Im Streit um eine Demonstration in der Bundeshauptstadt gegen die Corona-Maßnahmen haben Gerichte das letzte Wort gefällt. Die Veranstalter triumphieren, Berlins Innensenator steht schlecht da.
Berlin steht voraussichtlich ein Wochenende mit breiten Protesten gegen die deutsche Corona-Politik bevor.
Der umstrittene Demonstrationszug sowie die Kundgebung gegen die Corona-Politik können am Samstag in Berlin stattfinden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigte am frühen Samstagmorgen in zweiter Instanz, dass das Verbot der Berliner Polizei keinen Bestand hat. Diese Entscheidung ist nun rechtskräftig.
Bereits am Freitag hatte eine Verbotsverfügung der Polizei klargestellt, dass eine am Samstag geplante Demonstration mit Tausenden Teilnehmern aus ganz Deutschland unter Auflagen stattfinden kann. Für Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und die Polizei ist das erst einmal eine deutliche Niederlage.
Die Veranstalter der Initiative Querdenken 711 aus Stuttgart feierten bereits die Vorentscheidung als Sieg und riefen zur Teilnahme an dem Demonstration auf.
22.000 Teilnehmer sind für Samstag angemeldet
Zu der Kundgebung am Samstag hatte die Initiative 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet. Eine ähnliche Größenordnung erwartet die Polizei. Zuvor ist ein längerer Demonstrationszug durch Berlin-Mitte geplant. Auch ihn erlaubte das Verwaltungsgericht in einer zweiten Entscheidung, die ebenfalls zunächst noch nicht rechtskräftig war. Die Versammlungsbehörde der Polizei hatte diese größeren Aktionen und diverse kleinere Veranstaltungen am Mittwoch verboten.
Für den Fall, dass es dabei bleibt, kündigte die Polizei strenge Auflagen für die Teilnehmer an, die konsequent durchgesetzt würden. 3.000 Polizisten sollen bereitstehen, 1.000 davon kommen aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei. Sollten sich die Demonstranten etwa nicht an Abstandsregeln halten, würden die Sicherheitskräfte "sehr zügig" räumen, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Zugleich betonte die Polizei, sie sei immer gesprächsbereit.
Keine Voraussetzungen für ein Verbot
Als Grund für die mittlerweile gefallene Verbotsverfügung hatte sie angeführt, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen - oft ohne Maske und Abstand - ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Das habe bereits die Demonstration gegen die Corona-Politik am 1. August in Berlin gezeigt, bei der die meisten Demonstranten bewusst Hygieneregeln ignoriert hätten.
Das sahen die Gerichte nun anders und stellten fest: Für ein Verbot lägen keine Voraussetzungen vor. Eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit lasse sich weder aus dem Verlauf der Demo am 1. August noch aus der kritischen Haltung der Teilnehmer zur Corona-Politik ableiten. Die Veranstalter hätten ein Hygienekonzept vorgelegt und mit 900 Ordnern und 100 "Deeskalationsteams" Vorkehrungen getroffen. Auflagen für die Demo seien vom Land nicht hinreichend geprüft worden.
Maskenpflicht gehört nicht zu den Auflagen
Den Veranstaltern wurde allerdings vom Gericht die Auflage erteilt, die Hauptbühne zu verschieben, damit genügend Platz sei. Zwischen Videowänden müsse ebenfalls ausreichend Abstand sein, auch Absperrungen seien nötig. Zudem müsse der Veranstalter durch regelmäßige Lautsprecherdurchsagen und Ordner sicherstellen, dass alle den Mindestabstand einhalten. Eine Maskenpflicht gehört indes nicht zu den Auflagen. Das Gericht billigte der Polizei zu, weitere Auflagen zum Mindestabstand zu erlassen.
Der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, wertete den Richterspruch als "vollen Erfolg". "Das ist ein Erfolg für unsere Grundrechte, die wir haben und die wir uns nicht genehmigen lassen müssen", sagte der Vertreter der Initiative Querdenken. Er betonte, dass die Demonstration friedlich ablaufen solle. "Diejenigen, die zu Gewalt aufrufen, gehören nicht zu uns."
Polizei über "offene Gewaltbereitschaft" besorgt
Die Berliner Polizei zeigte sich über die im Internet formulierte "offene Gewaltbereitschaft" besorgt, wie Vizepräsident Marco Langner sagte. Es gebe auch viele Aufrufe von Rechtsextremisten zur Teilnahme an den Versammlungen. Der Einsatzleiter der Polizei, Stephan Katte, bemerkte dazu, er halte tatsächliche Gewaltausbrüche "eher für unwahrscheinlich und würde das auch am Ende nicht überbewerten wollen".
Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind die Mobilisierungsaufrufe von Rechtsextremisten "breiter und intensiver" als vor der Demonstration am 1. August. Dennoch dominieren sie nach Einschätzung der Behörde bislang nicht die Demonstrationen gegen die Corona-Politik. (dpa/fra/mf)
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