Am Wochenende hat der russische Botschafter mit einem Atomanschlag gegen die dänische Marine gedroht, sollte das skandinavische Land dem Nato-Raketenabwehrschirm beitreten. Wie ernst ist die russische Drohung zu nehmen?
Im August hatte Dänemark angekündigt, bis zu drei Fregatten mit modernster Radartechnik für die Nato-Raketenabwehr auszustatten. Der Schutzschirm soll bis 2020 einsatzbereit sein und fortan alle europäischen Nato-Staaten vor Angriffen mit ballistischen Raketen schützen.
"Ich glaube, die Dänen sind sich der Konsequenzen so einer Entscheidung nicht bewusst", sagte der russische Botschafter Michail Vanin in der dänischen Zeitung "Jyllands Posten" am Wochenende. Durch den Beitritt zum US-geführten Raketenschild würde Dänemark Teil einer Bedrohung für Russland und damit die Freundschaft zwischen den Staaten beschädigen. Vanin drohte deswegen, dass dänische Kriegsschiffe Ziele russischer Nuklear-Raketen werden könnten.
"Ein militärisches Muskelspiel"
"Russland weiß sehr gut, dass der Nato-Raketenschutzschild defensiv und nicht auf sie gerichtet ist", sagte hingegen der dänische Außenminister Martin Lidegaard. Dänische Politiker und Parteien reagierten empört und forderten die Abberufung Vanins. Er sei als Botschafter Russlands nicht mehr tragbar, sagte der außenpolitische Sprecher der dänischen Sozialdemokraten, Morten Bodskov, der Zeitung "Politiken".
Auch die Nato hat nach Angaben von "Zeit Online" die Drohungen Russlands gegen Dänemark scharf kritisiert. Solche Äußerungen seien nicht vertrauensbildend und trügen nicht zu Frieden oder Stabilität bei, sagte Nato-Sprecherin Oana Lungescu.
Ob die russischen Führungskräfte tatsächlich über den Einsatz von Atomwaffen nachdenken, hält Russland-Expertin Margarete Klein für unwahrscheinlich. Die Wissenschaftlerin forscht am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) unter anderem zum Verhältnis zwischen Moskau und der Nato. "Es geht hier vor allem um ein militärisches Muskelspiel", erklärt sie.
Wie gefährlich wäre ein Atomschlag?
Russland befürchte, dass die Nato und USA mit den installierten Abfangwaffen einen militärischen und strategischen Vorsprung erreichen, so Klein. Russland ist aktuell wirtschaftlich durch den niedrigen Ölpreis und die Effekte der Sanktionen geschwächt. Mit den Drohungen soll der Westen nun wohl vor allem an die militärische Stärke Russlands erinnert werden.
Neu daran sei, dass Russland wiederholt verbal die Nuklearkarte spielt. "Das ist eine neue Qualität der Drohung, die das Ergebnis schlechter Beziehungen ist", so Klein. Je mehr sich die Drohungen häufen, desto denkbarer wird ein Handeln: "Das ist das gefährliche dabei."
Sollten die Drohungen der russischen Botschafters wahr gemacht werden, könnte Russland zum Beispiel mit taktischen Atomwaffen angreifen, die eine relativ kurze Reichweite haben. Auch der Abwurf von Nuklearbomben ist denkbar. Oder Langstreckenraketen, die von U-Booten abgeschossen werden. Möglichkeiten gäbe es viele. "Allerdings sind die Kosten dafür auch sehr hoch", so die Russland-Expertin.
Die Folgen eines Atomwaffeneinsatzes auf ein Marineschiff könnten für Mensch und Umwelt verheerend sein, erklärt Oliver Meier, Sicherheitspolitik-Experte der SWP. Je nachdem, wo der Einsatz stattfindet und welche Art von Waffen eingesetzt werden. "Selbst kleinere Atomwaffen mit begrenzter Sprengkraft können in Küstennähe äußerst gefährlich für dort lebende Bevölkerung sein", so Meier.
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