Die Kindergrundsicherung ist eines von vielen Streitthemen in der Ampelkoalition. FDP und Grüne griffen sich gegenseitig an und kommunizierten ihre Standpunkte offensiv über die Medien.

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Der koalitionsinterne Streit über die geplante Kindergrundsicherung geht weiter. FDP-Vize Johannes Vogel griff Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) scharf an: Paus sei "auf dem völlig falschen Trip", sagte Vogel dem "Spiegel". Bei der Kindergrundsicherung gehe es um "eine Reform der Sozialverwaltung, keine zusätzliche Sozialleistung". Paus und Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink wiesen die Kritik aus der FDP zurück und betonten die weitergehenden Ziele der Reform.

In der Kindergrundsicherung sollen ab 2025 familienpolitische Leistungen wie Kindergeld, Bürgergeld für Kinder und Kinderzuschlag zusammengeführt werden. Paus geht davon aus, dass dadurch mehr Menschen die ihnen jetzt schon zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen. Sie hält zudem aber auch eine Anhebung für nötig.

Die Ministerin erwartet durch die Kindergrundsicherung jährlich etwa zwölf Milliarden Euro zusätzliche Kosten. Die FDP geht hingegen von zwei bis drei Milliarden Euro aus. Die Koalition müsse die Verwaltung "entbürokratisieren und modernisieren und nicht einfach mehr Geld ausgeben wollen", sagte Vogel.

Grüne wollen Kinder aus der Armut holen

Aus ihrer Sicht müssten die Transferleistungen für Kinder schon vor der geplanten Einführung der Kindergrundsicherung 2025 steigen, allein wegen der Inflation, sagte dagegen Paus ebenfalls dem "Spiegel". "Da sind zwei Milliarden schnell weg, ohne dass wir eine strukturelle Verbesserung erzielt haben." Die von ihr berechneten zwölf Milliarden seien "eher knapp kalkuliert". Es gehe darum, "möglichst viele Kinder aus der verdeckten Armut" herauszuholen.

Paus hatte kürzlich vorgeschlagen, für eine teilweise Gegenfinanzierung den Kinderfreibetrag zu senken, den gut verdienende Eltern anstelle von Kindergeld erhalten. FDP-Vize Vogel lehnte dies ab. Paus schlage hier "eine Steuererhöhung für die Mittelschicht vor und genau das wollen wir nicht", sagte er dem "Spiegel".

"Die Kindergrundsicherung ist keineswegs nur - sondern auch - eine längst überfällige Verwaltungsreform", sagte Klein-Schmeink der Nachrichtenagentur AFP. Es gehe darum, "die bestehenden Leistungen so zusammenzufassen und zielgerichtet auszubauen, dass sie insgesamt gerechter sind und alle Kinder mit ihren Grundbedürfnissen erreichen". Im Koalitionsvertrag sei dafür "verankert, dass die Kindergrundsicherung auf einem neu definierten Existenzminimum fußt".

Sozialverbände springen Grünen zur Seite

"Die Kindergrundsicherung ist eine Investition in die Zukunft und in gute Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen", betonte die Grünen-Fraktionsvize weiter. Kinderarmut habe große Auswirkungen auf den Bildungserfolg und auf die gesundheitliche Entwicklung. "Indem wir mit der Kindergrundsicherung Kinderarmut vermindern, verbessern wir die Chancen vieler Kinder und Jugendlichen. Das muss unser aller Anliegen sein", betonte Klein-Schmeink.

Sozialverbände stellten sich auf die Seite der Grünen und forderten die FDP zum Einlenken auf. "Eine gute Kindergrundsicherung darf nicht im Milliardenpoker um Verteidigungsausgaben und Rückstellungen für den Austausch von alten Öl- und Gasheizungen auf der Strecke bleiben", erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele mit Blick auf verschiedene Streitthemen der Koalition. "Alle Ampel-Parteien müssen die Beseitigung der Kinderarmut endlich ernst nehmen und aufhören, dieses strukturelle Problem kleinzurechnen."

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und das Zukunftsforum Familie (ZFF) forderten mit einem gemeinsamen Brief Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf, seine "Blockadehaltung" aufzugeben. Lindner solle "das notwendige Geld für eine ambitionierte Umsetzung der Kindergrundsicherung im Rahmen der aktuellen Haushaltsplanungen" bereitstellen, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Schreiben.

Laut dem Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands sind in Deutschland 21,3 Prozent der Kinder von Armut betroffen. Besonders gefährdet sind Kinder von Alleinerziehenden. (afp/lko)

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