Der Staat will Kinder pflegebedürftiger Eltern künftig seltener zur Kasse bitten. Gleichzeitig sollen auch die Eltern von erwachsenen behinderten Kindern finanziell entlastet werden.

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Viele Pflegebedürftige fürchten den Gang ins Heim - auch wegen der hohen Kosten, für die oft die eigenen Kinder zumindest teilweise aufkommen müssen. Diese Sorge soll ihnen nun genommen werden.

Das Kabinett beschloss dazu am Mittwoch das sogenannte Angehörigen-Entlastungsgesetz von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), dem Bundestag und Bundesrat aber noch zustimmen müssen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Neuregelung.

Wie sieht die derzeitige Rechtslage aus?

Heute springt zunächst das Sozialamt ein, wenn Pflegebedürftige etwa die Heimkosten nicht zahlen können. Aber in vielen Fällen holt sich die Behörde das Geld zumindest teilweise von den Angehörigen zurück.

"Das führt zu Unfrieden, das führt aber vor allem zu unkalkulierbaren finanziellen Risiken gerade für die Mitte der Gesellschaft", sagte Heil. "Es sind Menschen oft der mittleren Generation, die jeden Tag arbeiten, die zum Teil kleine Kinder erziehen und die gleichzeitig erleben, dass ihre Angehörigen pflegebedürftig werden."

Am Beispiel eines Alleinstehenden bedeutet das: Ihm steht ein Selbstbehalt von mindestens 1.800 Euro monatlich zu. Von seinem darüber hinausgehenden Einkommen können in der Regel 50 Prozent für den Unterhalt pflegebedürftiger Angehöriger eingezogen werden.

Allerdings gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, eine etwaige Zahlungsverpflichtung zu reduzieren. Vermögen, wie beispielsweise ein angemessenes Eigenheim, muss grundsätzlich nicht eingesetzt werden, wenn es der eigenen Alterssicherung dient.

Was ändert sich durch die Neuregelung?

Künftig soll nur noch zahlen müssen, wer mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr verdient. Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gilt diese Regelung schon jetzt. Neben dem Arbeitseinkommen gehören dazu auch Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung oder Wertpapierhandel.

Es muss aber niemand für seine Schwiegereltern aufkommen: Die Verpflichtung gilt nur für Verwandte ersten Grades. Verdient eine verheiratete Frau mehr als 100.000 Euro, ihr Mann aber weniger, muss sie nicht einspringen, wenn es um dessen Vater oder Mutter geht.

Wie viele Menschen werden von dem neuen Gesetz profitieren?

Laut Gesetzentwurf ist die Zahl derer, die von den Plänen profitieren, nur grob zu schätzen. Insgesamt sollen es rund 275.000 Menschen sein, davon in rund 55.000 Fällen Kinder von Eltern im Pflegeheim, in den meisten Fällen aber Eltern erwachsener behinderter Kinder.

Was ändert sich für Angehörige behinderter Menschen?

Bislang müssen Eltern sich an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligen, auch wenn ihr Kind volljährig ist. Dabei kann es um die barrierefreie Ausgestaltung der Wohnung oder einen Gebärdendolmetscher gehen.

Auch hier gilt künftig, dass der Rückgriff erst bei einem Einkommen von über 100.000 Euro stattfindet.

Welche finanziellen Belastungen kommen auf die öffentliche Hand zu?

Die Kosten werden auf bis zu 319 Millionen Euro für Länder und Kommunen und 79 Millionen Euro für den Bund im Jahr 2023 geschätzt. Weil dem Gesetz der Bundesrat noch zustimmen muss, könnte es aber noch Diskussionen über die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern geben.

Was sagen Gegner und Befürworter?

Die Kommunen warnen vor Belastungen in Milliardenhöhe für ihre Haushalte. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte den Funke-Zeitungen: "Es ist grundsätzlich zumutbar, dass Kinder und Eltern gegenseitig füreinander einstehen. Daran sollte nicht gerüttelt werden."

Der Sozialverband VdK hingegen begrüßt das Gesetz, weil es älteren Menschen aus einer schwierigen Lage helfe, wie Präsidentin Verena Bentele ebenfalls in den Funke-Zeitungen erläuterte: "Sie gehen nicht ins Heim, obwohl sie zu Hause nicht mehr ausreichend versorgt werden können, damit ihre Kinder nicht belastet werden."

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach stimmt zu: "Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt gegen die hohe Dunkelziffer derer, die dringend benötigte und ihnen zustehende Sozialleistungen nicht in Anspruch nehmen, weil sie einen Rückgriff auf die Einkünfte ihrer Kinder oder Eltern befürchten." (mcf/dpa/AFP)

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