Rückschlag für Österreich: Laut der EU-Kommission verstoßen die neuen Kindergeld-Regeln gegen Europäisches Recht. Seit Monaten wird darüber diskutiert.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Die EU-Kommission hat offiziell ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Grund ist die Anpassung der Familienbeihilfe an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten im Wohnsitzland des Kindes im EU-Ausland. Das teilte die zuständige Sozialkommissarin Marianne Thyssen in Brüssel mit.

Thyssen bezeichnete die sogenannte Indexierung der Familienbeihilfe als "zutiefst unfair". "Es gibt keine Arbeiter zweiter Klasse, und es gibt keine Kinder zweiter Klasse in der EU", betonte die Kommissarin.

Die Maßnahme, die Österreich gesetzt habe, verhindere nicht einen "Sozialtourismus", sondern treffe diejenigen Menschen, die zum österreichischen Sozialsystem beitragen. Die EU-Kommission habe immer klar gemacht, dass es gleiche Leistungen für gleiche Beiträge am selben Platz geben müsse.

Eine Analyse der EU-Kommission habe erneut ergeben, dass die österreichische Gesetzgebung nicht im Einklang mit EU-Recht stehe. Thyssen stellte auch die Frage, was nach einer Indexierung der Familienbeihilfe noch komme, etwa die Einschränkung von Pensionszahlungen in der EU.

Familienministerin sieht Verfahren gelassen

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) zeigte sich nach dem Start des Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich gelassen. Dieses müsse in der "richtigen Relation" gesehen werden und sei nichts Unübliches, erklärte die Ressortchefin in einer Stellungnahme gegenüber der APA am Donnerstag.

"Es steht der Kommission frei, die Indexierung der Familienbeihilfe zu überprüfen. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die von uns gewählte Lösung mit europäischem Recht vereinbar ist", sagte Bogner-Strauß.

Die Indexierung der Familienbeihilfe war im vergangenen Oktober vom österreichischen Parlament beschlossen worden. Am 1. Januar 2019 ist sie für im Ausland lebende Kinder in Kraft getreten.

Damit werden ausländische Familien, deren Kinder in der Heimat leben, nur noch Kindergeld angepasst an die dort üblichen Lebenshaltungskosten bekommen. Dies hat zum Beispiel für Ungarn, Rumänen und Slowaken deutliche Kürzungen zur Folge. Für andere Staaten wie die Schweiz, in denen die Lebenshaltungskosten höher liegen, kann sich eine Erhöhung der Beiträge ergeben.

Die Brüsseler Behörde argumentiert, dass gleiche Beiträge auch zu den gleichen Vorteilen führen sollten. Damit wird in der EU-Kommission darauf Bezug genommen, dass Kindergeld und andere Familienleistungen in Ländern wie Österreich und Deutschland nur an diejenigen EU-Ausländer gezahlt werden, die auch in das jeweilige Sozialversicherungssystem einzahlen.

Diskussion auch in Deutschland

In Deutschland war ein Vorgehen wie in Österreich mehrfach diskutiert worden. Die deutschen Behörden zahlten im vergangenen Jahr Kindergeld in Höhe von rund 402 Millionen Euro ins Ausland. Unter den knapp 252.000 Kindern, für die Kindergeld in europäische Staaten oder die Türkei überwiesen wurde, bildeten die polnischen Kinder (123.855) die größte Gruppe.

Die Überweisungen sind in den vergangenen fünf Jahren stark gestiegen. 2012 war nach Angaben der Bundesregierung Kindergeld in Höhe von rund 75 Millionen Euro ins Ausland gegangen.

Die CSU hatte im Juni im Bundesrat einen Antrag zur Anpassung der Höhe des Kindergeldes an die Lebenshaltungskosten in dem Land, in dem das Kind lebt, vorgestellt. Der Finanzausschuss entschied jedoch, seine Beratungen zu der Initiative auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Als ein Grund gelten die Bedenken der EU-Kommission. (ank/APA/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.