Im Prozess gegen den mutmaßlichen Halle-Attentäter hat ein Gutachter den Angeklagten als voll schuldfähig eingestuft.

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Ein Gutachter hat den mutmaßlichen Attentäter von Halle als voll schuldfähig eingestuft. "Es spricht nichts für eine krankhafte Störung", sagte der Sachverständige Norbert Leygraf am Dienstag in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Naumburg. Eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit sei "aus psychiatrischer Sicht nicht anzunehmen".

Es gebe keinen Hinweis darauf, das B. zur Tatzeit an einer psychiatrischen Erkrankung gelitten habe, sagte Leygraf. Es liege auch "keine isolierte wahnhafte Störung" vor.

Der Gutachter attestierte B. allerdings eine komplexe Persönlichkeitsstörung mit autistischen Zügen. "Die Auffälligkeiten in der Persönlichkeit haben Parallelen zu Merkmalen von autistischen Menschen", sagte Leygraf. Er schilderte B. als Einzelgänger, der kaum gewöhnlichen Kontakt zu anderen Menschen habe. Er habe Schwierigkeiten, sich in sein soziales Umfeld einzugliedern.

B. werden unter anderem zweifacher Mord und Volksverhetzung vorgeworfen

In seinem Weltbild hätten sich "ausländerfeindliche Überzeugungen und paranoide Verschwörungstheorien mit Antisemitismus verbunden", sagte Leygraf. Wann das geschehen sei, sei offen. Eine Plattform dafür habe er im Internet gefunden.

Neben dem psychiatrischen Gutachten wurde auch ein testpsychologisches Zusatzgutachten angefertigt. Nach Einschätzung einer Psychologin ist B. durchschnittlich intelligent. Ein Test habe einen IQ-Wert von 105 ergeben, das sei ein durchschnittlicher Wert, sagte die Gutachterin am Dienstag vor Gericht.

Auch die kognitiven Fähigkeiten des Mannes sind demnach unauffällig. Außerdem bescheinigte die Psychologin dem Angeklagten Anzeichen von Depression, Paranoia und eine gewisse Naivität.

Die Psychologin hatte den Angeklagten dafür rund drei Stunden lang während seiner Untersuchungshaft untersucht und hatte ihm dafür mehrere Fragebögen vorgelegt. Bei der Beantwortung habe der Angeklagte oft und an merkwürdigen Stellen gelacht und außerdem einige Formulierungen korrigiert, berichtete die Psychologin.

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Halle-Attentäter B. hatte im Juli begonnen. Ihm werden unter anderem zweifacher Mord, mehrfacher Mordversuch und Volksverhetzung sowie weitere Straftaten zur Last gelegt.

B. soll am 9. Oktober vergangenen Jahres während der Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht haben, bewaffnet in die Synagoge in Halle einzudringen und die dort versammelten Menschen zu töten.

Bundesanwaltschaft sieht bei B. antisemitische, rassistische und fremdenfeindliche Gesinnung

Als ihm dies nicht gelang, erschoss der 28-Jährige auf offener Straße eine Passantin und einen Mann in einem Dönerimbiss. Auf der anschließenden Flucht verletzte er weitere Menschen, bevor er gefasst werden konnte.

Laut der Anklage der Bundesanwaltschaft handelte B. aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus. B. räumte die Tatvorwürfe zum Prozessauftakt grundsätzlich ein.

Ab Mitte November könnten die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklägern und Verteidigung gehalten werden. Bislang sind mögliche Fortsetzungstermine bis Dezember eingeplant. Der Prozess findet aus Sicherheits- und Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt. (AFP/dpa/lh)

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