Das Zeitfenster, um im Sinne der Umwelt handeln zu können, schließt sich mit jeder Minute mehr. Deutschland sitzt in der Treibhausgas-Falle. Die Bundesumweltministerin will den CO2-Preis einführen, um dem Bürger das Umdenken zu erleichtern.
Bundesumweltministerin
Die Milliardeneinnahmen aus einem CO2-Preis könnten als "Klimaprämie" an die Bürger zurückfließen, schlug die SPD-Politikerin am Freitag in Berlin vor. So werde klimafreundliches Verhalten belohnt.
Vor allem Familien mit Kindern könnten über die pro Kopf ausgezahlte Prämie mehr Geld zurückbekommen, als sie zahlen müssten: "Wer sich für eine klimafreundliche Variante entscheidet, der kann ein Plus machen."
Schulze stellte drei Gutachten zur Ausgestaltung und Wirkung eines solchen CO2-Preises vor, für den viele Klimaschützer und Ökonomen schon lange werben.
Besonders wichtig sei, dass es sozial gerecht zugehe, betonte sie. Bürger mit geringen und mittleren Einkommen sollten nicht zusätzlich belastet werden, auch auf Pendler und Mieter mit schlecht isolierten Wohnungen und älteren Heizungen will sie Rücksicht nehmen.
Die Energiesteuern zu erhöhen, sei ein schnell gangbarer Weg. Sie sei aber noch nicht auf ein Modell festgelegt, betonte die Ministerin. Entschieden werde im Klimakabinett. Die große Koalition hat Grundsatzentscheidungen zum Klimaschutz für die zweite Septemberhälfte angekündigt.
Die Union weiß noch nicht, was sie will
Die Union hat noch keine klare Position - Teile von CDU und CSU lehnen den CO2-Preis strikt ab, andere halten ihn für ein gutes Instrument. Mitte September will die Union sich für ein Klimaschutz-Konzept entscheiden.
Beim CO2-Preis geht es darum, den Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2), die die Erderhitzung beschleunigen, teurer zu machen. Deutschland verpasst derzeit eigene und internationale Klimaziele und ist auch für das Ziel für 2030 - 55 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 - nicht auf Kurs.
Schulze hatte Gutachten in Auftrag gegeben beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), beim Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung sowie beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Der Schwerpunkt der Studien liegt bei einem Modell, das mit 35 Euro pro Tonne CO2 einsteigt und sich schrittweise auf 180 Euro pro Tonne im Jahr 2030 steigert.
Laut FÖS-Experte Uwe Nestle würde ein Einstiegspreis von 35 Euro bedeuten, dass Diesel und Heizöl um etwa 11 Cent pro Liter teurer würden, Benzin um nicht ganz zehn Cent und Erdgas um knapp ein Cent pro Kilowattstunde.
Damit würden die Höchstpreise der vergangenen zehn Jahre für Sprit und Heizöl nicht erreicht, sagte er. Wichtig für die Lenkungswirkung sei, dass vor Anfang an klar sei, dass der CO2-Preis nach und nach steige.
Die Experten rechnen verschiedene Modelle durch
Um zu berechnen, wie das den Klimaschutz voranbringt, haben die Experten unter anderem Erfahrungen aus der Ökosteuer und aus dem Ausland ausgewertet.
Bis 2030 könnten in den Bereichen Verkehr und Heizen über den CO2-Preis 6 bis 22 Prozent der Treibhausgase eingespart werden, was 19 bis 74 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entspreche - allerdings seien Technologiesprünge, die der CO2-Preis ja befördern soll, dabei nicht eingerechnet. Sie könnten dazu führen, dass die Einsparungen noch viel größer ausfielen.
Claudia Kemfert vom DIW erklärte, bei einem Startpreis von 35 Euro pro Tonne auf Kraft- und Heizstoffe und einer "Klimaprämie" von 80 Euro pro Person und Jahr würde etwa eine alleinstehende Arbeiterin, die ein Auto hat und zur Miete wohnt, mit fünf Euro mehr im Monat belastet.
Ein Paar ohne Kinder mit zwei Autos und eigenem Haus zahle 12 Euro im Monat drauf, eine Familie mit einem Kind, Mietwohnung und ohne Auto habe 27 Euro mehr in der Tasche.
Umweltministerin Schulze sagte, die Gutachten zeigten, dass eine sozialverträgliche CO2-Bepreisung möglich sei. Sie sei kein "Allheilmittel" - es brauche zwingend weitere Maßnahmen, um den Klimaschutz in Deutschland voranzubringen, darunter Förderprogramme und ordnungsrechtlichen Vorgaben. (hau/dpa)
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