Die künftige Bundesregierung will Arbeit in Deutschland flexibler und attraktiver gestalten – mit steuerlichen Anreizen für Mehrarbeit, einer Aktivrente und einem Mindestlohn-Ziel von 15 Euro. Grundlage bleibt Freiwilligkeit.
Der Mangel an Fachkräften und Arbeitskräften ist groß und die demografische Entwicklung in Deutschland lässt keinen Umkehrtrend erwarten. Die künftige Regierungskoalition will daher Mehrarbeit und Arbeit im Alter attraktiver machen. Sie setzt zugleich auf Freiwilligkeit und strebt einen künftigen Mindestlohn von 15 Euro an. Wie sich die Regierung die Arbeit von morgen vorstellt:
Wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit
Die einen sehen darin einen Schritt zu mehr Flexibilität und Eigenverantwortung der Beschäftigten - die anderen fürchten Ausbeutung. Die künftige Koalition will statt der derzeitigen täglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden "im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie" eine wöchentliche Höchstarbeitszeit schaffen. Diese sieht maximal 48 Stunden vor. Zur konkreten Ausgestaltung dieser Pläne versprechen die Koalitionäre einen Dialog mit den Sozialpartnern.
Anreize zu Mehrarbeit und Aufstockung
Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinn umschreibt das, was über die gesetzliche oder tariflich festgelegte Höchstarbeitszeit hinausgeht. Im Koalitionsvertrag steht: "Kein Beschäftigter darf gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden." Auch an den Ruhezeitregelungen soll nicht gerüttelt werden.
Zugleich will die Regierung Mehrarbeit attraktiver machen. Zuschläge für Mehrarbeit, die über die vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, sollen steuerfrei gestellt werden. Auch hier sollen die Sozialpartner mitreden dürfen. Für Teilzeitbeschäftigte soll das Aufstocken der Arbeitszeit attraktiver werden. Zahlen Arbeitgeber Prämien zur Ausweitung der Arbeitszeit, sollen diese steuerlich begünstigt werden.
Arbeitssuchende schneller in Arbeit bringen
Die künftige Regierung will zudem Arbeitssuchende schneller wieder in Arbeit bringen. "Wir stärken die Vermittlung in Arbeit. Jede arbeitslose Person hat sich aktiv um Beschäftigung zu bemühen", heißt es im Koalitionsvertrag im Kapitel zur sogenannten neuen Grundsicherung, die das Bürgergeld ablösen soll. Alle Betroffenen sollen ein Beratungs- und Vermittlungsangebot erhalten. Wer arbeiten könne und wiederholt zumutbare Arbeit verweigere, muss mit dem Entzug der Leistungen rechnen.
Um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, will die künftige Koalition ein "jährliches Familienbudget für Alltagshelfer" prüfen. Das könnte Familien mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen mit kleinen und mittleren Einkommen zugute kommen und soll die Vereinbarkeit stärken.
Arbeit im Alter
Auch freiwilliges längeres Arbeiten im Rentenalter soll sich mehr lohnen. Die künftigen Koalitionäre haben sich gegen ein höheres Renteneintrittsalter oder die Kopplung des Eintritts an die Lebenserwartung entschieden. Sie wollen aber "mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente". Arbeiten im Alter soll mit einer Aktivrente attraktiv werden. Wer das gesetzliche Eintrittsalter erreicht hat und freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei erhalten.
Dabei soll es auch leichter werden, wieder beim bisherigen Arbeitgeber anzuheuern. Die künftige Regierung will laut Koalitionsvertrag das Vorbeschäftigungsverbot aufheben. Außerdem sollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Hinterbliebenenrente verbessert werden.
Ausweitung der kurzfristigen Beschäftigung
Eine kurzfristige Beschäftigung darf derzeit nicht länger als drei Monate oder 70 Arbeitstage im Laufe eines Kalenderjahres dauern. Dabei handelt es sich meist um Saisonarbeiter. Für den Einsatz von Saisonarbeitskräften will die Koalition die Regelung auf 90 Tage ausweiten. Die kurzfristig Arbeitenden sind sozialversicherungsfrei und damit auch - zumindest über diese konkrete Beschäftigung - nicht abgesichert.
Angestrebter Mindestlohn von 15 Euro
Die gesetzliche Lohnuntergrenze liegt derzeit bei 12,82 Euro pro Stunde. Sie wird von der unabhängigen Mindestlohnkommission regelmäßig geprüft und angepasst. Daran will die Regierung festhalten. Sie geht jedoch laut Koalitionsvertrag davon aus, dass "ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar" ist. Ob es tatsächlich so kommt, ist unklar.
Höhere Tarifbindung und Mitbestimmung
Wie schon die Ampel-Regierung will auch das künftige schwarz-rote Bündnis eine höhere Tarifbindung und deshalb ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen. Öffentliche Aufträge sollen nur noch an Firmen vergeben werden, die nach Tarif zahlen. Die Regelung soll für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für junge und innovative Startups ab 100.000 Euro gelten.
Außerdem will die Regierung die Mitbestimmung in den Betrieben stärken und dazu Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen als gleichwertig zu Präsenzveranstaltungen anerkennen. Das Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe soll um einen digitalen Zugang erweitert werden. (afp/bearbeitet von skr)