• Welche Gefahr geht von der Protestbewegung gegen die Corona-Politik aus?
  • Ein geleaktes Dokument und die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag geben Einblick in die Einschätzung des Bundeskriminalamts und der Regierung.
  • Die "Querdenker" ziehen demnach gewaltbereite Menschen an. Mit einer weiteren Radikalisierung Einzelner und kleiner Gruppen sei zu rechnen.

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Welche Gefahr geht von der Protestbewegung aus?

Die Protestbewegung gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist sehr heterogen. Zu den Demonstrationen kommen Verschwörungstheoretiker, Esoteriker und Impfgegner, Hooligans und Reichsbürger - und Menschen, die sich keiner dieser Gruppen zuordnen lassen. Das macht eine umfassende Bewertung schwierig.

Tendenziell gehen kleine Veranstaltungen laut Bundeskriminalamt (BKA) überwiegend friedlich über die Bühne, während teilnehmerstarke Veranstaltungen "eine Art Sogwirkung auch auf gewaltbereite Personen" hätten, die "dem Staat feindselig gegenüberstehen"; wodurch ihnen ein "deutlich erhöhtes Eskalationspotenzial" innewohne. So steht es in einem für interne Zwecke bestimmten Papier des BKA an die Landeskriminalämter, das Bundesinnenministerium und andere Behörden hervor, das im November geleakt wurde. Demnach lassen sich die gewaltbereiten Demonstranten jedoch selten klar einer Gruppierung zuordnen.

Welche Rolle spielen rechtsextreme Demonstranten?

Bei den Protesten der sogenannten "Querdenker" laufen regelmäßig Menschen mit rechtsextremem Hintergrund mit, auch sogenannte Reichsbürger. Oft sind sie an Symbolen wie der schwarzen Sonne auf rotem Grund oder der Reichskriegsflagge zu erkennen. Nach Einschätzung des BKA sind Rechtsextreme jedoch "nicht prägender Natur". So geht zum Beispiel aus einer Kleinen Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneter der Grünen an die Regierung hervor, dass bei den Demonstrationen in Leipzig am 7. November unter den laut Polizei rund 20.000 Teilnehmern auch eine "geringe Anzahl von rechtsextremistischen Kampfsportlern" war.

Nach Einschätzung der Bundesregierung sind einige Rechtsextremisten jedoch auf Ärger aus: "Es liegen vereinzelt Erkenntnisse vor, dass Rechtsextremisten, die aus dem Hooligan-Milieu stammen und/oder aktiv Kampfsport trainieren, gezielt Demonstrationen aufsuchen, die Potential für gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei oder dem politischen Gegner erwarten lassen", heißt es in dem Papier. "Dabei erscheinen die sogenannten Anti-Corona-Politik-Demonstrationen nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe und Unübersichtlichkeit im Hinblick auf Anzahl der Teilnehmer und deren Herkunft aus verschiedensten Spektren besonders attraktiv, da hier die körperliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner oder Repräsentanten des Staates gesucht werden kann."

So hatten bei Demonstrationen im Berliner Regierungsviertel am 18. November etwa 40 Hooligans versucht, eine Absperrung der Polizei zu durchbrechen, um zum Reichstag zu gelangen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Welche Rolle spielen linksextreme Demonstranten?

Linksextremisten findet man auf Demonstrationen gegen die Corona-Politik selten. Dagegen hat das BKA eine "wachsende Partizipation" von Linksextremisten bei Gegenveranstaltungen ausgemacht, darunter auch solche, die als gewaltbereit gelten. So wurden am 21. November Teilnehmer einer Corona-Demo von einer kleinen Gruppe mutmaßlicher Linksextremisten angegriffen und teils schwer verletzt.

Aus Sicht des BKA ist auch künftig mit Blockaden und Gewalttaten aus dem antifaschistischen Spektrum zu rechnen. "Diese könnten auch Personen treffen, die fälschlicherweise für Anhänger der rechten Szene gehalten werden, ebenso Polizisten und Mitarbeiter kommunaler Ordnungsbehörden."

Insgesamt habe der Streit um die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie das "ohnehin eskalationsträchtige Konfrontationsverhältnis Rechts/Links" verschärft, schreiben die BKA-Mitarbeiter.

Ist mit weiterer Radikalisierung zu rechnen?

Dass der Streit um den richtigen Umgang mit der Corona-Pandemie weite Teile der Bevölkerung radikalisiert, glaubt beim BKA niemand. Doch bei einzelnen Personen und kleinen Gruppen sehen die Experten eine Tendenz zur Radikalisierung. Eine Zunahme von Straftaten im Zusammenhang mit den Protesten scheint ihnen deshalb "realistisch", weitere Ausschreitungen müsse man "einkalkulieren".

Dazu passt, dass unter den Gegnern der Corona-Politik sogenannte Feindeslisten zirkulieren, wie die Bundesregierung auf Nachfrage der Grünen bestätigt. Vereinzelt sind laut BKA auch "Aktionen oder Straftaten im privaten Nahbereich" von Politikern oder anderen Hassgegnern der Szene denkbar.

Verwendete Quellen:

  • Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Monika Lazar, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
  • Schreiben des Bundeskriminalamts vom 27.11.2020: "Aktuelle Entwicklung im Protestgeschehen im Kontext der 'Covid-19-Pandemie'"
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