "Wir haben erneut gesehen, dass in Europa keine Demokratie existiert. Europa gibt nur vor, demokratisch zu sein, wenn das seinen eigenen Interessen entgegen kommt. Die Demokratie Deutschlands ist eine Scheindemokratie." Deutschland sei eine Gesellschaft, die in der Welt nur seine eigene Religion und seine eigene Rasse hochhalte und keinen Respekt vor anderen Völkern habe.
Gündogdu schließt mit einer Aufforderung an in Deutschland lebende Türken, die durchaus als politische Drohung gedeutet werden kann: "Ich bin der Meinung, dass unsere in Deutschland lebenden Landsleute ihre Haltung gegenüber der deutschen Regierung überdenken sollten."
(ada mit Material der dpa)
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