Linken-Chefin Janine Wissler hat zurückhaltend auf den Vorschlag aus der SPD reagiert, die Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen auf vier Prozent herabzusetzen. Die Absenkung sei eine Möglichkeit, die durch die Wahlrechtsreform der Koalition geschaffenen Probleme "ein Stück weit" zu beheben, sagte Wissler der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" vom Dienstag. "Dennoch würde das Problem bleiben, dass womöglich Wahlkreise nicht in den Bundestag einziehen und ganze Städte und Regionen nicht vertreten sind."

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer hatte angeregt, die Fünf-Prozent-Hürde auf vier Prozent abzusenken. Der von der Ampel-Koalition beschlossene Wegfall der Grundmandatsklausel habe "aus allen Richtungen zu erheblicher Kritik geführt, die wir ernst- und aufnehmen müssen", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" am Wochenende aus einer Stellungnahme Schäfers.

Wissler sagte dazu, der Vorschlag aus der SPD zeige, "dass es auch innerhalb der 'Ampel' Bedenken gegen die Abschaffung der Grundmandatsklausel gibt". Die Linken-Vorsitzende betonte: "Klar ist: Jede Wählerstimme, die nicht zählt, schadet der Demokratie."

Die mit den Stimmen der Ampel-Koalition verabschiedete Wahlrechtsreform schreibt die Größe des Bundestags auf 630 Abgeordnete fest. Um dies zu erreichen, erhält die Zweitstimme mehr Gewicht - das kann dazu führen, dass nicht alle Wahlkreisgewinner ins Parlament einziehen. Die Grundmandatsklausel wurde abgeschafft. Sie ließ zuvor eine Partei mit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen in Fraktionsstärke ins Parlament einziehen, sofern sie mindestens drei Direktmandate gewinnt.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte den Zeitungen: "Die Koalition hat ein Wahlrecht beschlossen, das verfassungsrechtlich prekär ist und unserer Demokratie schadet." Er fügte hinzu: "Die hektischen Reparaturversuche, die sie nun im Nachgang unternimmt, unterstreichen das noch einmal deutlich." Die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandatsklausel hätten sich grundsätzlich bewährt, betonte Frei.

Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde auf drei oder 3,5 Prozent hatte der Linken-Politiker Gregor Gysi vorgeschlagen. Wenn die Grundmandatsklausel wegfalle, müsse zugleich die Fünf-Prozent-Hürde herabgesetzt werden, sagte er dem "Spiegel". Gysi argumentierte mit der grundgesetzlich verankerten Chancengleichheit der Parteien. Das Bundesverfassungsgericht habe schon früher darauf hingewiesen, "dass die Grundmandatsregel zur Repräsentanz des Wählerwillens beitrage".


  © AFP

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