Nun also doch: Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz kandidiert für den SPD-Vorsitz. In einem Interview begründet er sein Umdenken - und nutzt die Chance auch gleich, um den Umgang mit Andrea Nahles scharf zu kritisieren.

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Vizekanzler Olaf Scholz begründet seine Bereitschaft zur Kandidatur für den SPD-Vorsitz mit dem mangelnden Interesse prominenter Genossen an dem Spitzenamt.

"Es tut der SPD nicht gut, wenn es so rüberkommt, als ob sich keiner traut. Das stimmt ja nicht. Auch nicht für mich", sagte der Finanzminister der "Bild am Sonntag".

Scholz hatte unter Verweis auf sein zeitraubendes Regierungsamt eine Kandidatur wochenlang ausgeschlossen. Seine Kehrtwende begründete er nun so: "Ich bin nicht eitel genug, um mich für den einzig Richtigen zu halten. Aber ich bewerte die Lage neu."

Scholz: "Das kann ich nicht ignorieren"

Aus Verantwortung für die SPD habe er damals gesagt, dass er den Parteivorsitz nicht anstrebe. Nun seien aber einige Wochen ins Land gegangen.

"Viele von denen, die ich gern an der Spitze gesehen hätte, kandidieren nicht. Das kann ich nicht ignorieren."

Scholz sagte, dass er "natürlich" auch während der Kandidatur mit den 23 Regionalkonferenzen das Finanzministerium leiten werde. "Es geht hier gerade nicht um Arbeitsbelastung, sondern um die SPD."

Die Bewerbungsfrist bei der SPD läuft noch bis 1. September. An diesem Tag muss die SPD zugleich herbe Verluste bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen fürchten.

Die neue SPD-Spitze soll dann in einer Mitgliederbefragung faktisch bestimmt und auf einem Parteitag Anfang Dezember gewählt werden.

Nach Informationen aus Parteikreisen sondiert Scholz derzeit im Hintergrund das Feld und sucht eine Partnerin, mit der er als Doppelspitze antreten kann. Der "BamS" sagte er, eine Co-Kandidatin wäre "natürlich nicht" nur die Frau an seiner Seite.

Scharfe Kritik am Umgang mit Andrea Nahles

Scholz beklagte in diesem Zusammenhang eine grundsätzliche Benachteiligung von Frauen in der Politik: "Der schlechte Umgang mit Andrea Nahles hat viele umgetrieben. Mich auch."

Eine Politikerin, die energisch ihre Position vertrete, gelte als machtgierig, ein Mann als durchsetzungsstark. "Das müssen wir schleunigst ändern."

Scholz räumte Verantwortung für die schlechten Wahl- und Umfrageergebnisse seit der Bildung der großen Koalition ein. "Auch ich trage dafür Verantwortung. Ich mag nicht, wenn sich Leute wegducken." Zugleich warnte er davor, überstürzt die Koalition aufzukündigen: "Man verlässt eine Regierung nicht einfach so ohne Grund."

Der Parteitag habe zu entscheiden, wie es weitergeht. Klar sei, dass die große Koalition kein Dauerzustand sei. "Das ist jetzt die zweite in Folge. Eine dritte wird es bestimmt nicht geben."

Trotz der miesen Umfragewerte glaubt Scholz weiter, dass die SPD nach der nächsten Bundestagswahl den Kanzler stellen kann. "Man muss mit geradem Rücken auf den Platz gehen, und man muss gewinnen wollen."

Scholz bekräftige auch, dass er sich als Vizekanzler und Bundesminister das Kanzleramt zutrauen würde. (dpa/fte)

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