Kraftprobe auf den Straßen von Caracas: Der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó zieht einige Soldaten auf seine Seite. Sie können den Oppositionsführer Leopoldo López aus dem Hausarrest befreien. Der erhoffte Umsturz gelingt aber nicht sofort. Demonstranten und Sicherheitskräfte liefern sich heftige Kämpfe in der Hauptstadt.
Bei einer neuen Kraftprobe zwischen dem selbst ernannten Interimspräsidenten
Demonstranten schleuderten am Dienstag Steine und Brandsätze auf die Beamten. Angehörige der Nationalgarde feuerten mit Tränengas und Schrotmunition in die Menge. Im Fernsehen war zu sehen, wie ein Panzerwagen in eine Menschengruppe raste.
Nach Angaben der Opposition wurden bei den Kämpfen mindestens 69 Menschen verletzt. Die meisten seien durch Schrotkugeln verwundet worden, schrieb der Bürgermeister der Oppositionshochburg Chacao, Gustavo Duque, am Dienstag auf Twitter. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Foro Penal wurden im ganzen Land mindestens 83 Menschen bei Demonstrationen festgenommen.
Oppositionsführer aus Hausarrest befreit
Zuvor hatte Guaidó einige Soldaten auf seine Seite gezogen und den Rest der Streitkräfte dazu aufgerufen, Präsident Maduro die Gefolgschaft aufzukündigen und sich der Opposition anzuschließen. "Maduro hat heute nicht mehr die Unterstützung der Streitkräfte", sagte Guaidó in einer Videobotschaft.
Abtrünnige Soldaten befreiten zudem den seit Jahren inhaftierten Oppositionsführer Leopoldo López aus dem Hausarrest. Der Gründer der Partei Voluntad Popular suchte mit seiner Frau und seiner Tochter zunächst in der chilenischen Botschaft Schutz und zog später in die diplomatische Vertretung Spaniens weiter.
Präsident Maduro erklärte den Aufstand später für gescheitert. "Ich danke der Militärführung für den Mut bei der Verteidigung des Friedens", sagte er in einer Ansprache am Dienstagabend (Ortszeit). Nach seiner Darstellung wurden die Soldaten unter einem Vorwand zu einer Autobahn nahe dem Militärstützpunkt La Carlota gelockt worden.
Als sie merkten, dass es sich um einen Coup der Opposition handelte, seien die meisten umgekehrt, sagte Maduro. Gegen den harten Kern von etwa 20 abtrünnigen Soldaten ermittele nun die Generalstaatsanwaltschaft. "Diese Verräter werden ihr Schicksal noch kennen lernen", sagte Maduro.
Verbündete brachten sich in Stellung
Tatsächlich gelang es der Opposition trotz des spektakulären Coups offenbar zunächst nicht, größere Truppenteile auf ihre Seite zu ziehen. Verteidigungsminister Vladimir Padrino gelobte Maduro die Treue und erklärte, alle Kasernen und Stützpunkte seien unter Kontrolle.
Auch die regierungstreuen Banden - sogenannte Colectivos - versprachen Maduro ihre Unterstützung. "Es ist der Moment gekommen, in dem wir die Revolution mit Waffen verteidigen", sagte der Chef der Gruppe La Piedrita, Valentín Santana, in einem am Dienstag veröffentlichten Video und streckte ein Schnellfeuergewehr in die Kamera. "Wir werden unseren Präsidenten Nicolás Maduro verteidigen."
Während auf den Straßen von Caracas mit harten Bandagen um die Macht gerungen wurde, brachten sich auf dem internationalen Parkett die Verbündeten in Stellung. Aus den USA, Europa und vielen lateinamerikanischen Staaten erhielt Guaidó Unterstützung. Russland, die Türkei, Kuba und Bolivien hingegen stellten sich hinter Maduro.
Guaidó möchte Druck auf Maduro erhöhen
Bundesaußenminister Heiko Maas hoffte angesichts der brenzligen Lage weiterhin auf eine friedliche Lösung. "Wir wollen nicht, dass es eine Entwicklung gibt, in der die Waffen sprechen", sagt er nach einem Treffen mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. "Jetzt wird es erst einmal darum gehen, verantwortungsvoll zu handeln. Wir wollen das nicht militärisch lösen, sondern politisch. Nur das ist wirklich nachhaltig. Dazu können alle ihren Beitrag liefern."
Oppositionsführer Guaidó allerdings will die Gunst der Stunde nutzen und den Druck auf Maduro weiter erhöhen. "Wir führen die "Operation Freiheit" fort. Wir bleiben auf den Straße, bis wir das Ende der unrechtmäßigen Machtübernahme erreicht haben", sagte er am Abend. "Morgen geht ganz Venezuela auf die Straße."
Kalt lassen Maduro die Machtkämpfe jedenfalls nicht. Die US-Regierung will über Informationen verfügen, wonach er zur Ausreise bereit gewesen sein soll. Russland habe ihn aber überzeugt, zu bleiben, sagte US-Außenminister Mike Pompeo am Dienstag dem Sender CNN.
"Es ist lange her, dass jemand Maduro gesehen hat. Er hatte ein Flugzeug auf dem Rollfeld. So wie wir es verstehen, war er bereit, heute Morgen zu gehen. Die Russen haben ihm aber zu verstehen gegeben, dass er bleiben sollte", erklärte Pompeo. (ff/dpa)
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