Eine der schwersten Menschenrechtskrisen der jüngeren Geschichte nennen die UN die Situation in Venezuela. Staatspräsident Maduro lässt jeglichen Protest gewaltsam niederschlagen, massenhaft werden Menschen willkürlich verhaftet, der Präsidentschaftskandidat der Opposition musste flüchten. Die Frage, wie die EU darauf reagieren soll, endete in einem Eklat.
Was ist los in Venezuela? Die Lage in dem südamerikanischen Land gerät mehr und mehr aus den Fugen. Ein Überblick:
Eine Wahl – doch wer ist der Sieger?
Ende Juli hat Venezuela Präsidentschaftswahlen abgehalten. Die linientreue Wahlbehörde hat den seit 2013 regierenden Nicolás Maduro zum Sieger erklärt. Die Opposition spricht hingegen von Wahlbetrug und reklamiert den Sieg für ihren Kandidaten Edmundo González. Immer wieder gibt es deshalb seither große, teils landesweite Proteste, die von der Staatsgewalt gewaltsam niedergeschlagen werden.
Wie dramatisch ist die Lage?
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Provea kamen bislang mindestens 25 Personen ums Leben, mehr als 2.500 wurden festgenommen. Die Opposition beklagt willkürliche Festnahmen, die Vereinten Nationen bestätigen dies in einem aktuellen Bericht: "Diese Personen, darunter über hundert Kinder, einige mit Behinderungen, wurden des Terrorismus und der Aufstachelung zum Hass beschuldigt."
Für den Bericht hat eine unabhängige Kommission der UN die Menschenrechtssituation zwischen September 2023 und August 2024 untersucht. Sie spricht von einer der schwersten Menschenrechtskrisen der jüngeren Geschichte. Nach den Wahlen sei ein "neuer Meilenstein in der Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit" erreicht worden, heißt es. "Wir beobachten eine Verschärfung des staatlichen Repressionsapparats als Reaktion auf das, was er [Maduro; Anm. d. Red.] als kritische Ansichten, Opposition oder Dissens wahrnimmt", so die Vorsitzende Marta Valiñas. Es gäbe hinreichende Gründe zur Annahme, dass es Verfolgung aus politischen Gründen gebe.
Wie geht Maduro mit González um?
Gegen den Oppositionellen González wurde nach der Wahl Haftbefehl erlassen, unter anderem wegen Sabotage, Verschwörung und Amtsanmaßung. Um einer Verhaftung zu entgehen und ausreisen zu dürfen, habe er – erzwungenermaßen – erklärt, dass er die Angaben der Wahlkommission zum Sieg Maduros "respektiere", erklärte González am Donnerstag auf "X". "Ich musste entweder unterschreiben oder mich mit den Konsequenzen auseinandersetzen", schrieb der 75-Jährige. Es habe "sehr angespannte Stunden voller Nötigung, Erpressung und Druck" gegeben.
Am 8. September hat González das Land schließlich verlassen. Er ist nach Spanien geflüchtet, das ihm Asyl angeboten hat. "Ich war der Meinung, dass ich in Freiheit nützlicher sein könnte als in der Haft", begründet er seine Entscheidung.
Wie reagiert die EU?
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat die Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro als "diktatorisch" bezeichnet. "Venezuela hat Wahlen angesetzt, aber es war vorher keine Demokratie und ist es jetzt noch viel weniger", sagte er dem spanischen Fernsehsender Telecinco.
Im EU-Parlament gibt es unterdessen heftigen Streit um eine Resolution zu Venezuela. Wie der Spiegel berichtet, waren sich Konservative (EVP), Sozialdemokraten (SD), Grüne und Liberale (Renew) am Mittwoch zwar einig, dass Maduros Verhalten zu verurteilen sei. Unterschiedliche Meinungen habe es jedoch zur Frage gegeben, ob die EU González als Wahlsieger anerkennen soll. Nachdem sich die demokratischen Fraktionen nicht einig wurden, hat die EVP dem Bericht zufolge einen neuen Resolutionstext eingebracht – gemeinsam mit der rechten EKR-Fraktion und den in Teilen rechtsextremen "Patrioten für Europa", zu der unter anderem das französische RN und die österreichische FPÖ gehören. Sozialdemokraten und Liberale hätten darauf den Raum verlassen. Eine Zusammenarbeit mit den "Patrioten" ist ihnen ein absolutes No-Go. Ob noch eine Resolution zu Stande kommt, ist unklar.
Welche Rolle spielen die USA?
Die USA erkennen González als Wahlsieger an und haben gegen ranghohe Behördenvertreter Venezuelas Strafmaßnahmen wegen Wahlbetrugs verhängt. Entsprechend angespannt sind die Beziehungen der Länder.
Die venezolanischen Behörden haben vier US-Bürger, zwei Spanier und einen Tschechen wegen angeblicher Pläne zur "Destabilisierung" des Landes festgenommen und der US-Regierung eine Beteiligung an den Umsturzplänen vorgeworfen. Maduro unterstrich die Vorwürfe im TV und hantierte vor laufender Kamera mit einer der angeblich 400 beschlagnahmten Waffen aus US-Produktion herum. Die US-Regierung und Spanien weisen die Vorwürfe zurück.
Wie könnte es weitergehen?
Ob der Westen seinen Druck auf Maduro verstärken wird, ist offen, erst recht, wie dieser dann reagieren würde. Die venezulanische Opposition will weiterkämpfen. "Als der Präsident, der von Millionen und Abermillionen Venezolanern gewählt wurde, die für den Wandel, die Demokratie und den Frieden gestimmt haben", werde er sich nicht zum Schweigen bringen lassen, heißt es am Ende von González Post auf "X". Oppositionsführerin María Corina Machado hat die Venezolaner über die Plattform für auf den Tag genau zwei Monate nach der Wahl zu neuen Protesten aufgerufen. "An diesem 28. September werden die Venezolaner die ganze Welt in Aufruhr versetzen."
Verwendete Quellen:
- dpa
- afp
- Spiegel online vom 19.9.24: "EU zofft sich über Umgang mit Rechtsextremen"
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