Nach der Wahl bleibt Frankreichs Mitte-Regierung vorerst im Amt. Das siegreiche Linksbündnis sucht noch nach einem Premierminister. Offen ist noch, wie die Linken eine Regierung aufstellen wollen.

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Nach der Niederlage des Mitte-Lagers von Präsident Emmanuel Macron bei der Parlamentswahl in Frankreich bleibt die bisherige Regierung um Premierminister Gabriel Attal vorläufig im Amt. Zwar reichte Attal wie am Sonntagabend angekündigt seinen Rücktritt bei Macron ein. Um die Stabilität des Landes zu gewährleisten, bat der Staatschef Attal aber, mit seiner Regierung vorerst im Amt zu bleiben, wie der Élyséepalast in Paris mitteilte.

Das neue Linksbündnis in Frankreich will sich nach seinem Sieg bei der vorgezogenen Parlamentswahl auf einen Kandidaten für das Amt des Premierministers verständigen. Das aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und der Linkspartei bestehende Bündnis war ohne Spitzenkandidaten in die von Präsident Emmanuel Macron kurzfristig angesetzte Wahl gegangen, die es in der zweiten Wahlrunde am Sonntag für sich entschied.

Macron kann Premier auswählen

Präsident Macron steht zwar politisch in der Pflicht, einen Premierminister aus dem größten Lager zu ernennen, das sich zum Regieren bereit sieht. Dem Vorschlag dieses Lagers muss er aber nicht in jedem Fall folgen und kann auch einen anderen Vertreter aus dem Lager auswählen.

Das neue Linksbündnis hat die von Macron überraschend angesetzte Wahl nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewonnen. Es folgt Macrons Mitte-Lager auf dem zweiten Platz. Auf Rang drei liegt das nach der ersten Wahlrunde zunächst als Favorit gesehene Rassemblement National von Marine Le Pen. Das teilte das Innenministerium in Paris mit, ohne für alle gewählten Abgeordneten eine Zuordnung zu einem der großen Lager vorzunehmen.

Linksbündnis ist klarer Sieger der Wahl in Frankreich

Zur Bildung der Fraktionen haben die Parlamentarier bis zum 18. Juli Zeit. Nach Zählung der Zeitung "Le Monde" kommt das Linksbündnis Nouveau Front Populaire auf 182 Sitze, das Präsidentenlager auf 168 Sitze, das Rassemblement National (RN) und Verbündete auf 143 Sitze und der gemäßigte Teil der Républicains, die sich gegen eine Kooperation mit dem RN entschieden, auf 45 Sitze.

© AFP/THORSTEN EBERDING

Da weder das Linksbündnis noch das Präsidentenlager nach dem Wahlausgang über eine absolute Mehrheit verfügt, werden viele Bemühungen der nun anstehenden Regierungsbildung – der beiden Blöcke und auch von Präsident Emmanuel Macron – nun darauf gerichtet sein, mögliche Allianzen abzuklopfen. Zudem wird es darum gehen, einzelne Parlamentarier anderer Gruppen für das eigene Lager zu gewinnen. Kein Lager hat im Moment aber Aussicht, auf diesem Wege eine absolute Mehrheit zu schaffen.

Das Linksbündnis will möglichst noch in dieser Woche mitteilen, wer aus seiner Sicht Premier werden soll. "Wir müssen innerhalb einer Woche in der Lage sein, eine Kandidatur" für das Amt des Premierministers zu präsentieren, sagte Sozialistenchef Olivier Faure dem Sender Franceinfo. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass das Linksbündnis nicht in der Lage sei, zu regieren.

Über einen Kandidaten für das Amt des Premiers müsse in dieser Woche entschieden werden, entweder im Konsens oder über eine Abstimmung unter den zum Linksbündnis gehörenden Parteien. Einen Favoriten für das Amt des Regierungschefs, der von Macron ernannt werden muss, hat das Bündnis noch nicht.

Linkspartei sieht Mélenchon noch im Rennen

Die bisherige Fraktionschefin von Frankreichs Linkspartei, Mathilde Panot, sagte dem Sender RTL, dass das Linksbündnis in dieser Woche einen Premierminister und eine Regierung präsentieren werde.

Der wegen seines polemischen Auftretens umstrittene Gründer der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, ist aus Panots Sicht dabei weiterhin im Rennen. Mélenchon habe der Linken erst wieder das Siegen beigebracht und habe die Formierung eines Linksbündnisses vor der Parlamentswahl 2022 und auch jetzt erst möglich gemacht.

Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier plädierte im Interview des Sender France Inter für einen Konsens, was die Frage des Premiers angeht, statt eines Kräftemessens zwischen den verschiedenen Parteien. Wichtiger noch als die Frage, wer die Regierung leiten solle, sei die Frage, welche Politik ein künftiger Premierminister umsetzen wolle.

Große Koalition oder Minderheitsregierung?

Frankreichs gespaltene Linke hatte sich erst vor wenigen Wochen für die Wahl zum Nouveau Front Populaire zusammengeschlossen. Bei der Europawahl Anfang Juni waren die Parteien noch einzeln angetreten.

Streit gibt es innerhalb der Linken vor allem über die altlinke Führungsikone Mélenchon. Der Populist, der mit euroskeptischen Aussagen auffällt und einen klar propalästinensischen Kurs fährt, wird selbst in seiner Partei heftig kritisiert. Eine klare Führung hat das Bündnis aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen nicht. Auch ein gemeinsames Programm gibt es nicht.

Wie es weitergeht, ist vorerst unklar. Ob die Linken alleine eine Minderheitsregierung auf die Beine stellen können, ist ungewiss. Die anderen Fraktionen könnten eine solche Regierung per Misstrauensvotum stürzen.

Die Linken könnten auch versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte.

Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung übergangsweise die Amtsgeschäfte führen oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und eine Neuwahl wären erst im Juli 2025 wieder möglich.

Das Linksbündnis landete in der entscheidenden Wahlrunde am Sonntag überraschend auf Platz eins, vor Macrons Mitte-Lager auf Platz zwei sowie dem nach der ersten Wahlrunde zunächst als Favorit gesehene Rassemblement National von Marine Le Pen auf Rang drei. (dpa/ank)

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