Wer Grundsicherung bezieht und ein Jobangebot ausschlägt, muss bisher mit empfindlichen Kürzungen der Leistungen rechnen. Diese Sanktionen haben die Verfassungsrichter nun für teilweise verfassungswidrig erklärt.

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Die monatelangen Leistungskürzungen, mit denen Jobcenter unkooperative Hartz-IV-Bezieher sanktionieren, sind teilweise verfassungswidrig. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag verkündet (Az. 1 BvL 7/16).

Nach dem Prinzip "Fördern und Fordern" drehen die Jobcenter Hartz-IV-Empfängern den Geldhahn zu, wenn diese ihren Pflichten nicht nachkommen. Wer ein Jobangebot ausschlägt oder eine Fördermaßnahme ablehnt, läuft Gefahr, dass ihm für drei Monate 30 Prozent des sogenannten Regelsatzes gestrichen werden.

Wer innerhalb eines Jahres mehrfach negativ auffällt, verliert 60 Prozent oder im Extremfall sogar das gesamte Arbeitslosengeld II, auch die Kosten für Unterkunft und Heizung. Ist eine Sanktion einmal verhängt, gilt sie immer drei Monate.

Kürzung um 60 Prozent ist verfassungswidrig

Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind insbesondere die Kürzungen um 60 Prozent oder mehr. "Der Gesetzgeber schafft hier für die betroffenen Menschen, denen dann ein Teil des Existenzminimums fehlt, eine außerordentliche Belastung", sagte Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth. Eine Minderung um 60 oder gar 100 Prozent sei nicht zumutbar.

Um 30 Prozent dürfen die Leistungen weiter gekürzt werden. Die Jobcenter können aber ab sofort je nach Einzelfall darauf verzichten. Außerdem darf die Kürzung nicht volle drei Monate aufrechterhalten werden, wenn der Betroffene sich einsichtig zeigt. Der Gesetzgeber muss die Vorschriften überarbeiten.

Laut Harbarth spielte für den Senat eine entscheidende Rolle, dass die Wirkung der Sanktionen mehr als 14 Jahre nach Einführung von Hartz IV immer noch nicht umfassend untersucht ist. Es gebe viele offene Fragen. Die Entscheidung der Richter kam einstimmig zustande.

Besonders scharfe Sanktionen für unter 25-Jährige wurden nicht geprüft

In dem Verfahren ging es nicht um kleinere Verfehlungen wie einen verpassten Termin beim Amt, die mit einer zehnprozentigen Kürzung geahndet werden. Überprüft wurden auch nicht die besonders scharfen Sanktionen für junge Hartz-IV-Empfänger unter 25 Jahren.

Das Urteil geht zurück auf eine Vorlage des Sozialgerichts im thüringischen Gotha. Die Richter dort hatten eines ihrer Verfahren ausgesetzt, um die Vorschriften vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. In dem zugrundeliegenden Fall musste ein Arbeitsloser mit 234,60 Euro weniger im Monat auskommen, weil er einen Job abgelehnt und Probearbeit verweigert hatte.

2018 verhängten die Jobcenter rund 904.000 Sanktionen, in gut drei Viertel der Fälle wegen nicht eingehaltener Termine.

Der Hartz-IV-Satz für einen alleinstehenden Erwachsenen liegt derzeit bei 424 Euro. Zum 1. Januar steigt er auf 432 Euro.(ank/dpa)

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