Die Wärmeversorgung von morgen wird vor allem auf Wärmepumpen beruhen. Im Gebäudebereich haben sie bereits andere Heizungsalternativen bei der Gesamtkostenrechnung überholt. In den kommenden Jahren werden sie als Großwärmepumpen auch Wärmenetze und Industrieprozesse mit klimafreundlicher Wärme versorgen und die Abhängigkeit vom Erdgas beenden. Wichtige Hersteller sitzen in Deutschland – doch beim Ausbau sind andere Länder schon weiter.

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Was sind Großwärmepumpen?

Vom technischen Grundprinzip her gleichen Großwärmepumpen den Gebäudewärmepumpen, wie sie heute als Heizungen moderner Standard sind. Sie beruhen auf der Kaltdampfkompression, die seit Jahrzehnten aus Kühlschränken bekannt ist. Die Anlagen entziehen mithilfe von Strom einer Umweltquelle Wärme, heben diese Wärme auf ein höheres Niveau und versorgen damit das Wasser im Heizkreislauf. Die bereitgestellte Wärmeenergie beträgt dabei ein Vielfaches der verbrauchten elektrischen Energie.

Als Wärmequelle kommen, wie bei Gebäudewärmepumpen, Außenluft und Erdreich infrage, vor allem aber Gewässer – Flüssen, Seen und Meere – sowie die Abwärme von Industrieprozessen. Bisher setzen die meisten Projekte auf Gewässer. "Luft-Wärmepumpen sind günstig, aber groß und laut, aber zum Beispiel an Kraftwerksstandorten möglich", erklärt Peter Schossig, Leiter des Bereichs "Wärme und Gebäude" am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme.

Erdwärme sei pro Kilowatt noch teuer. "Die Kombination mit Geothermie ergibt aber durchaus Sinn, weil die Wärme dort schon hoch ist", sagt Schossig. Aufgrund des Zeitaufwands für Exploration, Genehmigungsprozesse und mehr dürfte die Kombination aus Tiefengeothermie und Großwärmepumpe allerdings erst ab Ende dieses Jahrzehnts in der Wärmewende an Bedeutung gewinnen.

Generell gilt: Die Leistung von Großwärmepumpen reicht von einigen Hundert Kilowatt bis zu mehreren Dutzend Megawatt. Limitierend ist dabei weniger die Technik als die Wärmemenge, die der Umweltquelle kontinuierlich entnommen werden kann.

Wo werden Großwärmepumpen genutzt?

Es gibt zwei Anwendungsfelder: Zum einen sollen Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen die wegfallende Abwärme der fossilen Großkraftwerke ersetzen. "Es ist leichter, Wärmenetze zu dekarbonisieren als Einzelgebäude", erläutert Schossig. In einem sogenannten Reallabor entstehen, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium, bis 2026 an fünf Standorten Großwärmepumpen mit Leistungen zwischen 1,12 und 22 Megawatt: zwei in Berlin, weitere in Mannheim, Rosenheim und Stuttgart.

Die erste Anlage soll schon in diesem Oktober in Betrieb gehen. Ein Reallabor sind die Projekte deshalb, weil mit ihnen untersucht wird, wie sich unterschiedliche Wärmequellen, die Lage im deutschen Stromnetz und weitere Parameter auswirken. Die Rheinenergie AG in Köln hat in diesem Sommer zudem eine Großwärmepumpe mit 150 Megawatt Leistung in Auftrag gegeben, die ab 2027 30.000 Haushalte mit Wärme versorgen soll.

Zum anderen benötigen viele Industrien Dampf als Arbeitsmedium. Mit grünem Strom betriebene Großwärmepumpen könnten die dafür nötige Wärme liefern – zumindest in Branchen, die Temperaturen unter 200 Grad benötigen, etwa Papierherstellung, Pharmaindustrie, manche Chemieprozesse und die Lebensmittelherstellung. Wo Temperaturen von 500 Grad und mehr erforderlich sind, dürfte die Wärme künftig bereitgestellt werden, indem die Anlagen grünen Wasserstoff verbrennen.

"Im Industriebereich will aber jeder der Dritte sein", sagt Schossig und will damit sagen: Bislang gibt es wenig Erfahrung mit Großwärmepumpen und entsprechende Zurückhaltung. Denn steht die Pumpe still, ruht die ganze Produktion. In der Industrie dürften derartige Anlagen daher ein paar Jahre später Einzug halten als in Fernwärmenetzen. Allerdings gibt es schon Unternehmen, die Großwärmepumpen nutzen, etwa Schwarzwaldmilch in Freiburg.

"Als im vergangenen Jahr der Gaspreis hoch war, gab es einen Boom an Nachfragen, aber jetzt liegen viele Projekte wieder auf Eis", berichtet Schossig. Noch ist es billiger, Kohle und Gas zu verbrennen, als Strom zu nutzen. "Aber das verschiebt sich von Jahr zu Jahr", sagt der Energiesystemexperte. "Auf mittlere Sicht wird Strom billiger und wir werden volkswirtschaftlich wie ökologisch froh sein, weniger Gas zu brauchen."

Warum baut ein deutscher Konzern eine Großwärmepumpe in Dänemark und keine bei uns?

Die unlängst im dänischen Esbjerg installierte Großwärmepumpe wurde vom deutschen Konzern MAN Energy Solutions hergestellt, wenn auch am Standort Zürich. Die Anlage nutzt Windstrom, um Wärme des Meerwassers zu verdichten und über ein Fernwärmenetz 25.000 Haushalte zu versorgen. "Dänemark hat als Gesellschaft schon vor Jahren entschieden, sich vom Erdgas zu verabschieden", sagt Schossig. Inzwischen habe Dänemark "unfassbar viel grünen Strom".

In Deutschland ist das regional unterschiedlich: Während Süddeutschland noch einige Zeit grünen Strom importieren muss, unter anderem, weil der Ausbau der Windenergie politisch blockiert wurde, haben andere Bundesländer zeitweise grünen Strom im Überfluss. Der ist erforderlich, um Großwärmepumpen klimafreundlich zu betreiben. "An den Küsten werden wir dafür bald mehr Großwärmepumpen sehen, da dort schon heute so viel Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, dass die Anlagen immer wieder abregeln müssen", erwartet Schossig.

Hinderlich ist in Deutschland auch die hohe Spreizung zwischen Strom- und Gaspreis. "Wir haben nicht früh und konsequent genug auf erneuerbare Energien gesetzt", kritisiert der Forscher. Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg sekundiert: "Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz der letzten Bundesregierung hat es der fossilen Wärmebereitstellung einfach gemacht. Gegen diese Preise kann keine Großwärmepumpe konkurrieren."

Zudem würden auf Strom viele Umlagen erhoben, die die Kosten treiben und bei Gas nicht anfallen. "Auch dass die Mehrwertsteuer in der Ukraine-Krise für Gas gesenkt wurde, aber nicht für Strom, hatte eine falsche Lenkungswirkung", sagt Schossig. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil es mit MAN, Siemens und einigen anderen in Deutschland wichtige Hersteller von Großwärmepumpen gibt.

Pehnt ist jedoch zuversichtlich: "Zusammen mit dem Gebäudeenergiegesetz, dem Wärmeplanungsgesetz und dem steigenden CO2-Preis werden Großwärmepumpen jetzt massiv kommen."

Welche Rolle spielen Großwärmepumpen für die Energiewende?

"Ab 2035 bis 2040 werden Wärmepumpen der wichtigste Teil unserer Wärmeversorgung sein", berichtet Schossig aus der Energiesystemanalyse seines Instituts, Gebäude- und Großwärmepumpen zusammengenommen. Ergänzt werden sie durch Spitzenlastkraftwerke, die grünen Wasserstoff verbrennen. Etwa ein Drittel aller Haushalte dürfte in der Zukunft durch Wärmenetze versorgt sein, sagt Pehnt.

Faktoren sind etwa die örtliche Nachfragedichte und die Verfügbarkeit einer günstigen Wärmequelle. "Viele natürliche Wärmequellen liegen recht konzentriert", weiß der Forscher um eine wichtige Einschränkung. "Aber wenn man als Kommune eine größere Kläranlage hat und die Wärme von deren Auslauf nicht nutzt, wäre man schon blöd." Damit bleiben Gebäudewärmepumpen für zwei Drittel aller Haushalte die Heizung der Wahl, insbesondere im ländlichen Bereich, wo oft kein Wärmenetz liegt.

Außerdem gibt es das Konzept der kalten Nahwärme: Ein Rohrnetz verteilt Wasser auf niedrigen Temperaturen, das etwa aus einer Erdsonde, Gewässern oder Abwärmequellen stammt. Dezentrale Wärmepumpen in den einzelnen Gebäuden nutzen dieses Wasser als Wärmequelle zum Heizen der Gebäude. "Es gibt schon mehr als ein Dutzend solcher kalten Wärmenetze in Deutschland – Tendenz stark steigend", berichtet Pehnt. "Das ist dort gut, wo man aus Lärm- oder Platzgründen nicht an jedem Gebäude ein Außengerät aufstellen möchte."

Der erwartbare Boom der Großwärmepumpen spricht daher nicht dagegen, jetzt bei der eigenen Heizung auf Gebäudewärmepumpen zu setzen: "Wenn Ihnen die kommunale Wärmeplanung nicht sagt, dass in den nächsten Jahren der Anschluss an ein Wärmenetz zu erwarten ist, dann ist in vielen Gebäuden eine individuelle Wärmepumpe die beste Lösung", empfiehlt der Energiesystemexperte.

Für ifeu-Forscher Pehnt ist das auch ein Aufruf an die Kommunen: "Sie müssen jetzt gucken, was möglich ist und wie man die Wärmewende den Bewohnern einfach machen kann. Und wo es keine Stadtwerke gibt: Welche Akteure brauche ich, um diese Wärmenetze zu betreiben?"

Verwendete Quellen:

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