• Am Montag trafen sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften im Kanzleramt zur sogenannten konzertierten Aktion.
  • Ziel des Treffens war es, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu vermitteln.
  • Bis zum Herbst sollen weitere Treffen folgen. Wirtschaftswissenschaftler Jan Schnellenbach sieht eine Signalwirkung des ersten Treffens.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen des Autors bzw. des zu Wort kommenden Experten einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Die Lebenshaltungskosten werden wegen der steigenden Inflation immer teurer und die Gehälter müssen sich anpassen, sprich: steigen. Das ist die Forderung der Gewerkschaften seit der Kostenexplosion in der Folge des Ukraine-Kriegs in diesem Frühling und Sommer. Problem dabei: Wenn die Löhne steigen, steigen auch die Kosten für die Produkte. Es droht eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale und damit weiter explodierende Preise. Am Montag trafen sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmerverbände auf Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz zur konzertierten Aktion, um eine Lösung für dieses Dilemma zu finden.

Herausgekommen ist dabei zunächst einmal wenig Konkretes. Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes Yasmin Fahimi und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger waren sich einig, dass die Tarife nicht durch die Politik bestimmt werden sollten. Trotzdem soll das Format weiter im Kanzleramt stattfinden. Bundeskanzler Scholz beschwor bei der anschließenden Pressekonferenz den "Geist der Gemeinschaft" und kündigte weitere Treffen der konzertierten Aktion bis in den Herbst an.

Was ist die konzertierte Aktion?

Bei der konzertierten Aktion treffen sich die Bundesregierung, Arbeitgeber und -nehmer, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Sie werden dabei von Wissenschaftlern unterstützt. Die Idee stammt aus den 1960ern. 1967 fand die erste konzertierte Aktion statt und galt damals als Erfolgsmodell. In den darauffolgenden Jahren zeigten sich jedoch Probleme. Einige Vertragspartner hielten sich nicht an die freiwillig getroffenen Vereinbarungen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund stieg letztlich aus. Bei den aktuellen Treffen geht es darum, die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges abzufedern und eine Antwort auf die hohe Inflation zu finden.

Regierung will Druck von den Tarifpartnern nehmen

Zwar wurde am Montag wenig Konkretes vorgestellt, Wirtschaftswissenschaftler Jan Schnellenbach sieht jedoch bereits eine Tendenz. So signalisiere Bundeskanzler Scholz, dass er sich seitens der Regierung weitere Entlastungspakete vorstellen könne, die derzeit beraten werden. Gegenüber unserer Redaktion erklärt Schnellenbach: "Details gibt Scholz öffentlich nicht bekannt. Damit signalisiert er aber, dass die Regierung Druck von den Tarifpartnern nehmen will. Einen Teil der durch die Inflation verlorenen Kaufkraft will er kompensieren, sodass die Lohnsteigerungen etwas moderater ausfallen können."

In den vergangenen Wochen hatte Bundeskanzler Scholz angedeutet, dass eine steuerfreie Einmalzahlung an die Arbeitnehmer Teil eines solchen Pakets sein könnte und wurde dafür heftig kritisiert, unter anderem von den Gewerkschaften. Auch Wirtschaftswissenschaftler Schnellenbach sieht eine Einmalzahlung kritisch: "Die Inflation bedeutet einen permanenten Kaufkraftverlust, der nur durch ebenso permanente Lohnerhöhungen, aber nicht durch Einmalzahlungen zu kompensieren ist. Daher ist es fraglich, ob die Gewerkschaften sich darauf einlassen werden."

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Wirtschaftswissenschaftler: Kurzfristige Wohlstandsverluste

Zusammengefasst schätzt Wirtschaftswissenschaftler Schnellenbach die Erfolgsaussichten der konzertierten Aktion als relativ niedrig ein: "Ich würde jedenfalls nicht damit rechnen, dass die Gewerkschaften in den kommenden Lohnrunden aufgrund der konzertierten Aktion von ihren bisher kommunizierten relativ hohen Forderungen abrücken." Die Gewerkschaften stünden seitens ihrer Mitglieder selbst relativ stark unter Druck. "Das ist wahrscheinlich erst mal weniger wegen einer Lohn-Preis-Spirale ein Problem, die wird von Forderungen im bisherigen Rahmen wohl nicht ausgelöst." Jedoch drohe nun eine Rezession, "und mit sehr hohen Lohnabschlüssen können manche Unternehmen von der Kostenseite so unter Druck kommen, dass es existenzbedrohend wird", so Schnellenbach.

Insgesamt gestalte sich die aktuelle wirtschaftliche Situation in der nächsten Zeit sehr schwierig, so der Wirtschaftswissenschaftler: "Wir sind hier gerade in der Zwickmühle, in der wir kurzfristig für wenige Jahre (bis vor allem die Energiekrise gelöst ist) echte Wohlstandsverluste in Form geringerer realer Kaufkraft hinnehmen müssen. Das wird sich alles mittelfristig wieder auswachsen, aber die kurzfristige Perspektive ist schwierig, daran ändern auch die Beratungen am Montag nichts."

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Über den Experten: Jan Schnellenbach ist Professor für Volkswirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Die Schwerpunkte der Arbeit von Jan Schnellenbach liegen in den Bereichen Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliche Einschätzung von Jan Schnellenbach
  • Zeit.de: Der Kampf gegen die steigenden Preise
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