Wie ergeht es Geflüchteten in Deutschland mit der deutschen Kultur? Wo sehen sie Unterschiede zur eigenen und womit tun sie sich schwer? Diese Fragen versucht eine aktuelle Studie zu beantworten - mit teils überraschenden Ergebnissen.
Viele Geflüchtete in Deutschland sehen erhebliche kulturelle Unterschiede zu den Einheimischen und tun sich damit zum Teil auch schwer. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von Flüchtlingen, die der unabhängige Sachverständigenrat Migration (SVR) am Donnerstag in Berlin vorlegte.
Unterschiede sehen die Befragten etwa bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie bei der Achtung von Freiheitsrechten: Diese Werte seien den Deutschen wichtiger als Menschen in ihrem Heimatland.
Flüchtlinge: Manche Unterschiede sind leicht handhabbar, andere weniger
In den genannten Bereichen nehmen die Flüchtlinge zwar erhebliche Unterschiede wahr - sie können damit nach eigenen Angaben aber relativ leicht umgehen. Bei anderen Themen fällt ihnen der Umgang nach eigener Aussage schwerer: So etwa beim Thema Homosexualität oder auch bei dem ihrer Ansicht nach eher schwach ausgeprägten Respekt der Deutschen für Familienwerte und für ältere Menschen.
In der Erhebung des Sachverständigenrats gaben 85 Prozent der Befragten an, dass es den Menschen in Deutschland "sehr wichtig" sei, dass Frauen und Männer in Deutschland gleiche Rechte und Pflichten hätten. In ihren Herkunftsländern sei das nur 49 Prozent wichtig. Die überwiegende Mehrheit der Befragten gab aber an, es falle ihnen leicht, mit diesen Unterschieden umzugehen.
Ähnliches gilt für den Bereich Rechtsstaatlichkeit. 80 Prozent der Befragten meinten, den Menschen in Deutschland sei es "sehr wichtig", dass das Gesetz alle Menschen gleich behandelt. In ihren Herkunftsländern seien es nur 57 Prozent. Auch dies war für die meisten Befragten nicht problematisch.
Umgang mit homosexuellen Menschen fällt schwerer
Größere Differenzen sahen die Befragten in der Frage der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen. 89 Prozent gaben an, dies sei den Menschen in Deutschland wichtig. In ihren Herkunftsländern seien es nur 30 Prozent. 40 Prozent der befragten Flüchtlinge gaben an, es falle ihnen schwer oder sehr schwer, sich auf diese Unterschiede einzustellen.
Große Unterschiede sahen die Befragten auch bei der Bedeutung der Familie und im Umgang mit älteren Menschen. Zwei Drittel meinten, dass die Menschen in Deutschland sich eher um sich kümmerten als um die Familie. Knapp 40 Prozent gaben an, der Umgang damit falle ihnen schwer oder sehr schwer.
Der Sachverständigenrat weist in der Studie darauf hin, dass das Thema Werte und Normen eine große Rolle in der politischen Debatte um Integration spiele und auch in den Integrationskursen für Migranten thematisiert werde. Es sollte aber "nicht überschätzt" werden, inwieweit Flüchtlinge durch solche Kurse wirklich beeinflusst werden könnten.
Sachverständige: Begegnung zwischen Kulturen ist am wichtigsten
Wichtig für die kulturelle Integration seien vor allem "Begegnungsprojekte und weitere Wege informeller Vermittlung", empfehlen die Sachverständigen. "Inhaltlich sollten Integrationsmaßnahmen noch stärker auf Aspekte der sexuellen Orientierung eingehen - besonders auf Homosexualität - und auf die emotionale Rolle der Familie."
Für die Erhebung ließ der Sachverständigenrat insgesamt 369 Flüchtlinge intensiv befragen. Die Stichprobe sei nicht repräsentativ für alle Flüchtlinge in Deutschland, allerdings bilde sie die wichtigsten Herkunftsländer ab und sei groß genug für "verlässliche Auswertungen".
Dem SVR, der auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der Volkswagen-Stiftung zurückgeht, gehören insgesamt sieben Stiftungen an. Er ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. (afp/ank)
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