Zwei langjährige Beschäftige der Bundestagsfraktion der Linken schildern, wie sie den Bruch innerhalb der Fraktion miterlebten und wie es bei ihnen weitergeht, wenn die Fraktion aufgelöst wird.
Kolja Fuchslocher arbeitet seit 13 Jahren als Fachreferent für Kinder- und Jugendpolitik in der Bundestagsfraktion der Partei "Die Linke". "Dort bearbeite ich alle Themen rund um Kinder- und Jugendarmut, Kinder- und Jugendhilfe inklusive Kita und Kinderschutz sowie Kinderrechten", erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch wird diese Arbeit schon bald enden.
Ihm habe die Arbeit in der Bundestagsfraktion sehr gut gefallen. Fachreferent im Deutschen Bundestag zu sein, sei eine vielfältige, kommunikative und auch kreative Beschäftigung. "Wir als Referenten füllen das politische Arbeiten durch unsere Anreicherungen, Analysen und Netzwerke mit Leben und Inhalten." Das Schöne daran ist laut Fuchslocher, der selbst in der Linken ist, aber auch, dass man bundespolitische Debatten anstoßen und somit Dinge in Bewegung bringen kann. Er sagt: "Ich hätte die Arbeit gerne weitergeführt."
Linksfraktion beschließt Selbstauflösung
Aber nicht nur sein Job war gefährdet, nachdem klar ist, dass es innerhalb der zerstrittenen Linken zur Spaltung kommen wird. Von der Auflösung der Linken im Bundestag wird schon seit geraumer Zeit gesprochen. Seit Dienstag, 14. November, steht nun fest, dass die Linken-Fraktion ihre Liquidation zu Mittwoch, 6. Dezember, beschlossen hat. Die Linkspartei im Bundestag verliert also den Fraktionsstatus, ihre 38 Abgeordneten sind ab dem 6. Dezember nur noch individuelle Mandatsträger. Über die Folgen muss das Parlament noch entscheiden.
Erwartet wird, dass sich aus ihnen zwei parlamentarische Gruppen bilden, die für ihre Anerkennung allerdings die Zustimmung des Bundestags benötigen. Die Abstimmung über die Liquidation fiel einstimmig aus. Es gab nur vier Enthaltungen.
Wie geht es für Mitarbeitende nun weiter?
Wie es weitergeht, vor allem für die Beschäftigten der Bundestagsfraktion, darüber gab und gibt es genug Spekulationen. Sicher ist, dass aufgrund der Spaltung zahlreiche Arbeitsplätze, einschließlich des Arbeitsplatzes von Fuchslocher, abgebaut werden müssen.
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Da Kolja Fuchslocher zu jenen Beschäftigten gehört, die unmittelbar an die Fraktion gebunden sind, also ihre Jobs von dem Bestehen der Bundestagsfraktion abhängen, fällt sein Job definitiv weg, sobald die Fraktion liquidiert wird. Das sind derzeit knapp 100 Mitarbeiter, die bei der Bundestagsfraktion der Linken angestellt sind. Sie sind für allerlei organisatorische Dinge verantwortlich oder arbeiten als thematische Experten wie Fuchslocher.
Nicht von der Liquidation betroffen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten. Sie werden von den Bundestagsmitgliedern selbst angestellt und sind von den Folgen der Spaltung nicht betroffen. Ihre Jobs hängen am Mandat der Abgeordneten.
Bruch in der Partei zeichnete sich schon länger ab
Fuchslocher ist vom "Bruch innerhalb der Partei und der Fraktion" nicht überrascht. Es habe sich seit Längerem abgezeichnet. "Der Flurfunk ist natürlich Quelle Nummer eins", sagt er. Und schiebt nach: "Als Parteimitglied bleibe ich in der Partei." Das ist als klare Abgrenzung zu dem Wagenknecht-Lager zu verstehen.
Einen Betriebsrat hat die Bundestagsfraktion auch, sein Vorsitzender ist Christian Posselt. Auch er sagte vor Wochen bereits, im Gespräch mit der Redaktion, er wisse nicht, wie lange es weitergeht. Es könne sein, dass es bis zum Ende der Legislaturperiode gut geht, vielleicht aber auch nicht. Höchstwahrscheinlich eher nicht. Jetzt herrscht Klarheit. Gespräche mit dem Fraktionsvorstand werden allerdings weiterhin geführt.
Kolja Fuchslocher, seit einigen Legislaturperioden dabei, hat nach eigenen Angaben eine fünfmonatige Kündigungsfrist. Ungeachtet dessen läuft die Arbeit für ihn noch weiter. So wie immer, auch wenn die Unsicherheit zuletzt von Tag zu Tag zugenommen hatte. "Ich glaube, wir alle brennen für unsere Themen und arbeiten, bis es nicht mehr geht. Also ich versuche meinen Job bis zum Ende zu erledigen, denn in dem Bereich gibt es viel zu tun."
Erst Anfang dieser Woche fand die Anhörung zur Kindergrundsicherung statt, "in der nahezu alle geladenen Sachverständigen den Gesetzentwurf der Bundesregierung massiv kritisiert haben", erklärt Fuchslocher, der zurückgemeldet bekomme, dass es seine Partei brauche, da "sonst viele Themen gar nicht im Bundestag ankämen".
Enttäuscht über die Spaltung und das unwürdige Gestreite der vergangenen Monate ist er natürlich schon. "Auf der anderen Seite brauchte es auch eine Klarheit für beide Seiten." Dass politische Zweckgemeinschaften, wie es Fraktionen oftmals sind, auch scheitern oder sich auflösen können, "gehört dann leider auch dazu".
Während einige Beschäftigte der Fraktion bereits gekündigt haben, weiß Fuchslocher noch nicht, wie es bei ihm konkret weitergeht. "Nach 13 Jahren tut aber eine kleine Verschnaufpause auch mal gut."
Ob er sich sorgt, mit einer "linken Erwerbsbiografie" adäquat unterzukommen?
"Da mache ich mir keine großen Sorgen. Wir sind alle gut ausgebildete Expert*innen mit einem extremen Know-how, guten Netzwerken und können unter enormen Zeitdruck gute Arbeitsergebnisse liefern", erklärt er.
Folgen der Wagenknecht-Pressekonferenz
Monique Ludwigs ist eine Kollegin von Kolja Fuchslocher, arbeitet seit mehr als 18 Jahren als Mitarbeiterin im technischen Bereich bei der Fraktion.
Auch ihr gefiel die Arbeit gut. "Es wurde nie langweilig und wir hatten, da wir im Service alles vertreten haben, was für die Fraktion benötigt wurde, außerhalb der politischen Arbeit viel zu organisieren." Von Raumverteilung im Bundestag, Raumvergabe, Planung, Durchführung und Ausgestaltung von Veranstaltungen mit den Arbeitskreisen vom Beginn bis zum Ende. "Eben einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen", schildert sie. Ludwigs layoutete und druckte zudem alle Printaufträge der Fraktion.
Auch sie war nicht überrascht über den Bruch. "Seit der Belegschaftsversammlung im Oktober und der zuvor stattgefundenen Pressekonferenz von Sahra Wagenknecht ist aber klar, dass die Fraktion sich irgendwann auflösen wird."
Anders als Fuchslocher legt Ludwigs sich nicht fest, für welches Lager sie ist beziehungsweise arbeitet. "Ich kann für beide Seiten arbeiten, da meine Arbeit nichts mit Politik zu tun hat." Wie geht es aber bei ihr nun weiter? "Vielleicht wird meine Arbeit, durch die jahrelange Erfahrung auch in der Gruppe, wieder benötigt", hofft sie.
Dass es ein Ausschlusskriterium sein könnte, jahrelang für die Linksfraktion gearbeitet zu haben, glaubt Monique Ludwigs auch nicht. Schließlich hat sie organisatorisch für die Linke gearbeitet, und "eben keine politische Arbeit verrichtet". Ludwigs ist im Gegensatz zu Fuchslocher auch kein Parteimitglied.
Unabhängig von ihrem weiteren persönlichen Werdegang hofft sie, dass der Streit in Fraktion und Partei beigelegt werden kann, damit "endlich für den Bürger wieder ersichtlich wird, wofür die Partei steht". Dafür lohne es sich, sich einzusetzen. "Denn ohne eine Fraktion, die das linke Spektrum abbildet, wird es ungleich im Bundestag werden."
Über die Gesprächspartner
- Kolja Fuchslocher arbeitet seit 13 Jahren als Fachreferent für Kinder- und Jugendpolitik in der Bundestagsfraktion der Partei "Die Linke".
- Monique Ludwigs arbeitet seit mehr als 18 Jahre als Mitarbeiterin im technischen Bereich bei der Links-Fraktion im Deutschen Bundestag.
- Christian Posselt ist Vorsitzender des Betriebsrats der Bundestagsfraktion der Linken.
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