• In Kasachstan gibt es weiterhin heftige Proteste - nun hat Russland Soldaten in das zentralasatische Land verlegt.
  • Bei den Ausschreitungen in Almaty hat es Berichten zufolge Tote und Verletzte gegeben.
  • Die Lage ist nach wie vor unübersichtlich.

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Angesichts der Unruhen in Kasachstan hat Russland Soldaten in das zentralasiatische Land verlegt. Es seien Fallschirmjäger als Teil einer Friedenstruppe entsandt worden, meldeten mehrere russische Staatsagenturen am Donnerstag übereinstimmend unter Berufung auf die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit. Kasachstan hatte das Militärbündnis um Hilfe gebeten.

Die Entsendung ausländischer Soldaten nach Kasachstan durch ein von Russland geführtes Militärbündnis schürt Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation der Lage in der früheren Sowjetrepublik. Zwar hieß es, die Soldaten der Allianz sollten für einen begrenzten Zeitraum entsandt werden, "um die Lage in dem Land zu stabilisieren und zu normalisieren".

"Tass" berichtet von "heftigem Schusswechsel"

Allerdings hatte die kasachische Staatsführung diese Hilfe erbeten, nachdem ihre eigenen Truppen mit Waffengewalt gegen regierungskritische Demonstranten vorgegangen waren. Die USA und die EU riefen alle Seiten zur Mäßigung auf und forderten eine friedliche Beilegung des Konflikts.

In der Millionenstadt Almaty habe es am Donnerstag vor dem Rathaus einen "heftigen Schusswechsel" zwischen Dutzenden bewaffneten Menschen und dem Militär gegeben, meldete die russische Staatsagentur Tass unter Berufung ihres Korrespondenten vor Ort. 300 Soldaten seien etwa in gepanzerten Mannschaftswagen angerückt. Sie hätten den Platz umstellt.

Offiziellen Angaben zufolge wurden bei den Ausschreitungen 13 Sicherheitskräfte getötet worden. Zwei Leichen seien geköpft aufgefunden worden, berichteten kasachische Medien am Donnerstag unter Berufung auf das Staatsfernsehen. Klare offizielle Angaben zu möglichen zivilen Todesopfern gab es weiter nicht.

Polizei will "Dutzende Angreifer eliminiert" haben

Am Mittwoch hatten die Behörden von acht toten Polizisten und Soldaten gesprochen. Bei den Unruhen wurden demnach landesweit mehr als 1.000 Menschen verletzt. 400 Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden, 62 seien auf Intensivstationen.

Die kasachische Polizei sprach davon, bei nächtlichen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Militär in Almaty "Dutzende Angreifer eliminiert" zu haben, was Todesopfer bedeuten könnte. Berichte können von unabhängiger Seite nur schwer geprüft werden.

Über Telegram berichtete das kasachische Medium Vlast, dass es im Zentrum Almatys keine Demonstranten und Soldaten mehr gebe. Viele Supermärkte und Geschäfte seien geplündert worden, darunter der Laden eines Waffenhändlers. Zudem seien viele Geldautomaten gesprengt worden. "In der Stadt riecht es stark nach Feuer."

Tokajew entlässt die Regierung

Auslöser der größten Protestwelle seit Jahren war Unmut über deutlich gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen des Landes, zumal Kasachstan schon seit Jahren unter Misswirtschaft und Armut leidet. Als Reaktion auf die teils gewaltsamen Proteste entließ Präsident Kassym-Jomart Tokajew die Regierung, bevor in der Nacht zu Donnerstag das Militär in der Millionenstadt Almaty einschritt.

"Terroristische Banden" hätten sich dort einen Kampf mit Fallschirmjägern geliefert, sagte Tokajew in einer Fernsehansprache. Er machte "in- und ausländische Provokateure" für das Chaos verantwortlich.

Tokajew rief das von Russland geführte Militärbündnis Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) zu Hilfe, das prompt die Entsendung von Soldaten ankündigte - sogenannten Friedenstruppen. Dem Bündnis gehören neben Russland und Kasachstan auch Armenien, Belarus, Kirgistan und Tadschikistan an. Der für Angelegenheiten ehemaliger Sowjetrepubliken zuständige Ausschussvorsitzende der russischen Staatsduma, Leonid Kalaschnikow, sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax, Russland sei zur Hilfe verpflichtet, dafür sei das Bündnis gegründet worden.

Bei den am Wochenende ausgebrochenen Unruhen handele es sich "nicht um eine Bedrohung, sondern um eine Untergrabung der Integrität des Staates", begründete Tokajew die Entscheidung.

Allerdings fehlt es mangels freier Medien an unabhängiger Berichterstattung vor Ort - und Videos in sozialen Netzwerken deuten darauf hin, dass es auch etliche zivile Opfer gegeben haben dürfte, über die sich die autoritäre Führung des Landes weitgehend ausschweigt. Unklar blieb auch, wie viele Demonstranten festgenommen wurden.

Erschwerte Berichterstattung durch Blockaden des Internets

Der kasachische Fernsehsender Khabar 24 meldete am Morgen, die Sicherheitskräfte würden weiter gegen Demonstranten vorgehen. "Die Anti-Terror-Operation zur Herstellung der öffentlichen Ordnung wird in Almaty fortgesetzt", hieß es dort. Die russische Staatsagentur Ria Nowosti meldete, Militärfahrzeuge hätten Leichen in der Stadt eingesammelt. Banken hätten zudem vorerst ihre Arbeit eingestellt.

Zuvor hatten kasachische Medien berichtet, der von einer protestierenden Menschenmenge besetzte und schwer beschädigte Flughafen der Stadt sei "befreit" worden, nachdem mehrere Airlines Flüge nach Almaty gestrichen hatten. Am Weltraumbahnhof Baikonur wurden laut der russischen Weltraumbehörde Roskosmos die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.

Erschwert wird die Informationslage durch wiederholte Blockaden des Internets in Kasachstan. Bereits am Mittwoch wurde das Netz über Stunden abgeschaltet - vermutlich, um neue Versammlungen zu erschweren. Mehrere Fernsehsender stellten den Betrieb ein. In der Nacht zu Donnerstag waren dann erneut Webseiten von Behörden, Polizei und Flughäfen nicht zu erreichen, wie die russische Staatsagentur Tass berichtete. Auch aus Deutschland waren Internetseiten wie die der staatlichen Nachrichtenagentur Kazinform und anderer Medien nicht abrufbar.

In Almaty herrschte laut Tass ein kompletter Internetausfall, soziale Netzwerke als zentrales Koordinierungsinstrument von Demonstranten waren damit lahmgelegt. Auch das Mobilfunknetz in der Wirtschaftsmetropole war demnach tot.

Viele Länder rufen zu einer friedlichen Lösung auf

Mehrere Länder, darunter die USA und die EU, riefen zu einer friedlichen Lösung auf. "Wir bitten alle Kasachen, die verfassungsmäßigen Institutionen, die Menschenrechte und die Pressefreiheit inklusive einer Wiederherstellung des Internetzugangs zu respektieren und zu verteidigen", erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price.

Auch der Auswärtige Dienst der EU äußerte sich besorgt über die schweren Unruhen in Kasachstan und rief die Staatsführung zur Einhaltung internationaler Verpflichtungen und des Grundrechts auf friedlichen Protest auf.

Das zentralasiatische Land mit mehr als 18 Millionen Einwohnern wurde über Jahrzehnte von Machthaber Nursultan Nasarbajew regiert und grenzt unter anderem an Russland und China. Es ist reich an Öl, Gas und Uran. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Kasachstan auf Platz 155 von 180 Ländern. (awa/dpa)

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