• Das Reformtempo bei der Gleichberechtigung von Männern und Frauen stockt.
  • Bei Gehalt und Führungspositionen ist häufig noch Luft nach oben.
  • Vor allem bei der Rente wird es für Frauen bitter.

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Beim derzeitigen Tempo von Reformen wird es einem Bericht der Weltbank zufolge noch mindestens 50 Jahre dauern, bis Frauen Männern rechtlich gleichgestellt sind. Das weltweite Reformtempo sei auf ein 20-Jahres-Tief gesunken und stelle damit ein potenzielles Hindernis für das Wirtschaftswachstum dar, hieß in dem am Donnerstag in Washington veröffentlichten Bericht.

In den untersuchten Volkswirtschaften genießen Frauen demnach im Schnitt nur 77 Prozent der gesetzlichen Rechte, die Männer haben. "Das bedeutet, dass Millionen junger Frauen, die heute ins Berufsleben eintreten, bis zur Rente warten müssen – viele sogar noch länger -, bevor sie gleiche Rechte erhalten."

2,4 Milliarden Frauen weltweit haben nicht dieselben Rechte wie Männer

Der Bericht hat Gesetze und Vorschriften in acht verschiedenen Bereichen in 190 Volkswirtschaften untersucht. Dabei hat sich die Weltbank unter anderem die Situation in den Bereichen Mobilität, Arbeitsplatz, Ehe, Elternschaft, Vermögen oder Ruhestand angeschaut. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass weltweit fast 2,4 Milliarden Frauen im erwerbsfähigen Alter noch immer nicht dieselben Rechte wie Männer haben.

Im Jahr 2022 sind der Untersuchung zufolge in 18 Ländern nur 34 geschlechtsspezifische Rechtsreformen durchgeführt worden. Das sei die niedrigste Zahl seit 2001. Es bräuchte allerdings noch mehr als 1.500 Reformen, um in den erfassten Bereichen eine wesentliche Gleichberechtigung zu erreichen.

Seit 1970 habe sich der weltweite Durchschnittswert von 45,8 auf 77,1 Punkte erhöht. Vor fünf Jahren lag dieser noch bei 73,8 Punkten. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts habe es starke Fortschritte gegeben. Seitdem habe aber eine "Reformmüdigkeit" eingesetzt.

Der Weltbank zufolge haben in nur 14 von 190 Volkswirtschaften Frauen bei allen gemessenen Indikatoren die gleichen gesetzlichen Rechte wie Männer. Dazu zählen neben Deutschland etwa auch Belgien, Dänemark, Frankreich, Schweden oder Spanien. Schlusslichter seien die palästinensischen Gebiete, Jemen und Sudan.

Aber auch für Deutschland macht der Bericht auf ein Problem aufmerksam: Wenn das Muster der Berufsunterbrechungen hierzulande unverändert bleibe, würden die Renten von Frauen 20 Prozent unter dem Durchschnitt liegen.

Frauen verdienen fast überall weniger als Männer

Zu dem Ergebnis, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden, kommt auch eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach verdienten Frauen in 45 von 46 untersuchten Branchen auch 2022 weniger als Männer, wie das WSI in einer am Freitag veröffentlichten Studie berichtete. Auch in Führungspositionen sind Frauen nach wie vor seltener zu finden.

Für die Studie wurden unter anderem Daten des Statistischen Bundesamts und des Mikrozensus verwendet. Als Indikatoren dienten unter anderem der Grad der Bildung, die Erwerbsarbeit (etwa Minijob oder Befristung), Voll- oder Teilzeitarbeit und Einkommen.

Männer verdienten der Studie zufolge 2022 branchenübergreifend im Durchschnitt 24,36 Euro brutto pro Stunde, Frauen 20,05 Euro – eine Differenz von rund 18 Prozent. Die Differenz schwankte dabei je nach Branche von 4 Prozent im Personen- und Güterverkehr bis zu 30 Prozent im Gesundheitswesen und sogar 32 Prozent in der Rechts- und Steuerberatung.

Einzige Ausnahme waren der Studie zufolge die Postdienste: Hier war der Stundenlohn der Frauen mit 16,26 Euro zwei Prozent höher als der von Männern mit 15,93 Euro.

Frauen bekleiden seltener Führungspositionen

Chefs gibt es der Studie zufolge nach wie vor deutlich häufiger als Chefinnen. In 26 von 34 Branchen, für die dazu Daten vorlagen, arbeiten Frauen seltener in leitender Funktion als Männer. Besonders ausgeprägt sei die Ungleichheit in dieser Hinsicht im Bereich Erziehung und Unterricht, wo 50 Prozent der Männer, aber nur 28 Prozent der Frauen eine Leitungsposition innehätten, heißt es in der Untersuchung.

Der einzige Bereich, in dem Frauen die Nase vorn hätten, sei der Personen- und Güterverkehr. Minijobs sind dagegen überwiegend Frauensache. Männer arbeiten deutlich häufiger als Frauen Vollzeit.

Viele Bereiche der Wirtschaft – besonders in der Industrie – sind laut Studie nach wie vor Männerdomänen. Im Maschinenbau, dem Hoch- und Tiefbau sowie bei Bauinstallation und Ausbaugewerbe liegt der Frauenanteil bei nur 17 Prozent.

In den Dienstleistungsbranchen ist der Anteil der Arbeitnehmerinnen dagegen generell höher. Drei Branchen sind sogar klar frauendominiert: Im Gesundheitswesen sind 80 Prozent der Beschäftigten weiblich, im Sozialwesen 76 Prozent, in Erziehung und Unterricht 72 Prozent. (dpa/the)


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