- In Kasachstan gehen die Unruhen unvermindert weiter - vor allem in der Metropole Almaty.
- Präsident Tokajew geht unterdessen gegen Vertraute seines Vorgängers Nasarbajew vor.
- Wie viele Menschen nach Torkajews Schießbefehl starben, ist nicht bekannt.
Nach schweren Unruhen ist die Lage im zentralasiatischen Kasachstan am Wochenende unübersichtlich geblieben. Landesweit seien mittlerweile mehr als 4400 Menschen festgenommen worden, berichtete das Staatsfernsehen am Samstag unter Berufung auf das Innenministerium der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik. Neue offizielle Informationen über Todesopfer gab es einen Tag nach dem von Präsident Kassym-Schomart Tokajew erteilten Schießbefehl zunächst nicht. Zuvor hatten die Behörden von insgesamt mehr als 40 Getöteten gesprochen - darunter auch Sicherheitskräfte.
Tokajew hatte Polizei und Armee am Freitag befohlen, "ohne Vorwarnung" auf Demonstranten zu schießen, die er als "Terroristen" und "Banditen" bezeichnete. Befürchtet wurde, dass es viele zivile Todesopfer geben könnte - insbesondere in der von den Ausschreitungen schwer erschütterten Millionenstadt Almaty im Südosten Kasachstans.
Lage in Kasachstan lässt sich nur erahnen - Videos kursieren in sozialen Medien
Weil die Behörden das Internet in Almaty abgeschaltet haben und die Mobilfunkverbindung ständig zusammenbricht, war es weiterhin kaum möglich, gesicherte Informationen von dort zu bekommen. Fotos zeigen, wie bewaffnete Sicherheitskräfte Demonstranten abführten. Auf Videos in sozialen Netzwerken, die angeblich aus Almaty stammen sollen, sind Schussgeräusche zu hören. Der sogenannte Anti-Terror-Einsatz dauere an, berichtete der Staatssender Khabar 24.
Aussagen von Kasachstans Kinderrechts-Beauftragter Aruschan Sain zufolge soll in Almaty ein 11 Jahre alter Junge während eines Spaziergangs mit seinen Eltern von einem Schuss getroffen und getötet worden sein. Wer geschossen haben soll, ging daraus nicht hervor.
Kasachstan erlebt seit Tagen die schwersten Ausschreitungen seit Jahren. Unmut über gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen schlug in vielerorts friedliche, aber teils auch gewaltsame Proteste gegen die Staatsführung um. Tokajew verhängte den Ausnahmezustand und bat ein von Russland geführtes Militärbündnis um Hilfe.
Kasachstan: Torkajew baut Staatsführung weiter um
Der 68-Jährige ordnete für Montag eine landesweite Staatstrauer an, um der Opfer zu gedenken. Gleichzeitig baute er die Staatsführung weiter um. Laut Staatsmedien entließ er den stellvertretenden Sekretär des einflussreichen Sicherheitsrates, Asamat Abdymomunow, der vor einigen Jahren von seinem Vorgänger Nursultan Nasarbajew ernannt worden war. Zuvor hatte Tokajew schon Nasarbajew selbst den Vorsitz in dem Gremium entzogen - und ihn selbst übernommen.
Der 81 Jahre alte Nasarbajew - der politische Ziehvater Tokajews - galt auch nach seinem Rücktritt im Jahr 2019 als mächtigster Mann in Kasachstan. Einige Experten argumentieren, dass Tokajew die aktuelle Krise nutze, um sich mehr Einfluss zu sichern. So entließ der 68-Jährige bereits die gesamte Regierung und ersetzte die Geheimdienstführung durch eigene Vertraute. Ex-Geheimdienstchef Karim Massimow wurde wegen Hochverrats festgenommen. Die Unterdrückung der Unruhen erfolge zunehmend in Form einer "rigorosen Befreiung des amtierenden Präsidenten aus der Bevormundung des Vorgängers", schrieb der Experte des Moskauer Carnegie Center, Alexander Baunow.
Langes Telefonat zwischen Torkajew und Putin
Angesichts der Krise führte am Samstag zudem Russlands Präsident Wladimir Putin, der die Entwicklung aufmerksam beobachtet, laut dem Kreml ein langes Telefonat mit seinem kasachischen Amtskollegen. Putin unterstütze den Vorschlag Tokajews, in den kommenden Tagen einen Videogipfel mit den Staats- und Regierungschefs der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) abzuhalten, hieß es in einer Kreml-Mitteilung.
Tokajew hatte das Militärbündnis, dem auch Armenien, Belarus, Kirgistan und Tadschikistan angehören, um Hilfe gebeten. Insgesamt sollten rund 2500 ausländische Soldaten in die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik geschickt werden. (mt/dpa)
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