TK-Chef Jens Baas und Gesundheitsminister Karl Lauterbach sind sich einig, dass das Gesundheitssystem zu teuer ist. Für Baas kommt von der Politik aber zu wenig, um daran wirklich etwas zu ändern.

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Der Chef der größten deutschen Krankenkasse TK, Jens Baas, befürchtet ohne politisches Eingreifen einen mittelfristigen Anstieg der Krankenkassenbeiträge auf 20 Prozent. "Das wird in diesem Jahrzehnt noch passieren, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteuert", sagte Baas der "Süddeutschen Zeitung". Er sei nicht optimistisch, dass es zu grundlegenden Reformen im Gesundheitssystem komme. "Die Politik will das nicht ändern, notwendige Umverteilungen oder Reformen sind eben alles andere als bequem", sagte der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse.

Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn stark angestiegen

Zu Jahresbeginn hat die überwiegende Zahl der 94 gesetzlichen Krankenkassen den Zusatzbeitrag kräftig auf im Schnitt 2,91 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens angehoben. Dieser kommt auf den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns obendrauf. Der Durchschnitt aller Kassen liegt bei rund 17,5 Prozent. Der GKV-Spitzenverband war zuletzt davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Krankenversicherung auch im nächsten Jahr weiter angehoben werden.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält im Interview mit unserer Redaktion dagegen. "Wir brauchen eine Fortführung der Strukturreformen. Die Kosten werden sonst weiter steigen, und zwar erbarmungslos. Unser System ist das teuerste in ganz Europa und wir haben eine mittelmäßige Behandlungsqualität."

Der SPD-Politiker hat gleich mehrere Baustellen ausgemacht. Bei den Kliniken würde jedes dritte Bett leer stehen. Dazu würde zu viel operiert und zu viel stationär gemacht. "Die Krankenhausreform wird bei einer Senkung der Kosten durch mehr Spezialisierung zu besserer Qualität führen", sagt Lauterbach.

Hier stimmt auch Baas zu. Bei der "SZ" sagt er: "Wir brauchen die Logik 'digital vor ambulant vor stationär'. Ich finde, es sollte ein Tool für die digitale Symptom-Einschätzung geben, das Orientierung bietet und sagt, wie ernst ein Problem ist und was der nächste, richtige Behandlungsschritt wäre – schon bevor ich einen Termin beim Arzt mache."

Lauterbach hofft auf elektronische Patientenakte

Besonders die elektronische Patientenakte könne hier Kosten einsparen, erklärt Lauterbach. Mit ihr werde es möglich sein, "dass der Patient etwa bei einer Grippe oder einem Sportunfall per Videoschalte telemedizinisch behandelt werden kann. Der Arzt wiederum kann direkt alle Befunde einsehen und so entscheiden, ob der Patient doch in die Praxis kommen muss. Der Patient muss also gar nicht in die Praxis kommen. Von aktuell einer Milliarde Arzt-Patient-Kontakten kann so bis zu ein Drittel eingespart werden."

Dem TK-Chef stößt auch das Ungleichgewicht zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen auf. Dort würden viele Menschen arbeiten, die versuchen würden, die Welt besser zu machen. "Die Unternehmen sind aber extrem kommerzialisiert und natürlich gewinnorientiert. Viele Pharmakonzerne geben deutlich mehr für Werbung und Vertrieb aus als für Forschung." Baas bemängelt, dass die Pharmakonzerne immer wieder zu viel Druck ausüben können und bei ihrer Preisgestaltung kaum reguliert werden. Hier sieht er auch die Politik in der Pflicht, den Spieß umzudrehen und die sprichwörtliche Pistole an die Brust der Pharmariesen zu setzen. (the)

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